Das Kürzel A.C.A.B. steht für den ziemlich bösen Satz „All Cops Are Bastards“, den man nicht ins Deutsche übersetzen muss, um ihn als Beleidigung zu verstehen. Verboten sind die vier Buchstaben also nicht; es kommt – wie wir gestern Abend vom DSSQ-Anwalt Jasper Prigge lernten – auf den Kontext an. Das Ding also mit „1312“ zu umschreiben, den 13. Dezember zum Cop-Day zu erklären oder es als „All Cats/Colors Are Beautiful“ zu übersetzen oder durch „Acht Cola, Acht Bier“ zu umschreiben, ist unnötig. Tatsächlich verwendet aber nur ein relativ kleiner Ausschnitt unserer Gesellschaft das Kürzel und meint es auch so. In dieser kleinen Nische tummeln sich vor allem Fußball-Hooligans und -Ultras sowie Antifa-Leute und Linksautonome. Hier trifft man auf nackten Hass, und gerade die Linksextremen haben die Ordnungshüter zum Gegner Nummer 1 erklärte und richten ihre Gewalt inzwischen vor allem gegen die Polizei. Aber auch außerhalb der extremen Ecken mögen viele Bürger die Polizei nicht – und das hat seine Gründe im Zustand unserer Gesellschaftsordnung.

Politisch motivierter Hass
Bleiben wir kurz bei den schwarzen Banden, die sich für autonom und/oder antifaschistisch halten und vor allem „befreite Gebiete“ anstreben, also Wohngegenden, in denen die Polizei keinerlei Kontrolle mehr hat. Die politisch-philosophische Wurzel für dieses Ziel findet sich unter dem Stichwort „Keine Macht für niemand“ im klassischen Anarchismus. Viele Autonome bewegt seit gut 50 Jahren die Idee von der herrschaftsfreien Welt, also einem Gesellschaftssystem, in dem niemand einem andere irgendetwas zu befehlen hat und in dem das Zusammenleben durch mutuelle Absprachen geregelt wird. Von dieser schönen Utopie ist im Schwarzen Block über die Jahre nur noch der unbändige Wille geblieben, die Polizei als Exekutive der Staatsmacht anzugreifen. Das ist mindestens naiv, eigentlich aber blöd und ziemlich typisch für Bürgerkinder, die mal ein paar Jahre lang so richtig die Sau rauslassen wollen. Politisch im eigentlichen Sinne ist das alles nicht.

Schon gar nicht in der Geschmacksrichtung „Antifa“. Für den gewaltsamen Arm der sich selbst als einzig wahre Antifaschisten verstehenden Gruppierung hat die Polizei im Wesentlichen die Aufgabe, „die Faschisten“ zu schützen – getreu dem Uralt-Slogan: „Deutsche Polizisten schützen die Faschisten.“ Weil die Cops das tun, so der gedankliche Hintergrund, darf man sie jederzeit gewaltsam angreifen, um sie im Idealfall zu vertreiben, um dann an die Neonazis ranzukommen und denen ordentlich die Fresse zu polieren. Auch das ist als politische Meinungsäußerung kaum ernst zu nehmen. Denn in unserer, zumindest nominell demokratisch verfassten Grundordnung mit dem grundgesetzlich verbrieften Recht auf Versammlungsfreiheit müssen die Polizeikräfte selbst Rassisten, Faschisten und sonstigem Kroppzeug ermöglichen, ihre Kundgebungen abzuhalten. Ob sie wollen oder nicht.

Ist die Polizei rechtsextrem unterwandert?
Spricht man als Teilnehmer von Demonstration gegen irgendwelche Pegidas oder andere Nazis mit anwesenden Polizisten, wird man zunächst nicht auf den Gedanken kommen, die Polizei könnte bundesweit deutlich rechtsextrem unterwandert sein. Mehrheitlich äußern Cops an Absperrungen, die sich trauen, sich zu äußern, ihr Missfallen mit den Aufzügen der Rechtsextremen. Bohrt man aber ein wenig tiefer und zapft interne Kräfte an, wird es schon bräunlicher. Da werden Privatwagen von Polizisten in Bayern, Sachsen, Thüringen und Niedersachsen gesichtet, die mit Aufklebern rechtsextremistischer Organisationen versehen sind, da finden sich in einschlägigen rechten Facebook-Gruppen bekannte Ordnungshüter und da werden sogar bei rechtsextremen Aufläufen wie der von Hogesa Cops in Zivil auf der anti-islamischen Seite identifiziert.

Auch manche Anekdote aus „Mein Einsatzleiter“, der Realsatire über das Verhalten der Polizei bei Gegendemonstrationen gegen Dügida lässt auf massives Messen mit zweierlei Maß schließen und vermuten, dass gerade in den höheren Ebenen mehr Sympathie für die Rechten vorliegt als für die Gegenseite. Warum sonst verlautbaren offizielle Polizeikanäle immer und immer wieder, es läge kein rechtsextremer Hintergrund vor, wenn die Taten doch eindeutig auf Fremdenfeindlichkeit und Rassismus schließen lassen? Weshalb sonst geht die Aufklärung tausender rechtsextremer Gewalttaten in den vergangenen 12, 15 Monate so schleppend voran? Wie konnte der sogenannte „NSU“ über so viele Jahre so unbehelligt Mitbürger mit Migrationshintergrund ermorden, wenn die Polizei- und Ermittlungsbehörden nicht auf dem rechten Auge schwer sehbehindert sind? Die Frage, ob und in welchem Maße bundesdeutsche Polizeikräfte rechtsradikal unterwandert sind, ist immer noch in hohem Maße tabuisiert.

Vermutlich wird es aber so sein, dass die Verbreitung fremdenfeindlichen, rassistischen und antidemokratischen Gedankenguts unter Polizisten auch nicht höher ist als in der Gesamtbevölkerung. Beruhigen kann diese Annahme aber nicht wirklich.

Von wirtschaftsliberal zu scheißegal
Aber auch bei Bürgern, die unsere Ordnungshüter weder als Faschisten-Schutztruppe betrachten, noch als Spaßverderber bei Hooligan-Matches, haben Polizisten kein gutes Image. Führen „Bullen“ irgendwo Geschwindigkeitsmessungen durch, dann gilt das Autofahrern als „Abzocke“. Überhaupt: Versucht die Polizei für einen halbwegs lebensschonenden Straßenverkehr zu sorgen, werden sie beschimpft und aufgefordert, lieber Verbrecher fangen zu gehen. Und das setzt sich weit über die Zuständigkeit der Polizei hinweg fort und wird von vielen Bürgern unter dem Stichwort „Regulierungswut“ zusammengefasst. Dieser Begriff hat seine Wurzel in einem Wort, das bei der Globalisierung und Liberalisierung eine große Rolle spielt: „Deregulierung“. Ja, die Deregulierung der Märkte ist ein Grundpfeiler der Neuen Weltwirtschaftsordnung, die ja auf völlige Liberalisierung und entfesselte Märkte setzt. Wer investiert, soll machen können, was er/sie will.

Das hat sich auch Otto Normalbürger zum Vorbild genommen und ist zur Einsicht gekommen, dass „der Staat“ bloß da ist, ihn daran zu hindern, zu tun, was immer er will. Otto will nicht reguliert werden, er will nicht mehr prüfen müssen, ob sein Tun legal ist – das bestehende Recht ist ihm scheißegal. Nun ist die Polizei in einem Rechtstaat aber die durchführende Kraft, die in erster Linie für die Einhaltung der geltenden Gesetze zu sorgen hat. Einem durchliberalisierten Bürger ist deshalb der „Bulle“ quasi ein natürlicher Feind.

Rübergeschwappt ist diese antistaatliche Auffassung aus den USA, wo besonders die Vertreter der republikanischen „Tea Party“ die maximal Entstaatlichung predigen. Nach deren Auffassung ist im Land der unbegrenzten Möglichkeiten nicht nur jeder seines Glückes Schmied, sondern seine eigene Streitmacht mit dem unbeschränkten Recht auf Selbstverteidigung. Manche nennen auch dies eine Form von Anarchie, der Unterschied besteht nur darin, dass in der Entstaatlichung das Zusammenleben nicht durch Ansprachen geregelt wird, sondern mit der Faust und der Knarre. Da mögen sich die Cops bitte raushalten.

Die Auflösung der Ordnung durch Korruption
Früher galt der Schupo noch als Schutzmann im engeren Wortsinn; ein im Viertel allgemein bekannter und respektierter Typ, der nicht nur den Verkehr regelte, sondern Gesetzesbrüche schon im Vorfeld verhinderte, weil er die Protagonisten persönlich kannte. Davon profitierten die braven Bürger, und die Kleinkriminellen hassten die „Schmiere“, weil sie deren Geschäftsmodell bedrohten. Wobei in der Zeit des kanalisierten Kapitalismus in der jungen Bundesrepublik die Existenz als Verbrecher gerade für Abkömmlinge des Proletariats eine echte Erwerbsalternative darstellte. Weil aber das Bürgertum und sogar die Kapitalisten einigermaßen brav waren, gab es klare Fronten, und der Polizist war dein Freund und Helfer.

Mit der Beschleunigung des Kapitalismus löste sich diese Bravheit von oben her auf. Korruption jeder Art breitete sich aus und korrumpierte die Gesellschaftsordnung. Nicht die bösen Kommunisten, die nicht mit allen Vieren auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung hockten, unterhöhlten das System, sondern die skrupellosen Investoren und die staatlichen Instanzen, die sich auf die eine oder andere Art schmieren ließen.

Und weil mit dem Niedergang der linken Basisbewegungen in den Achtzigern der Glaube der Menschen an eine gerechte, friedliche Gesellschaft immer mehr schwand und diejenigen, die glaubten, den Staat durch demokratisches Eingreifen ändern zu können, immer weniger wurden, erschien ebendieser Staat auch den Bravbürgern immer mehr als Feind. Alle voran in der Repräsentation durch „die Politiker“, die wiederum nichts, aber auch gar nichts dagegen taten, nur noch als Ausführungsorgane „der Wirtschaft“ betrachtet zu werden. In der CDU zeichnete sich diese Entwicklung ab durch den schwindenden Einfluss der katholischen Soziallehre und ihrer Vertreter, die SPD gab in Gestalt des fürchterlichen G. Schröder gleich ganz auf. Die Grünen als Partei des saturierten Bürgertums blieb lange halbwegs glaubwürdig, ließ sich aber durch Regierungsbeteiligungen auf Sozenmaß korrumpieren.

Die Polizei steht immer für das herrschende System
Wer mit dem herrschenden System, mit der real existierenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, mit den tatsächlichen Macht- und Besitzverhältnissen nicht einverstanden ist, wird allen Organen dieser Ordnung, also des Staates misstrauen. Und natürlich auch der Polizei, weil die qua Gesetz für die Stabilisierung dieses Systems zu sorgen hat. Wird man Polizist, steht man automatisch auf der Seite der herrschenden Ordnung. Und damit gegen alle Menschen, die – aus welchen Gründen auch immer – mehr oder weniger gegen das System sind und sich eine grundsätzliche Änderung wünschen. Und weil die Polizei heutzutage anonym und paramilitärisch agiert, repräsentiert sie eben die dunkle Seite der Macht. Da kann der einzelne Cop seinen Beruf noch so sehr als Sozialarbeit verstehen, er steht gegen einen großen Teil der Bürger.

Das ist schlimm, denn eigentlich sind Recht und Gesetz (Legislative und Judikative) sowie deren Umsetzung (Exekutive) eine Einrichtung zum Schutz der Schwachen vor den Starken. Also der Arbeiter vor den Kapitalisten, der Mieter vor den Vermietern, der Fußgängern vor den SUV-Fahrern usw. Wenn aber den verschiedenen Polizeikräften nicht mehr geglaubt wird, dass sie die Schwachen vor den Starken schützen, dann ist der Staat kurz vor dem Kollaps. Wenn „dem Staat“ das nicht egal ist, müsste er dafür sorgen, dass die Bürger den Bullen wieder mehr vertrauen und sich von ihnen beschützt fühlen. Dafür müsste das Verhältnis der Polizei zu den Bürgern aber wieder auf andere Beine gestellt werden. Die einzelne Polizistin, der einzelne Polizist muss wieder sichtbar werden und im alltäglichen Kontakt mit seinen Bürgern stehen – also: raus aus den Autos und unterwegs auf Fußstreife! Abrüstung bei möglichen Konflikten, weniger Knüppel und weniger Pfefferspray! Klare Befugnisse durch transparente Führung! Verbesserte Ausbildung im Hinblick auf soziale Fähigkeiten. Und dazu eine ehrliche Image-Kampagne ohne Scharfmacher wie den DPolG-Wendt.

Dann könnte es sein, dass für (fast) alle Bürger nicht mehr alls Cops Bastarde sind, sondern wirklich wieder Freunde und Helfer.

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