[Mit dem folgenden Text, der zuerst auf der Facebook-Seite von The Düsseldorfer erschien, möchte wir eine generelle Debatte anzetteln – hier der Text samt der ersten Kommentare] Den bisher höchsten Bevölkerungsstand erreichte Düsseldorf im Jahr 1962 mit über 700.000 Einwohnern. Von da an ging’s bergab. Gerade in den Sechzigerjahren gab es eine massive Wanderungsbewegung in die Vororte. Immer mehr Familien bauten Einfamilienhäuser in Orten wie Kaarst, Willich, Hilden oder Monheim. Das rasche Ende der Schwerindustrie in der Stadt und die Abwanderung von Unternehmen ins Umland führte dazu, dass 1986 mit nur noch rund 560.000 Bewohnern der Tiefststand erreicht war. Seitdem wächst die schönste Stadt am Rhein wieder stetig, seit rund fünf Jahren sogar schnell. Für das Jahr 2016 wird ein Bevölkerungsstand von rund 630.000 Menschen erwartet, was dem Niveau von Mitte der Siebzigerjahre entspricht. So steht Düsseldorf in der Liste der deutschen Großstädte inzwischen auf Platz 7, hat aber Stuttgart möglicherweise schon überholt.

Natürlich erfüllt Lokalpatrioten diese Entwicklung zunächst mit Stolz, wer aber schon immer oder schon lange in Düsseldorf wohnt, kennt auch die Nachteile des Wachstums. Und damit sind nicht shoppende Menschenmassen oder nervige Verkehrssituationen gemeint, sondern vor allem die in den letzten Jahren grassierende Gentrifizierung, die für rasant steigende Mieten und gleichzeitigen Wohnungsmangel gesorgt hat. Wenn Oberbürgermeister Thomas Geisel in seiner Neujahrsansprache 2017 sagt, man wolle „bauen, bauen, bauen„, dann hört sich das angesichts der von ihm initiierten und/oder propagierten Projekte eher wie eine Drohung an.

Real existierende Gentrifizierung

Gleichzeitig verändert der Zuzug von Besserverdienern den Charakter der Stadt deutlich. Selbst in nicht so attraktiven Vierteln ersetzen Cocktailbars die altgedienten Eckkneipen. Wenn neue Ladengeschäfte eröffnet werden, dann zielen sie fast durchweg auf Yuppies, denen das Konsumgeld locker in der Tasche sitzt. Gleichzeitig klagen die Institutionen, auf denen in Düsseldorf traditionell das soziale Leben fußt – also das Sommer- und das Winterbrauchtum – über Nachwuchsmangel.

Wohlhabende Eltern schicken ihre Kinder auf weit entfernte Gymnasien, um ihren Nachwuchs im Kreise von Eliten ausbilden zu lassen. Wer sich auf dem Stadtgebiet Wohneigentum geleistet hat, versucht gelegentlich, Lärm von Sportanlagen, die schon immer da waren, juristisch unterbinden zu lassen. Die Gentrifizierung in den angesagten Stadtteilen verdrängt seit gut zehn Jahren die angestammte Bevölkerung, und es gibt Ansätze der Ghettoisierung sozial schwächerer Bürger.

Bauen, bauen, bauen

Und was dabei herauskommt, wenn auf Teufel-komm-raus gebaut, gebaut und gebaut wird, kann man sich derzeit auf dem Gelände des alten Güterbahnhofs an der Toulouser Allee anschauen: deprimierende Klötzchenarchitektur zu kaum erschwinglichen Quadratmeterpreisen. In dieser Situation Wohnhochhäuser für Maximalverdiener zwischen Rheinturm und Stadttor zu fordern, ist mindestens zynisch.

Basis für die Bauwut ist aber das unkontrollierte und ungesteuerte Wachstum der schönsten Stadt am Rhein. Ideale Standortbedingungen locken internationale Unternehmen an, die masshaft Expats nach Düsseldorf schicken und für deren Appartements jeden Preis zahlen, der gefordert wird. Und trotz des nachweisbaren Wirtschaftswachstums sinken die Steuereinnahmen so sehr, dass plötzlich wieder Sparkurse ausgerufen werden.

Eine mögliche Debatte

Da stellt sich die Frage, ob Düsseldorf wirklich weiter wachsen muss oder ob es eine Grenze gibt, die zu überschreiten den Verlust der Lebensqualität für die Mehrheit der Bevölkerung bedeutet. Über diese Frage ist zu diskutieren, denn natürlich gibt es Pro und Contra zum Wachstum von Großstädten und eben auch von Düsseldorf. Schließlich geht es auch darum, ob und welche Mittel der Rat der Stadt überhaupt hat, das Wachstum der Stadt zu steuern.

Diskutieren Sie mit! The Düsseldorfer wird das Thema in den nächsten Monaten verfolgen und dazu die Meinung von Bürgern und Experten einholen.

Hier die ersten Leserkommentare auf der Facebook-Seite von The Düsseldorfer:

Mario Ahna Mir reicht da schon ne kleine 2 Zimmerbude die finanzierbar ist und wo der Vermieter meinen Hund nicht als Terrorverdächtigen behandelt.
Wolfgang Niehammer Nein, es macht die Stadt kaputt.
Achim Urban kurze frage, knappe antwort: nein!
Dirk Steinborn Es reicht ! Genug gebaut 😁
Jens Schmidt Einspruch! Es muss mehr gebaut werden, und zwar auch sozialer Wohnungsbau, um gegen den Wohnraummangel und damit gegen die steigenden Mieten anzukämpfen. Nachverdichtung mit hoher Geschosszahl in den inneren Stadtbezirken ist schon der richtige Weg, um eine Ghettoisierung am Stadtrand aufzuhalten.
Chutimon Apasi Es stehen viele Wohnungen ja ganze Häuser leer. Dann werden teure neue Wohnungen gebaut oder noch mehr Hotels. Das muss nicht sein. Wir wohnen in einer kleinen Strasse am Nordfriedhof, was in den letzten 10 Jahren in der unmittelbaren Umgebung gebaut wurde ist Wahnsinn. Parkplätze dadurch Mangelware. Ich denke langsam gibt es genug * exklusiven * Wohnraum.
Bastien Pratsch Mich wundern immer neue Bürokomplexe die größtenteils schwer zu vermieten sind und somit Wohnraum verdrängen. Neue Eigentumswohnungen sind der reinste Wucher. Da bekommt man auf dem Land eine Villa für das Geld
Andy Man Die Diskussion ist überflüssig. Nicht die Politik bestimmt was wo gebaut wird, sondern nur das Kapital
Chutimon Apasi Bei uns um die Ecke baut Loreal ein neues Bürohaus, das auf der Georg Glock str wird dann wahrscheinlich leerstehen wie soviele andere auch
Hans Weber Das Entree stimmt so ja nicht ganz…. 700.000 Einwohner hatte Düsseldorf ja hauptsächlich wegen der Eingemeindungen. Da diese, zum Teil schnell, wieder rückgängig gemacht wurden, sank dadurch auch die Einwohnerzahl.
Dazu kamen dann, richtigerweise, die Abwanderungen.
Da sich hier aber die Infrastruktur besser entwickelt hat kommen jetzt wieder mehr Menschen in die Stadt.
The Düsseldorfer Also, zwischen 1929 und 1974 hat Düsseldorf keine anderen Orte eingemeindet. Rückgängig wurde die Eingemeindung Monheim, die laut „Düsseldorf-Gesetz“ von 1974 vollzogen, aber schon 1976 wieder zurückgenommen wurde
Wilfried Kaussen stillstand ist rückschritt….es müsste wieder neue eingemendungen geben….
Wilfried Kaussen nein aber den spieler…
Martin Meyer Nein muss es nicht, weil der Platz dafür gar nicht reicht und weil Grünflächen geschützt werden müssen.
Sabine Reinsch Und bitte auch mal an schöne Parkanlagen für Mensch und Tier denken. Die Betonung liegt auf „schön“. Und nicht so grottenhäßliche wie an der Toulouser Allee gabaut wurden. Einfach nur so ins Bild geklatscht.

4 Kommentare

  1. Nikolas B am

    Eine Eingemeindung Meerbuschs wäre sinnvoll, da dieses Gemeinde auch keinen wirklichen „Kern“ besitzt und aus mehreren Ortschaften besteht. Reines Wohngebiet für Menschen die in Düsseldorf arbeiten…

  2. Die Politik sollte dringend schauen welche Strukturen Düsseldorf denn so beliebt machen und versuchen diese Strukturen in den Gebieten die (er)neu(t) erschlossen werden entsprechend fortzuführen.
    Hochhäuser am Rhein gehören dazu ebenso wenig wie anonyme Wohnklötze auf dem ehemaligen Güterbahnhof.

    So, jetzt mal offtopic. Ich freue mich hier den 1895sten Kommentar abgeben zu dürfen!

  3. Nachtrag: Da war ich wohl zu lange in der Mittagspause … 🙁 Herzlichen Glückwunsch zum 1895sten Kommentar Nikolas B. 🙂

  4. Wie würde man denn Wachstum verhindern wollen, ohne dass die Wohnungspreise explodieren?

    Wenn man keine Wohnungen baut, steigen die Preise noch schneller und Menschen mit niedrigeren Einkommen oder wenig Erspartem, werden von solchen mit höherem oder mehr verdrängt werden. Das kann man auch keinem verübeln. Wer würde denn als Eigentümer freiwillig weniger Miete oder Kaufpreis einnehmen wollen (mal die öffentliche Hand außer Betracht gelassen).

    Wenn man Wohnungen baut, wird die Einwohnerzahl unweigerlich wachsen.

    Mir erscheint es übrigens so, als ob es unter Geisel wesentlich mehr Bauprojekte mit niedrigeren Preisen gibt. Das Luxussegment ist auch ziemlich abgefrühstückt. Auch in Düsseldorf gibt es nicht endlos viele Menschen, die mehr als 1.000.000 für eine Immobilie ausgeben oder entsprechende Miete zahlen können. Es wird daher immer mehr günstigere Wohnungen geben. Aber die werden natürlich nicht in der ersten Rheinlage liegen, sondern zB wie „Living Circle“ an der Grafenberger Allee.