Ein bisschen schade ist es schon, dass Frau Rosemann mit ihrem Optik-Akustik-Geschäft umgezogen ist. Denn der Blick auf das blaue Haus an der Ecke Hütten-/Pionierstraße hatte immer etwas besonders Einladendes. Nun findet sich der Laden gleich gegenüber in der Pionierstraße im Häuserblock mit der Feuerwache und gleich neben der Apotheke. Das neue Ladenlokal wirkt kleiner, ist aber fast genauso groß wie das alte Geschäft. Wie man sieht, sieht man es leider kaum noch, wenn ein Auto ordnungsgemäß davor parkt. Aber das schert die umfangreiche Stammkundschaft eh nicht, denn die weiß, was sie an Frau Rosemann und ihrer netten Kollegin hat. Seit ich wieder im Viertel wohne, bin ich Kunde bei „Hörbar-Sichtbar“. Und das ist auch gut so, weil ich dort eine freundliche und persönliche Betreuung erfahre. Das gilt – wenn man sich ein bisschen umhört – für alle Nachbarn, die sich ihre Brillen und Hörgeräte dort kaufen. Da können sich die angestellten Filialleiter und Mitarbeiter in den Filialen der großen Ketten noch so bemühen, das kriegen sie nicht hin. Denn es hat etwas mit Nachbarschaft zu tun.

Wer bei Frau Rosemann kauft, kauft eben auch bei einer Nachbarin (auch wenn sie gar nicht im Viertel wohnt). Das bringt eine besondere Verpflichtung mit sich, die niemand, der in einer Filiale von irgendwas arbeitet, kennt. „Hörbar-Sichtbar“ ist also auch ein Laden im Viertel rund um den Fürstenplatz, den man auch mal einfach so aufsucht. Um ein bisschen zu schwatzen und die neuesten Gerüchte auszutauschen. Ja, das geht auch in einem Brillengeschäft. Neulich kam ich mit der netten Kollegin über das Thema ins Gespräch, und rasch hatten wir den Punkt gefunden: Filialen großer Ketten werden betrieben, um den Investoren maximal Profite zu verschaffen. Eigentümergeführte Einzelhandelsgeschäft sind dagegen eine Lebensaufgabe – was man übrigens auch ganz wunderbar bei der Parfümerie Förster an der Oststraße erleben kann.

Aber was hat der Nachbar in seiner Eigenschaft als Konsument von der ganzen Menschelei? Den besseren Service außerhalb der üblichen kundenfangenden Kulanz. Meine bei Frau Rosemann gekaufte Sonnenbrille war offensichtlich ein Montagsmodell, sie wackelte und verbog sich, egal wie vorsichtig ich sie lagerte. So brachte ich sie hin und bat um Reparatur. Zwei Wochen später rief mich die nette Kollegin an, ich könne meine Sonnenbrille abholen. Groß war die Überraschung, als sie mir eine komplette neue Brille sogar mit neuen Gläsern in meiner Stärke übergab. Da sei nichts mehr zu reparieren gewesen, und die alten Gläser hätten auch nicht wieder verwendet werden können. Da habe man in meinem Sinne halt ein neues Gerät gebaut. Was mich das denn kosten würde, fragte ich. Nichts, hieß es, das sei Kulanz. Ach so, gab ich zurück, Kulanz vom Hersteller, der Ihnen das alles ersetzt hat. Nein, nein, sagte die Beraterin, Kulanz von uns. Damit sie in Zukunft ihre Brillen weiter bei uns kaufen. Ich war sprachlos…

Das ist nett, aber auch betriebswirtschaftlich gedacht. Die Kosten, die Frau Rosemann für ihre kulante Tat entstanden sind, dürften sich über die vergangenen zehn und die noch kommenden Jahre, in denen ich (und die komplette Verwandtschaft sowie viele Freunde und Bekannte auch) meine Brillen und zukünftigen Hörgeräte NATÜRLICH dort kaufen werde, bestens rechnen. Und so habe ich auch immer einen guten Grund, mal auf der Pionierstraße bei der guten Frau Rosemann und ihrer netten Kollegin auf ein Schwätzchen vorbeizuschauen.

5 Kommentare

  1. Günther A. Classen am

    Als erstes glaubte ich, du wolltest Frau Rosemanns neues flammrotes Automobil vorstellen.

    Die „Feuerwache“ nebenan ließ natürlich sofort auch die Idee eines einschlägigen Dienstfahrzeugs der Brandschützer aufkeimen.

    Als ich schließlich realisierte, um was es in dem Artikel geht, dachte ich noch:
    Das Foto muss jedenfalls noch vor dem Brillenkauf entstanden sein. . ;–)))))))))

    Anschließend folgte dann aber die Erklärung: „Wie man sieht, sieht man es [Frau Rosemanns Optik-Akustik-Ladenlokal] leider kaum noch, wenn ein Auto ordnungsgemäß davor parkt“.

    Ein Optikergeschäft, das man nicht sieht. Das hat was.

    Stünde nicht „Hörgeräte“ und „Brillen“ auf den Oberlichtern, könnte man es aus der Entfernung – optisch – auch für einen Buchladen halten.

    Das Auto kommt jedenfalls voll gut, aber auf dem Reklame-Schild kann ich außer „Hörbar – Sichtbar“ nichts erkennen.

    Ich glaube, ich muss mal dringend Frau Rosemanns Sicht-Bar konsultieren. Allein schon wegen der „netten Kollegin“.

    Meine Wayfarer müsste auch mal wieder gerichtet werden.

    Nun, ja.

    Das umständehalber unvermeidbare Product-Placement für das feuerrote Spielmobil ist jedenfalls voll gelungen.

    Hat sich Kia, oder was für eine Knutschkugel verstellt da die freie Sicht auf Frau Rosemanns Optik-Akustik-Studio, schon bei dir gemeldet?

    Köstlich!

      • Günther A. Classen am

        Stimmt. Danke.

        Der hat hinten die abgebissene Ecke für die Rückleuchten und den Schriftzug vor der Vordertür.

        „Nichts ist unmööööööglich ….“.

    • Ronald Steinert am

      Top!
      Vor allem das Product Placement sowie die unsichtbare Optikerhütte (((-;

  2. Danke für die Erinnerung, krieg neuerdings immer kopfschmerzen beim langen Arbeiten mit billigbrille