Ganz selten lässt sich ein Spiel in Bezug auf die taktische Konstellation so einfach lesen wie die Partie der glorreichen Fortuna gegen den Aufsteiger von der Donau. Dabei überraschte das fortunesische Trainerteam sowohl mit einer neuen Systemvariante, als auch mit einer neu zusammengewürfelten Startelf. Denn ein 4-4-2 gab’s in dieser Saison noch nie. Zudem fanden sich mit Robin Bormuth, Julian Schauerte und Oliver Fink gleich drei Akteure zum Anpfiff auf dem Rasen, die zuletzt eher seltener im F95-Dress zu sehen waren. Machen wir’s kurz: Überzeugend trat dabei nur Bormuth auf. Schauerte zeigte nach einer guten ersten Viertelstunde die bekannten Schwächen, und Fink entfaltete nie die von ihm gewohnte Wirkung. Dass es im Vergleich zum Spiel gegen Fürth neben dem dort schwachen Andre Hoffmann auch Adam Bodzek und Rouwen Hennings mit dem Bankhocken getroffen hat, war wohl eher das Ergebnis taktischer Überlegungen als Bestrafung für schlechtes Spiel.

Jedenfalls legten die Männer in Weiß vor nur knapp 20.000 Zuschauern vom Anstoß an gut los. Wie inzwischen zu erwarten war es vor allem Benito Raman auf rechts, der die Sache vorantrieb. Dies übrigens in feiner Kooperation mit Schauerte. Die Viererkette ließ anfangs gar nichts anbrennen, und im Mittelfeld verteilten Marcel Sobottka und Florian Neuhaus die Bälle geschickt auf die Flügel. Und so kam es in den ersten rund 20 Minuten zu allerhand Flanken in den gegnerischen Sechzehner und zu handgestoppten vier großen Möglichkeiten einzuhütten. So ganz klar wurde aber die Rollenverteilung zwischen Emir Kujovic, Harvard Nielsen und Oliver Fink nie. Was manchmal einen taktischen Vorteil bringt, erwies sich in dieser Drangphase als Nachteil. So wundert es nicht, dass von den erwähnten Chancen zwei bei Neuhaus und Sobottka landeten und nur eine bei Kujovic.

Ketten, Ketten, überall nur Ketten…

Der Jahn aus Regensburg hatte sich für eine dieser neumodischen Defensivvarianten entschieden, bei denen de facto zwei Fünferketten mit gegeneinander verschobenen Kettenglieder hoch stehenden das Mittelfeld blockieren. Da steht die offensiv ausgerichtete Mannschaft praktisch vor einer Wand, die es zu überwinden gilt. Im Prinzip gibt es dafür zwei Modelle: Hoch und weit oder über außen. Je öfter man solche Konstellationen zieht, desto klarer wird, dass Angreifer nur erfolgreich sein können, wenn sie das Spiel ebenfalls breit anlegen. Das gelang der Fortuna gestern nur in den ersten 20 Minuten. Danach standen jeweils fünf Mann ratlos vor der Jahn-Kette, schoben sich mehrfach den Ball quer zu oder passten gar auf Keeper Raphael Wolf zurück.

Irgendwann schien es auch so, als habe Raman die Geduld mit Schauerte verloren, dessen Fehlerquote kontinuierlich anstieg. Damit ging auf der rechten Seite kaum noch etwas. Dafür musste dann also Niko Gießelmann ran, um die linke Seite in Schwung zu bringen. Tatsächlich fand er dort aber keinen Außenstürmer, sondern Fink, der aber immer wieder rasch in die Mitte zog; der Lauf bis an die Grundlinie samt Flanke ist halt nicht sein Ding. Die Ratlosigkeit hatte nicht nur einen ermüdenden Effekt, sondern führte auch zu einem Nachlassen des kämpferischen Willens. Das wurde immer dann deutlich, wenn sich Regensburg in den Angriff begab. Deren Räume wurden zunehmend größer, und gerade die rotweißen Offensivkräfte stellten das pressende Anlaufen des Gegners fast ein. So kreierten die Oberpfälzer per Saldo in Halbzeit Eins mehr Chancen als die Hausherren.

Ganz guter Jahn

Überhaupt konnte einem die Spielanlage des Jahn gefallen. Auffällig die enorme Kopfballstärke dieser Mannschaft, die gerade im Mittelfeld den Ball gern hoch hält und mit der Birne weiterleitet. Später gab es zwei Situationen im Düsseldorfer Strafraum, wo es nach Standards eine dreiköpfige Regensburger Lufthoheit gab. Und wenn deren Schützen nicht so wenig Zielwasser gesoffen hätten, dann hätte es auch schon in der ersten Halbzeit mindestens zweimal im Fortunakasten klingeln können. So war das 0:0 zur Pause insgesamt das passende Ergebnis für diesen uneinheitlichen Kick.

Unverändert kamen die Jungs von Friedhelm Funkel und Peter Hermann aus der Kabine, und auch das System blieb wie es war. Dafür schien der Konzentrationslevel wieder erhöht und die Bereitschaft, dem Gegner das Leben ungemütlich zu machen. Jetzt wurde von Seiten der Rotweißen wieder gepresst und gedrückt. Endlich begannen die Mittelfeldler und Stürmer wieder damit, die Jahn-Kicker in deren Feldhälfte anzulaufen, sodass die nicht mehr so einfach nach vorne kamen wie zuvor. Das Tor für die Fortuna in der 54. Minute lief dann aber doch eher unter der Fahne „Glück gehabt“. Ein Freistoß flipperte durch den Sechzehner des Jahn, landete vor dem rechten Fuß von Kujovic, der die Pille in der Bude versenkt. Angesichts des leichten Übergewichts der Fortunen nach dem Wiederanpfiff ging die Führung in Ordnung.

Nennt Wolf nie „Ersatztorhüter“!

Natürlich machten die Regensburger nach dem Rückstand ein bisschen mehr auf, suchten aber zu oft den Weg durch die Mitte. Und da steht ja bei F95 zur Zeit der glänzende Keeper Wolf, der eigentlich immer genau da stand oder dorthin sprang, wo er gebraucht wurde. Diesen Mann einen „Ersatztorhüter“ zu nennen, wäre mehr als respektlos. Auch in dieser Partie wirkte er als sicherer Rückhalt für die Mannschaft. Allerdings kann er einen Michael Rensing in einem Punkt (noch) nicht das Wasser reichen: in der Kommunikation mit seinen Vorderleuten und der Motivation derselben. Und nur einmal zeigte Wolf das bisschen Unsicherheit, das ihm bei Werder seinerzeit den Job als Nummer 1 im Kasten gekostet hat.

Dass es um die 70. Minute herum zu Wechseln kommen würde, darauf standen die Wettquoten sehr niedrig. Raman hatte sich erneut ziemlich ausgepumpt, und so war er der Erste, der sich ausruhen durfte. Was die spielerische Leistung anging, hätte es eher Schauerte oder vielleicht auch Fink treffen müssen. Gerechnet hatte man auf der Süd mit Rouwen Hennings, aber es kam der quirlige Jean Zimmer als 1:1-Tausch. Der zeigte sich sehr bemüht, ja sogar ein bisschen übermotiviert. Tatsächlich aber hatten seine Kollegen in einen etwas ruhigeren Modus umgestellt, den auch der für Nielsen in der 76. Minute eingewechselte Hennings nicht wieder abschaltete. Zu diesem Zeitpunkt war auch nicht mehr viel nötig, denn die Regensburger waren ab der 60. Minute aus dem Konzept und zeigte ab der 75. Minute konditionelle Schwächen.

Erschreckend schwacher Schiri

So trudelte die Partie langsam aus, wobei es schon noch Aufreger gab, wenn der Jahn mit seinen Kopfballmonstern durch die Mitte kam. Und mancher erfahrene Fortuna-Fan dachte an etliche Spiele aus den letzten drei Jahren, wo ein solch erarbeitetes 1:0 dann eben doch nicht über die Runden gebracht wurden. So machte sich nach dem Schlusspfiff des erschreckend schwachen Schiris Kempter Erleichterung breit. Apropos: Wie immer tat ein Herr Inkompetenz an der Außenlinie vor der Haupttribüne als Assistent Dienst. Entweder lag er falsch, oder seine Signale kamen zu spät. Bei Gästen auf den Stehplätzen ist nur noch von der „Arschlochseite“ die Rede. Kempter dagegen schien verunsichert, pfiff völlig legale Zweikämpfe ab, weil er offensichtlich nicht mehr weiß, dass man den Ball weggrätschen darf, erkannte mehrere falsche Einwürfe von beiden Seiten nicht und lag bei kniffligen Zweikämpfen eigentlich immer daneben. Zum Glück traf er mit seinem Wirrwarr beide Teams, und ebenfalls zum Glück musste er keine spielentscheidende Szene beurteilen.

Man nennt so etwas wohl einen „Arbeitssieg“, denn es gab viel Arbeit zu tun für die Rotweißen, unangenehme Arbeit, vor der man sich auch gern mal drückt. So wie es die Kader der vergangenen Jahre immer mal wieder getan haben. Und dass gerade die Schönspieler im F95-Team immer wieder bereitfinden, diese Arbeit zu leisten, ist ein weiterer Erfolgsfaktor der Saison 2017/18. Und wer jetzt noch von „16 Punkten gegen den Abstieg“ spricht, sollte mal seine Fußballantennen neu justieren lassen.

Lobenswert der Anhang von Jahn Regensburg, der an einem Mittwoch zum Anpfiff um 18:30 rund 600 Kilometer Strecke auf sich genommen hatte, mit knapp 200 Leuten im Gästeblock stand und nicht müde wurde, die eigenen Jungs anzufeuern. Da imponierte einigen F95-Fans so, dass sie Geld sammelten und dafür sorgten, dass es für die Regensburger am Aramark-Stand Freibier gab. So geht Fußball eben auch…

Ein Kommentar

  1. Perfekte Spielzusammenfassung! Und noch dazu unterhaltsam geschrieben.
    Mich hätte noch interessiert, wie RAINER BARTEL das defensive Verhalten von Raman beurteilt. Er wurde ausgewechselt, kurz nachdem es über unsere rechte Seite zu einem gefährlichen Angriff der Regensburger kam. Da war die Seite nach einer Spielverlagerung komplett offen.