Küchenpsychologisch ist das heutige Ergebnis, ein gerechtes, wenn auch unbefriedigendes Unentschieden, leicht erklärt: Der frühe Ausgleich kurz nach der Pause verunsicherte das F95-Team, das danach nicht mehr zum zeitweise brillanten Spiel der ersten Hälfte zurückfand. In der kam die Fortuna mit jeder Menge sehenswerter Kombinationen zu einer Torchance nach der anderen. Leider waren kaum zwingende darunter. Die hatten die Karlsruher mit genau zwei Angriffen. Zum zigten Male konnte sich Torwart Michael Rensing auszeichnen, der einen Ball, der aus dem Getümmel vor ihm Richtung langes Eck flog, mit einer Weltklasseparade entschärfte. Dass keine Flanken zum Führungstreffer der Fortunen führte, sondern ein kapitaler Schnitzer eines KSC-Spielers, darf als fußballsportliche Ironie gewertet werden. Rouwen Hennings, der in der Vorsaison für die Badener Torschützenkönig der zweiten Liga wurde, nutze den Fehler und das schlechte Stellungsspiel des Karlsruher Keepers aus und versenkte die Pille aus gut 25 Metern im Gehäuse.

Schon aus der vom kongenialen Trainerteam Funkel / Hermann gewählte Startaufstellung konnten Kenner ablesen, dass ein zumindest spürbar anderes Offensivspiel angedacht war. So kam Arianit Ferati zum ersten Mal ab Anpfiff auf den Rasen und bildete zusammen mit Ihlas Bebou ein Halbstürmerduo, das die KSC-Defensive nie in den Griff bekam – jedenfalls in der ersten Spielhälfte. Verrückt genug, dass Bebou links antrat und Ferati rechts; aber das galt nur nominell, denn die ganze Partie über rochierten beide nach Lust und Laune. In den ersten 45 Minuten machte Bebou eines seiner besten Spiel im Fortuna-Dress, während Ferati sehr bemüht wirkte, aber nicht immer die Bindung zu seinen Mittelfeldkollegen fand. Wobei dieses Mittelfeld erneut nur einen Namen trug: Marcel Sobottka. Während er nicht nur Wühlarbeit übernahm, sondern sich oft auch in der Spitze sehen ließ, blieb Neuzugang Kaan Ayhan merkwürdig blass. Solche Tage zu haben, sollte man aber einem jungen Spieler von noch nicht 22 Jahren unbedingt zugestehen. Die technischen Fähigkeiten des Schalke-Imports stehen außer Zweifel, und dass er eine kreative Mittefeldrolle auszufüllen weiß, hat er nun schon zweimal bewiesen.

Madlungs Schwächen

Mit vier gelben Karten auf dem Konto war Innenverteidiger Alexander Madlung aufgelaufen, und eigentlich rechneten alle Beobachter damit, dass er im Spiel gegen den KSC die fünfte kassieren und damit die automatische Sperre kassieren würde. Es kam jedoch schlimmer. Nicht nur, dass Madlung zum ersten Mal in dieser Saison zum Unsicherheitsfaktor in der Viererkette wurde, etliche Bälle verstolperte und mehrfach KSC-Stürmern hinterherlief; in der 87. Minute leistete er sich eine klare Tätlichkeit, die von Schiri Bibiana Steinhaus und ihren Assistenten nicht gesehen wurde. Die TV-Bildern dürften aber deutlich sein – eine nachträgliche Sperre von mehr als einem Spiel droht.

Frau Steinhaus ist der Fortuna ja bekanntlich spätestens seit dem 1:0-Aufstiegssieg der Fortuna gegen Bremen II im Mai 2009 auf besondere Art verbunden. Manche Fans betrachten sie gar als Glücksbringerin. Zwar konnte sie wieder mit klaren Entscheidungen und resolutem Auftreten punkten, lag aber mehrere Male falsch. Besonders falsch lag aber der Assi an der Linie vor der Stadtsparkassen-Tribüne, der entweder falsch wedelte oder gar nicht. Bezeichnend eine Situation gegen Ende, in der es zu einem Stürmerfoul an einem KSCler kam. Erst nachdem Steinhaus zum Freistoß gepfiffen hatte, begann er mit seinem Fähnchen zu signalisieren, dass auch er eine Regelwidrigkeit erkannt hatte.

Kochs Licht und Schatten

Immer noch muss man Julian Koch am rechten Ende der Viererkette als Ersatz für Julian Schauerte betrachten. Daran ändert die Tatsache wenig, dass er nun in zwei aufeinanderfolgenden Spielen tadellose Leistungen ablieferte. Das sah heute deutlich anders aus. Zwar war Koch auch in dieser Partie wieder hochaktiv und schaltete sich oft in die Offensive ein, aber seine Fehlerquote war heute deutlich zu hoch. Das gilt leider auch für seinen Kollegen auf der linken Seite. Lukas Schmitz leistete sich heute die meisten Fehlpässe – knapp vor Madlung. Und auch hier gilt das Positive für die ersten 45 Minuten, das Negative für die zweite Halbzeit. Kevin Akpoguma kann dagegen gar nicht hoch genug gewertet werden. Der junge Mann mit dem Faible für sehr teure Autos spielte jederzeit solide und klärte auch knifflige Situation mit souveränen Aktionen.

Adam Bodzek agierte vor der Viererkette wie gewohnt, wirkte aber über die 90 Minuten hinweg ungewohnt hektisch. Man kann den Eindruck gewinnen, dass ihm mit dem verletzten Oliver Fink als Traumpartner fehlt; mit dem teilt er sich für gewöhnlich die Schmutzarbeit im Mittelfeld. Kommen wir also zu Rouwen Hennings, dem gegen seinen Ex-Klub besonderer Ehrgeiz unterstellt wurde. Tatsächlich wirkte der Mann, der einen Kurzausflug in die Premier League hinter sich hat, noch einen Ticken aktiver und auch aggressiver als bisher. Erstaunlich immer wieder, wie der eher untersetzte Kicker sich bei Kopfballduellen in die Luft erhebt und dabei gleichzeitig den Ball erwischt und seinen Gegenspieler wegcheckt. Heute wurde erstmals sichtbar, wie genau dieser Hennings im vergangenen Jahr zum Torschützenkönig wurde.

Mutige Einwechslungen

Nach dem Schock des Ausgleichs agierte der flinke Ferati zunehmend hektisch. Gut, dass Funkel ihn vor sich selbst schützte und Axel Bellinghausen an seiner Stelle einwechselte. Der fand allerdings fast zehn Minuten lang keinerlei Bindung zum Spiel der Weißen, zumal die rechte Angriffsseite durch die vorhergehende Konstellation mit Bebou und Ferati ohnehin vernachlässigt erschien. Eines der erfreulichsten Ereignisse des Tages war dann die Einwechslung von Özkan Yildirim für Ayhan in der 75. Minute. Dieser junge Mann hat in der Vorbereitung Spiel für Spiel geglänzt; seine Verletzung war nicht nur für ihn ein schwerer Schlag. In der guten Viertelstunde, die er auf dem Platz stand, zeigte Yilidirim Kostproben seiner Spielintelligenz, konnte aber das erlahmte Angriffsspiel der Fortunen nicht mehr entscheidend beflügeln.

Das galt auch für Jerome Kiesewetter, der noch später zum Zug kam. Warum auch immer: Den US-Nationalspieler hatten die KSCler besonders auf dem Kieker, und Kiesewetter wurde in wenigen Minuten zum meistgefoulten Spieler im Fortuna-Trikot. Noch einen Rekonvaleszenten hatten die Trainer auf die Bank beordert: Justin Kinjo, dessen Talent unbestritten ist, obwohl er es bisher nur in einem Vorbereitungsspiel aufblitzen lassen konnte. Überhaupt konnte einem F95-Fans angesichts der weiteren Ersatzspieler Robin Bormuth und Maecky Ngombo das Herz aufgehen angesichts so geballter Jugend mit Talent. Weil Madlung vermutlich für mehr als ein Spiel gesperrt sein wird, kann sich gerade Bormuth wieder als Innenverteidiger mit Zukunft beweisen – dass er es kann, hat er ja schon als Madlung-Ersatz gezeigt.

Vernünftige Bilanz

Unter der Woche gab es eine „Bilanzpressekonferenz“, bei der Paul Jäger und Robert Schäfer im Vorfeld der Ordentlichen Jahreshauptversammlung am 30.10. – übrigens zum ersten Mal in der Arena! – das Zahlenwerk vorlegten und erläuterten. Ganz offensichtlich hat Finanzvorstand Jäger mit Schäfer zum ersten Mal einen „Chef“, der die politische Richtung vorgibt. Bisher konnte Jäger bekanntlich bei den Finanzen nach eigenem Gusto schalten und vor allem die Bilanz so anlegen lassen, dass er bei deren Erklärung gegenüber den Mitgliedern glänzen konnte. Die Bilanz für das Geschäftsjahr 2015/26 macht einen anderen Eindruck. Einen Verlust von rund 1,9 Mio Euro zu melden, ohne diesen durch buchhalterische Mittel schönzufärben, ist mehr als vernünftig und ein Schritt in Richtung Konsolidierung nach drei Jahren Chaos.

Man darf gespannt sein, wie diese Zahlen auf der JHV präsentiert werden. Ebenfalls gespannt sein darf man auf den Vortrag von Sportvorstand Rutemöller, der so dezent im Hintergrund wirkt wie man es in den vergangenen zehn Jahren oder mehr bei der Fortuna nicht gewohnt ist. Klar aber ist, dass die sportliche Entwicklung in die absolut richtige Richtung geht und gleichzeitig auch das Geschäftliche auf unaufgeregte Weise vernünftig geregelt wird. Damit können Mitglieder und Verantwortliche am Ende des Monats beruhigt einen Schlussstrich unter die miesen Ereignisse nach dem Abstieg aus der Ersten Bundesliga ziehen und die Suche nach Schuldigen beenden.

Ein Kommentar

  1. Danke auch für den letzten Satz!

    Gerade diese Erkenntnis ist bei einigen, zum Glück wenigen, im 95er Forum nicht angekommen. Die Mehrheit der Fans hält sich aber nicht mit persönlichen Eitelkeiten auf und ist dankbar für diesen neuen, alternativlosen und richtigen Weg. Auch wenn es heute mal etwas holpriger in der Arena war.