Wenn das Herz des Berichterstatters eindeutig für die glorreiche, wenn auch oft launische Fortuna schlägt, fällt es ihm nicht leicht, über ein solches, stark aufgeladenes Spiel objektive Tatsachen aufzuschreiben. Allein, es muss sein, damit sich auch diejenigen ein Bild von der Partie machen können, die nicht parteiisch sind. Und da beginnt der bemüht objektive Schreiber mit der Frage: War dieser Sieg verdient? Die Bedingungen waren für beide Teams gleich schlecht. Zu Beginn ging strömender Regen nieder, der Platz stand unter Wasser, und an ein präzises Flachpassspiel war nicht zu denken. Ja, eine Pfütze war es, die den Führungstreffer der Düsseldorfer in der 70. erst möglich machte. Glück gehabt, mag man meinen. Aber die Art und Weise wie die Doppelspitze(!) aus Ihlas Bebou und Rouwen Hennings das Ding zum Tor brachte, war eindrucksvoll.

Der schönste Hut dieses Fußballnachmittags

Der schönste Hut dieses Fußballnachmittags

Wie auch schon der zwischenzeitliche Ausgleich, der ebenfalls von Bebou eingeleitet wurde – ebenfalls auf eindrucksvolle Art und Weise. Bei einem Standard waren die Nürnberger mit mindestens einem Mann zu weit aufgerückt. Der verlorene Ball landete bei Bebou, der im exakt richtigen Moment einen präzisen langen Pass in den schnellen Lauf von Jerome Kiesewetter spielte, der sich allein vorm FCN-Keeper fand, diesen umkurvte und die Hütte machte. Besser geht Konterspiel nicht. Beide Situationen zeigen zwei Dinge auf: Erstens das offensive Potenzial des F95-Teams der Saison 2016/17 und die Wirkung einer Doppelspitze. Wie sie von kundigen Fortuna-Fans ja nun schon seit gut einem halben Jahr gefordert wird. Überhaupt trat die Truppe der Trainer-Oldies Funkel und Hermann zum ersten Mal seit Oktober 2016 mit einem mutigen 4-4-2-System an. Hätte, hätte, Fahrradkette… Wer weiß, wo die Fortuna jetzt in der Tabelle stünde, hätten die Coaches statt angsthasiger 4-3-2-1- oder Fünferketten-Varianten in einer solchen Formation gespielt. Wo doch bekannt war, dass Hennings nur dann als Knipser taugt, wenn er sich nicht allein in der Spitze aufreiben muss.

Ein nicht rundum verdienster Sieg

Und trotzdem kann man mit Blick auf die offizielle Statistik und die vielen Ballverluste und Fehlpässe nicht sagen, der Sieg der Fortuna sei rundum verdient gewesen. Beeindruckend vor allem, wie sich die Mannschaft immer wieder aus dem erheblichen Druck der Nürnberger befreien konnte. Denn die Abwehr stand eher so mittelsicher. Das 1:0 für den FCN konnte nur geschehen, weil gleich zwei Verteidiger nicht nur zu weit weg vom Gegner standen, sondern die Situation völlig falsch einschätzten. Weil ein gewisser Alexander Madlung daran federführend beteiligt war, ging ein Staunen durch die Reihen der Fans, die sich in großer Runde die Übertragung im Bilker Häzz ansahen: „Der Madlung mal wieder…“ Dass aber ausgerechnet „dieser Madlung“ zum Matchwinner wurde – so wie er eine Woche zuvor mit seinem beherzten Eingreifen für den Ausgleich gegen Würzburg sorgte -, hatte niemand so auf dem Zettel. Natürlich hat dieser erfahrene Spieler in dieser Saison oft erschreckende Fehler fabriziert, vom völlig absurden Stellungsspiel über grobmotorische Störungen bis hin zu bizarren Fehlpässen, aber Alexander Madlung ist ganz offensichtlich ein Spieler, der nicht aufgibt. Und einen solchen Kerl hat die Fortuna im vergangenen Jahr gebraucht und brauchte ihn auch jetzt.

Eine Rarität: Dieses Shirt gibt's nur zwölfmal

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Laut Statistik war er übrigens das am wenigsten schlechte Mitglieder der Viererkette. Bei Julian Schauerte wurde erneut sichtbar, dass er bisweilen mit der Geschwindigkeit des Spiels geistig überfordert ist, während Robin Bormuth heute nach vorne keinerlei Wirkung zeigte. Im Verbund mit Lukas Schmitz gelang ihm die höchste Anzahl Fehlpässe; immerhin war er an keinem der beiden Nürnberger Tore negativ beteiligt. Ähnlich wie Madlung legte erneut Adam Bodzek sein großes Kämpferherz in die Waagschale und interpretierte die 6er-Position auf die bestmögliche Weise – im Rahmen seiner grundsätzlichen Möglichkeiten. Während er das zerstörerische Element repräsentierte, war Marcel Sobottka der kreative Teil, dessen Spiel aber unter dem nassen Platz mit am meisten litt. Zum ersten Mal seit Langem agierte Käpt’n Fink nicht in der Spitze, sondern ganz brav im linken Mittelfeld. Die große positive Überraschung stellte aber Jerome Kiesewetter dar – nicht nur wegen seines Treffers.

Positive Überraschung: Jerome Kiesewetter

Im Grunde übernahm er zu gleichen Teilen die Aufgaben, die sonst Schauerte und Bebou auf der rechten Seite zukommen. Dass Kiesewetter in dieser Saison bisher noch nicht so groß herauskam, muss wohl daran liegen, dass die Trainer bis dato die richtige Position für ihn noch nicht gefunden hatten. Man kann ihn sich prima als Nachfolger für Schauerte als Außenverteidiger mit starkem Offensivdrang vorstellen. In der 60. Minute musste Fink verletzungsbedingt vom Gras und wurde durch Axel Bellinghausen ersetzt, der auf dem linken Flügel das typische, wenn auch variantenarme Bellinghausen-Spiel aufzog: Also mit dem Ball wie ein Duracell-Häschen die Linie herunter poltern bis zur Torauslinie, um von dort eine halbhohe Flanke in die Mitte zu spielen – egal, ob dort jemand steht oder nicht. Immerhin verunsicherte er so die FCN-Abwehr mehrfach, zog ein paar Mal gleich drei Gegner auf sich, sodass in der Mitte mehr Raum frei wurde.

Ansonsten gab es nicht mehr Gründe, jemanden auszuwechseln. Die Einwechslung von Emma Iyoha in der Nachspielzeit hatte etwas mit der Uhr zu tun. Der kommende Nationalspieler kann einem schon leidtun, dass er nun zum wiederholten Mal ein solch undankbare Rolle spielen muss, und man kann nur hoffen, dass ihn der Frust nicht frisst. Bleibt noch das Geburtstagskind. Michael Rensing wurde weniger oft getestet als es nach der Statistik (FCN vs F95: 12:13 Torschüsse) den Anschein haben könnte. Leider geht der 2:2-Ausgleich zumindest teilweise auf seine Kappe, weil er in einer eindeutigen Situation auf die Linie kleben blieb, wo das Herauslaufen mit hoher Wahrscheinlichkeit die Chance entschärft hätte.

In der Pause draussen vorm Bilker Häzz

In der Pause draussen vorm Bilker Häzz

Bei den Fans, die nicht nach Nürnberg gefahren waren, flatterten die Nerven durchgehend. Man hat ja das Smartphone vor sich und kriegt die Ergebnisse der anderen Spiele und deren Auswirkungen auf die Tabelle mit. Früher musste man sich dafür noch das Transistorradio ans Ohr klemmen, heute schickt einem die Kicker-App eine Benachrichtigung. Dass Bielefeld zur Pause 2:0 gegen Braunschweig führte, sorgte für milde Aufregung. Das Endergebnis von 6:0 für die Arminen löste ungläubiges Staunen hervor, und die Älteren unter den Anwesenden fühlten sich an die Bielefelder Rolle im Bundesligaskandal von 1971 erinnert. Ein Experte wandte zurecht ein, dass ein solch unerwartet deutliches Ergebnis gegen einen Betrug spräche, denn den würden die Beteiligten geschickter inszenieren. Die Niederlage der Sechzger gegen Bochum wurde dagegen mit Beifall aufgenommen, sind sich doch auch Sympathisanten der Münchner Löwen einig darin, dass nur ein Abstieg für den Ausstieg des nervigen Investors führen könnte und so diesem Traditionsverein ein Rebooting ermöglichen würde.

Rechenspiele und Zukunfsaussichten

Geschaut wurde auch auf Aue, den Gegner im letzten Heimspiel am kommenden Sonntag. Die Erzgebirgler gewannen gegen Kaiserlautern und sind damit in ähnlich hoffnungsvoller Lage wie die Fortuna. Mancher befürchtet, dass es deshalb in der Arena zu einem „Schande von Gijon reloaded“ kommen könnte, denn mit einem Unentschieden verblieben beide Vereine in der zweiten Liga. Sollte aber einer der beiden Clubs verlieren, dann könnte ein sehr hoher Sieg der Löwen in Heidenheim noch Bewegung in die Angelegenheit bringen. Funkel ließ in der Pressekonferenz schon verlauten, da sein kein Spiel auf Unentschieden zu erwarten, den die Mannschaft wolle sich bei den treuen Anhängern, die auch in Nürnberg ihren Teil zum Erfolg beitrugen, mit einem Heimsieg verabschieden. Es wäre das Mindeste, was die Kicker für die Fans tun könnten.

Die Gesamtgefühslage dieser Fans nach der Partie in Rostbratwursthauptstadt dürfte mit dem Wort „erleichtert“ am besten beschrieben sein. Jeder und jedem war klar, dass eine Niederlage gegen den Glubb das Abstiegsrisiko dramatisch gesteigert hätte. Ob die Mannen in rotweiß dann – anders als gegen Würzburg – locker und Konzentriert aufgespielt hätten, darf bezweifelt werden. Hin oder her: Im Hintergrund schüren gewisse Kräfte im Verbund mit gewissen Medienvertretern den Aufstand gegen die aktuelle Vereinsführung. Man mag solche Putschversuche vereinsschädlich finden, dass es so wie in den letzten anderthalb Jahren mit dem TSV Fortuna Düsseldorf 1895 nicht weitergehen kann, ist (fast) allen Interessierten klar. Weder der Aufsichtsrat, insbesondere der mit großer Hausmacht ausgestattete Aufsichtsratsvorsitzende, noch der Vorstand mit dem Vorsitzenden Robert Schäfer haben je ein schlüssiges, mittelfristig wirksames Konzept für die Fußballabteilung des Vereins präsentieren können. So ist seit vielen Jahren die große Frage offen: Wer will Fortuna eigentlich sein? Welches Bild soll die Diva nach innen und außen abgeben? Welche sportlichen und wirtschaftlichen Ziele leiten sich davon ab? Auch der mit viel Vorschusslorbeeren versehene Robert Schäfer übt sich bloß in richtungslosem Pragmatismus. Ob der auch angesichts eines deutlich geringeren Gesamtetats in der kommenden Saison irgendeine Art Erfolg bringen wird, muss bezweifelt werden.

2 Kommentare

  1. Meiner Ansicht nach hat Madlung mit dem ersten Gegentor am wenigsten zu tun, wohl aber mit dem zweiten (was ich in der Live-Ansicht noch anders bewertet hatte).
    Wie auch immer, Erleichterung und der Rest des Artikels treffen es sehr gut…

  2. Zu Madlung: Die Fanszene hat sich total verwandelt und ist völlig humorlos geworden. Ein Madlung wäre zu Zeiten des grandiosen Fanzines „Come Back“ schon längt ein „Fußballgott“ wie Carlo Werner und spätestens gestern heilig gesprochen worden. Heute wirkt alles verbiestert, kleingeistig und angstgeprägt. Dabei war doch klar, dass wir in Nürnberg gewinnen, denn wir sind Fortuina Düsseldorf, wie können alles!

    Ein großes Problem des Vereins ist, dass kaum noch Düsseldorfer und Fortunen bei ihm beschäftigt sind. Die diversen Funktionsträger der letzten Jahre, meistens aus dem Norden, haben hauptsächlich Leute aus dem Norden in den Verein geschleust. Es gibt in diversen Abteilungen mittlerweile mehr Bremen- als Fortuna-Fans, und die Vereinszugehörigkeit ist einer Arbeitsplatzmentalität gewichen. Würde Fortuna einen Absturz hinlegen wie in den 1990er Jahren, wären die meisten aber ganz schnell weg. Der Trend vieler hin zu einer Entfremdung vom Verein Fortuna ist daher nur logisch, denn der Verein selbst wird einem immer fremder. Von einer „Fortuna-Familie“ kann und sollte man aktuell nicht mehr sprechen.