Ja, der Fiegen nervt. Jeder, der in den letzten Jahren an allen oder mehreren Jahresmitgliederversammlungen der Fortuna teilgenommen hat, kennt ihn und erinnert sich an die eine oder andere Schote, die der hagere Kerl sich geleistet hat. Die Umstände seiner zahllosen persönlichen Erklärungen, Anträge und, ja, Kandidaturen zum Aufsichtsrat sind legendär. Wobei man sagen muss: Wolfgang Fiegens Versuche, sich zur Wahl zu stellen, sind jeweils auf andere Art gescheitert. Jetzt wissen wir alles über den Mann, der oft mit ernstem Gesicht auf seinem rotweißen Fahrrad rund um den Kirchplatz zu sehen ist. Denn nachdem seine Kandidatur vom Wahlausschuss abgelehnt wurde, ging Fiegen vor Gericht und erwirkte eine einstweilige Anordnung – erfolglos, weil der F95-Vorstand dafür sorgte, dass diese Verfügung zur heutigen Versammlung unwirksam wurde. Um die Ablehnung zu begründen, verlas der Vorsitzende des Wahlausschusses, Thomas Bollien, vor über 900 Anwesenden unter anderem Details aus psychiatrischen Gutachten über Wolfgang Fiegen. Und das ging eindeutig zu weit.

Ethisch fragwürdig

Auch wenn der verhinderte Kandidat in den letzten Tagen etwas veranstaltete, was man auch eine Schmutzkampagne – gegen den Vorstand, den Wahlausschuss und auch den Ehrenrat – startet, bei der er selbst in mindestens zwei Fällen Aussagen über Personen machten, die juristisch zumindest grenzwertig waren, stellt das heutige Outing eine deutliche Grenzüberschreitung dar. Wohlgemerkt: Die Details zu den angeblichen psychiatrischen Störungen des Wolfgang Fiegen sind bereits seit seinem Prozess wegen von ihm gegen einen Vorgesetzten ausgesprochenen Morddrohungen gerichtsöffentlich. Insofern dürfte das Handeln des Wahlausschusses, das im Übrigen mit voller Rückendeckung durch den Vorstand und den Aufsichtsrat geschah, juristisch unangreifbar sein. Unter ethischen Gesichtspunkten aber muss man das Outing verurteilen.

Das sehen auch viele Mitglieder der Fortuna so, die den Fall in den sozialen Medien diskutieren und scharfe Kritik an den Fortuna-Gremien äußern. Noch während der Versammlung haben zwei altgediente Mitglieder dies in Form von Redebeiträgen getan. Aus diesem Fehlverhalten nun aber eine Generalkritik an Vorstand, Aufsichtsrat und Wahlausschuss bzw. deren Mitgliedern zu bauen, riecht bei einigen der Protagonisten des Shitstorms nicht wenig nach gekränkten Eitelkeiten und der generellen Ablehnung des Weges, den die Fortuna-Verantwortlichen beschreiten. Das ist schade, weil beide Dinge – der Fall Wolfgang Fiegen und die grundlegende Kritik an Vorstand und Aufsichtsrat – unbedingt getrennt voneinander zu betrachten sind. Letztlich geht es um die Frage, ob der Verein, seine Mitglieder und die Verantwortlichen in der Lage sind, mit einer Person wie Fiegen verantwortungsbewusst umzugehen.

Einbinden statt bloßstellen

Ja, der Fiegen nervt. Aber alle, die seit spätestens 2006 mehr oder weniger aktiv das Schicksal der Fortuna verfolgen, müssten wissen, dass dieser Mann die Fortuna über alles liebt, dass sie – neben seinen beiden erwachsenen Kindern – sein Lebensinhalt darstellt und dass er sich deshalb immer wieder ernsthafte Sorgen um den Verein seines Herzens macht. Auch wenn gerade seine Anträge oft nach Verschwörungstheorie riechen: Inhaltlich hat Fiegen in einigen Fällen genau die Dinge angesprochen, über die sich auch andere Fortunen Gedanken gemacht habe. Und manchmal wären seine Anträge wohl mit überragender Mehrheit angenommen worden, wenn nicht er, sondern jemand anderes sie gestellt und begründet hätte.

Sein Auftreten ist kauzig, um es vorsichtig auszudrücken, und damit unterscheidet er sich eben in seinem ganzen Habitus zu deutlich von den „seriösen“ Leuten, den Anwälten, Wirtschaftsprüfern, Unternehmern und Jung-Managern, die ansonsten bei den Versammlungen öffentlich auftreten. Aber, und das ist eine eindeutige Forderung, die Mitglieder und alle Verantwortlichen müssen in einem Verein wie Fortuna Düsseldorf genau solche Menschen aushalten, je, mehr noch: einbinden, wo und so gut es geht. Und das hat in der Vergangenheit auch mehrmals so funktioniert. So gelang es dem damaligen Wahlausschuss 2010, Wolfgang Fiegen die Ablehnung seiner Kandidatur für den Aufsichtsrat in langen Gesprächen so zu erklären, dass er sie akzeptieren konnte. Mehrfach war es der Ex-Vorstand Paul Jäger, der ihm mit einem freundlichem „Wolfjang, komm, da reden wir zweimal drüber“ den wütenden Wind aus den Segeln nahm, Eklats zu verhindern.

Weniger Schmutz, mehr Solidarität

„Ich halt den nicht aus, aber er ist einer von uns,“ sagte nach der Versammlung ein ebenfalls altgedienter Fan. Und ein andere meinte, man habe Fiegen zu lange in seinem Tun bestärkt, weil es Leute gab, die ihren Spaß daran hatten, dieses Unikum vorzuführen. Schon der Rauswurf aus einer Jahresmitgliederversammlung durch den damaligen AR-Vorsitzenden Marcel Kronenberg war eine Grenzüberschreitung – aber damals hatte eben niemand, der Wolfgang Fiegen kennt (und umgekehrt) ihn bei seinen end- und haltlosen Tiraden zu stoppen. Ja, der Fiegen nervte, aber man genoss auch die Abweichung vom Normalen.

Wenn die Fortuna – wie momentan in einem Manifest namens „Fortuna DNA“ behauptet – anders ist als andere Vereine, dann darf es zu solchem öffentlichen Waschen von Schmutzwäsche einfach nicht kommen. Dann müssen die Vorstände und Aufsichtsräte, aber auch die Mitglieder von Wahlausschuss und Ehrenrat mit jemandem wie Wolfgang Fiegen zunächst einmal solidarisch sein. Denn er ist mindestens so sehr Fortuna wie sie – oder sogar mehr. Und wenn aus dieser Solidarität gegenseitiges Vertrauen entsteht, dann kann man den Wolfjang gelegentlich auch mal vor sich selbst schützen.

12 Kommentare

  1. Ist schon richtig. Letztlich haben tatsächlich aber auch viele Menschen Wolfgang bestärkt. So schlimm es ist, die Leute sollten jetzt, wissend, davon Abstand nehmen und ihm helfen.

  2. Als ich W. Fiegen das erste Mal auf einer JHV erlebt habe, fand ich das auch lustig. Beim zweiten Mal aber nicht mehr, da tat er mir nur noch leid, und ich fand das schenkelklopfende Lachen vieler Anwensenden (und nachträglich auch meins) ziemlich abstoßend. Für mich ist er eine tragische Figur.

    • Besser kann man es nicht ausdrücken. Absolut zutreffend. Das natürlich nicht ganz unberechtigte Lachen über Wolfgang Fiegen sagt (leider) auch viel über uns alle aus.

  3. Mich erinnert er irgendwie an den bemitleidenswerten Menderes Bağcı

  4. TriPeter am

    Ich gehe weiter – wenn es stimmt das er Morddrohungen gegen ein Mitglied des Vorstands ausgesprochen hat, dann muss ihm die Mitgliedschaft bei Fortuna gekündigt werden,….

  5. TriPeter am

    Das wurde von Hr Bollien auf der JHV erzählt – siehe auch BILD online vom 13.11.

  6. Den Bogen überspannt hat zunächst einmal Herr Fiegen. Jedes Jahr ein bisschen mehr. Anfangs habe ich auch gelacht, später fand ich es nur noch peinlich.

    Mit dem Gang vor Gericht hat Herr Fiegen die Sache öffentlich gemacht. Ich finde es gut, das Fortuna nun die Gründe für eine Ablehnung in der JHV genannt hat. Man hat jahrelang Herrn Fiegen geschützt, aber er hat nicht aufgehört. Allerdings hätte ich persönlich die Krankengeschichte nicht genannt, das andere hat ja schon gereicht.

    Traditionsverein hin oder her, es ist schon schwierig genug, den Weg zu gehen, den wir Mitglieder und der Verein gehen und weiter gehen wollen. Und es wird aufgrund der uferlosen Kommerzialisierung jedes Jahr schwieriger. Einen Herrn Fiegen in irgendeiner verantwortungsvollen Position bei Fortuna will ich mir gar nicht vorstellen. Auch ein Traditionsverein wie Fortuna muss sich nach Außen hier und da seriös darstellen. Mit einem Herrn Fiegen als Verantwortlicher wäre nicht auszuschließen, dass sich der eine oder andere der Fortuna wohlgesinnter abwenden würde (z.B. Sponsoren).