Das war es also, das Zeitfahren durch die Stadt als erste Etappe der Tour de France 2017. Das Wetter hat nicht mitgespielt, aber das hat die Neugierigen und vor allem die vielen echten Tour-Fans nicht davon abgehalten, an der Strecke zu stehen und die Fahrer anzufeuern. Überhaupt: Den meisten Spaß hatten – das ergaben viele Gespräche – die Freunde des Radsports aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Großbritannien und auch Tschechien. Deutsche Anhänger des Velo-Rennens gaben sich eher reserviert und jubelten vor allem den deutschen Fahrern und Teams zu.

Das war ein bisschen schade, weil es ja gerade den Charme der Tour ausmacht, dass hier nicht Nationalmannschaften antreten, sondern Teams, die von Experten zusammengestellt und von Unternehmen finanziert werden. So war es für die genannten Fans aus den Nachbarländern selbstverständlich, jeden Fahrer zu bejubeln, der vorbeiraste.

Anders kann man es nicht nennen. Wer noch nie ein Zeitfahren aus der Nähe gesehen hat, kann sich schlicht nicht vorstellen, wie schnell die Radprofis über den Asphalt flitzen. Da wird bei Neunzig-Grad-Kurven das Tempo bisweilen auf immer noch 30 km/h gedrosselt – schneller als man mit einem Pedelec geradeaus fahren kann. Leider hatte der Dauerregen auch einige Passagen gefährlich gemacht. So stürzten an der Anfahrt der Kniebrücke nicht nur mehrere Radfahrer, auch ein Polizist kam mit seinem Krad ins Schleudern. Verletzt wurde niemand, und die Velorenner fuhren natürlich weiter, sobald man ihnen ein neues Rad gebracht hatte.

Wer erwartet hatte, dass sich das meiste Publikum an der Kö ansiedeln würde, sah sich getäuscht. Fast an der gesamten Strecke von der Messe über die Rheinrücken und wieder zurück standen die Menschen mindestens in Dreierreihen – viele in regendichten Jacken oder Ponchos und nicht wenige gut beschirmt. Anwohner hatten Gartenpavillons aufgebaut und dort für die Nachbarn Speisen und Getränke gebunkert. Auffällig, wie viele Zuschauer mit der Bierflasche in der Hand umherliefen.

Ganz offensichtlich aber wollten die Menschen das Radrennen sehen und sich nicht dem üblichen und schwer erträglichen Event- und Entertainmentangebot hingeben. Am Johannes-Rau-Platz vor der WDR-Bühne, die leider von 1live mit dauernder Dumpfmusik beschallt wurde, verloren sich wenige Dutzend Zuschauer, die vermutlich dort auch nur standen, weil seitwärts auf einem Großmonitor das Rennen übertragen wurden. Ähnlich dünn auch die Menge am Graf-Adolf-Platz, und auch unter der Kniebrücke war an den vielen Stände wenig los.

Fazit des ersten Tages des „Grand Départ“ also: Solch ein Radrennen durch die Stadt ist etwas Tolles, weil man sonst nie so dicht an die Rennprofis herankommt. Es wäre schön, wenn die alte Tradition solcher Wettbewerbe in Düsseldorf erneuert würde. Deutlich wurde aber auch, dass das ganze Brimborium – von der bescheuerten Werbekarawane bis zu Event-Area und Bundeswehr-Sportbereich – nichts besser macht. Vermutlich wird die zweite Etappe, die morgen über Ratingen und Grafenberg durch die Stadt und weiter über Neuss bis nach Lüttich führt noch spannender – wobei die Zuschauer davon aber nur ein paar Minuten etwas haben werden, wenn das Peleton gerade vorbeikommt.

3 Kommentare

  1. Bei uns vor der Tür (Haroldstraße) wurden alle, wirklich alle, Fahrer von sämtlichen Zuschauern aus aller Herren Länder frenetisch bejubelt!

  2. Herr Bartel, sie waren wohl woanders oder haben das im Vorfeld geschrieben. „Verletzt wurde niemand“? Zwei Fahrer mussten die Tour beenden mit gebrochener Kniescheibe bzw. gebrochenem Lendenwirbel. Wo wir standen, am Rheinufer, haben Alle für Alle gejubelt und ganz besonders für die „eigenen“ Fahrer, „reserviert“ war da keiner. Die „bescheuerte“ Werbekarawane ist fester Bestandteil der Tour seit 1930, war super lustig und ein bisschen wie moderner Karneval auf Speed gepaart mit Rheinkirmes. „Auffällig viele“ Bierflaschenträger sind uns wirklich nicht aufgefallen, eher extrem wenige für einen Samstagabend in der Nähe der Altstadt, ein paar holländische Jugendliche sind uns auf Höhe der Tonhalle etwas ausgelassen entgegen gekommen. Puh, böse. Ich glaube, sie nörgeln einfach gerne, weil nörgeln einfacher ist, als sich zu freuen. Die Veranstaltung war großartig, top organisiert, extrem freundlich und entspannt, das Zeitfahren war interessanter als erwartet, die Zuschauer trotz Regens top guter Laune und Krafwerk waren der Hammer.

    • Rainer Bartel am

      Wie am Zeitstempel sehen kann, wurde der Bericht VOR dem Ende des Zeitfahrens geschrieben; da war noch nicht vermeldet, dass es schwere Verletzungen gab. Bei den vier Stürzen, die ich selbst an der Kniebrücke gesehen habe, sind die Fahrer aufgestanden und weitergefahren. Ich ganz zu Beginn des Zeitfahrens etwa zwei Drittel der Strecke abgelaufen und fand auffällig, dass zwar alle vorbeifahrenden Radler beklatscht, aber eben vor allem die deutschen Teilnehmer bejubelt wurden. Gestehen Sie mir zu, dass ich die Werbekarawane bescheuert finde, obwohl es sie schon seit 1930 gibt? Danke. Die Bierflaschenträger waren nicht sonderlich ausgelassen, sondern von der Sorte, die eben samstags in Düsseldorf gern mit der Bierflasche spazierengehen – hatte ich nicht erwartet. Ihrem Urteil stimme ich zu: klasse organisiert, entspannt und freundlich. Mir haben – wie schon im Artikel erwähnt – zwei Dinge besonders gut gefallen: Die Möglichkeit mit Velofans aus anderen Ländern zu sprechen, und die Rennradler so aus der Nähe zu erleben. Deshalb fände ich – wie ebenfalls erwähnt – mehr bzw. regelmäßige Radrennen auf Düsseldorfer Straßen wünschenswert. Ich frage mich aber auch, warum jegliche kritische Sichtweise immer und immer wieder als „Nörgeln“ abgetan wird. Muss man einfach alles immer supertoll finden, egal, was es ist, egal, was kostet, und egal wie es zustande gekommen ist? Wer das tut, ist auch bloß ein Jubelperser.