Der Besuch eines Kraftwerk-Konzerts in der Stadt ist für jeden Düsseldorfer Bürgerpflicht. Wobei von einem Konzert kaum die Rede sein kann: Wenn die Erfinder einer ganzen Musikwelt auftreten, ist das ein Ereignis. Und natürlich war tout Düsseldorf so anwesend, dass man kaum glauben konnte, es seien auch auswärtige Zuhörer da. Außerdem war der Ehrenhof der perfekte Ort für dieses Ereignis. Ältere Bewohner der schönsten Stadt am Rhein erinnern sich ohnehin mit Wehmut an die vielen tollen Open-Air-Gigs in den Siebziger- und Achtzigerjahren dort, die dank Anwohnerbeschwerden abgeschafft wurden. Damals wurde zwischen Kunstmuseum und Kunstpalast gespielt; gestern stand die Bühne am NRW-Forum, mit dem Rücken zur Tonhalle.

Das passt so gut, dass man sich nun jeden Sommer mindestens ein Großereignis dort wünscht. Apropos: Hatte es tagsüber während des Zeitfahrens der Radler unentwegt geregnet, blieb es zu Konzertzeiten trocken, ja, während Air noch spielte, klarte der Himmel auf, und die Sonne kam sogar raus. Das hatten die französischen Musiker, die von exakt 19:30 bis exakt 20:30 auftraten, auch verdient – ihr Gig war fantastisch. Und so nervös und angespannt die vier Herren anfangs wirkten, so erlöst und glücklich verabschiedeten sie sich nach dieser Stunde. Wer gedacht hat, Air sei keine Liveband, sah sich getäuscht: Teilweise rockten die Kerle richtig los, und die Sounds aus dem analogen Korg machten richtigen Hörspaß.

Wie kaum anders zu erwarten war die Stimmung entspannt und freundlich – auch dank der hervorragenden Organisation. Wer nicht im Gedränge auf den ersten einhundert Metern vor der Bühne stehen wollte, fand auf der Verlängerung der Inselstraße lockeren Platz oder begab sich auf die Fressmeile von dort bis zum runden Wasserbecken. Dort konnte man auch ein bisschen absitzen – und trotzdem sehen, was vorne passierte. Skandalös natürlich, dass nirgendwo Altbier angeboten wurde, sondern vorwiegend globalisierte Plörre – immerhin zum halbwegs fairen Preis. Und das Angebot der Imbisswagen war vielfältig und gut.

Und dann ging’s los. Die ersten grünen Zeichen flimmerten über die Riesenleinwand auf der Bühne sowie über die vier Großmonitore – zwei links und rechts neben der Bühne, zwei weitere auf Höhe der Inselstraße. War der Sound schon bei Air richtig gut, näherte er sich bei Kraftwerk dem, was unter freiem Himmel optimal möglich ist. Aber natürlich begann die Chose mit schleichendem Übergang: ein bisschen Grafik hier, ein wenig Computerstimme dort. Und plötzlich standen die vier Herren in den Engkörperanzügen an ihren Pulten. Selbstverständlich summte das Publikum bei jedem der bekannten Stücke mit, manche wiegten sich im Takt, andere starrten mit den 3D-Brillen auf einen der Monitore. Spätestens bei „Model“ war der ganze Ehrenhof randvoll mit Kraftwerk-Sound und -Stimmung.

„Tour de France“ war – passend zum Anlass – ein Hihglight, vor allem wegen der (bekannten) tollen Filmaufnahmen von historischen Touretappen. Aber spätestens hier wurde auch klar, dass niemand hätte genau sagen können, ob die Männer da oben wirklich Musik machten oder irgendwo eine CD lief. Nur als ein einziges Mal ein Soundproblem auftauchte und auf der Stimme von Ralf Hütter zu viel Hall lag, merkte man: Ja, es ist live. Und das wurde in der zweiten Hälfte des Gigs sogar sehr deutlich. Man spielte die weniger oft gehörten Stücke, die eher komplizierten mit den komplexen Klangflächen, und es kam den Kennern so vor, als würde ein klitzekleines bisschen improvisiert.

Zum Schluss erstrahlte die Kuppel der Tonhalle hinter der Bühne in den Farben der Tricolore, und die Zuschauer verließen zufrieden das Gelände. Das galt auch für mehrere Tausend Menschen, die sich den Gig draußen im Hofgarten oder auf den Stufen und Terrasse der Tonhalle oder am Fortunabüdchen angehört hatten.

Ein Kommentar

  1. Genau. Man wundert sich, warum unter der CDU in den letzten Jahren keiner auf so ein Konzert im Ehrenhof gekommen ist, obwohl sich die Örtlichkeit als bestens geeignet herausgestellt hat – auch für die Zaungäste am Ulanendenkmal. Mehr davon, bitte.

    (Übrigens hatte Helge Achenbach für Düsseldorf mal ein Sommerfestival vorgeschlagen, bevor er zum „Gardinenfachmann“ wurde).