Was soll man denken, wenn ein Oberbürgermeister, der Hobbyrennradler ist, den Grand Depart zur Tour de France 2017 nach Düsseldorf holt? Was würde dann ein OB, der in seiner Freizeit leidenschaftlich gern auf die Jagd geht, nach Düsseldorf holen? Was soll man denken, wenn der OB bei seinem Bemühen besonders von einer SPD-Bürgermeisterin unterstützt wird, deren Sohn zufällig Radprofi ist und an der Tour de France 2017 teilnehmen könnte? Was würde passieren, wenn der Sohn einer anderen Bürgermeisterin oder eines anderen Bürgermeisters Formel-1-Pilot wäre – bekäme Düsseldorf dann eine Rennstrecke und einen Grand Prix?

Was soll man denken, wenn die Bürger bis kurz vor knapp über die tatsächlichen Kosten der Veranstaltung im Unklaren gelassen werden? Hätte eine Mehrheit der Bürger bei einem Entscheid für den Grand Depart gestimmt, wenn bekannt gewesen wäre, dass die Veranstaltung 13 Millionen Euro kosten würde? Was soll man denken, wenn offiziell von direkten Einnahmen in Höhe von rund 7,5 Millionen Euro die Rede ist, drei Viertel davon aber als Sponsoring von städtischen Unternehmen stammt – also indirekt aus dem Haushalt der Stadt bezahlt werden? Wie soll man den offiziellen Berechnungen der Einnahmen glauben, wenn die weiteren Einnahmen aus Klein-Sponsoring ein paar Wochen vor dem Event bei maximal einer halben Million Euro liegen? Soll man glauben, dass von den VIP-Zuschauerplätzen am Ende tatsächlich fast alle verkauft werden?

Muss man dem üblichen Wortgeklingel der (nicht ganz so unabhängigen) Marketing-Experten glauben, die einen „Werbewert“ ins Feld führen, der rein fiktiv ist und von dem mindestens genauso viele Experten glauben, dass es ihn entweder nicht gibt oder man ihn seriös nicht berechnen kann? Muss man die Berechnung einer (nicht ganz so unabhängigen) Wirtschaftsprüfungsfirma glauben, die 2,28 Millionen Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer durch die Veranstaltung prophezeit? Soll man derselben Wirtschaftsprüferfirma glauben, die einen Umsatz von 57,5 Millionen Euro während der Veranstaltungstage vorhersagt?

Kann man sich ernsthaft vorstellen, dass eine Veranstaltung, während derer an zwei Tage rund 200 Radprofis auf hoch spezialisierten Rädern über abgesperrte Strecken düsen, dazu fährt, dass mehr Bürger das Fahrrad als tägliches Verkehrsmittel für sich entdecken? Wenn die ganze mediale Berichterstattung zum Grand Depart nicht einmal für mehr Nachwuchs bei den Rennradclubs der Stadt gesorgt hat? Muss man sich nicht fragen, ob die rund 5 Millionen, die von der Stadt vermutlich aus der Stadtkasse bezahlt werden müssen, nicht besser in einen Ausbau und die Optimierung des Radwegenetzes investiert werden sollten?

15 Kommentare

  1. Nicole Schnaß am

    Was wäre wenn, wenn die Ermittlungen der Nada nur noch einen Ausschluss von Russland als Fußballteam von der eigenen WM ergeben würden? Was wäre wenn, wenn dann die NADA vor der WM alle spanischen Profis testen würden, wo seit einem Jahr keine Dopingproben mehr während des Trainings genommen worden wären?

    Was wäre wenn, wenn dann das Ruhrgebiet dann die WM austragen könnte mit den bereits bestehenden Stadien und dies 1 Milliarde Euro kosten würde.

    Wetten das, dass die Sesselfurzer die mit dicker Wanze, einem Bier in der Hand und eine Chipstüte in der Hand sofort wollten, dass so viel Geld verschwendet werden sollte!

    Aber 15 Mio für den Start der prestige trächtigen Tour de France, werden da als nutzlose Geldverschwendung angesehen.

    • Rainer Bartel am

      Mit Verlaub: Den Zusammenhang verstehe ich nicht – natürlich würden wir auch dagegen sein und laut protestieren, wenn 1 Milliarde Euro für ein Fußballturnier ausgegeben würden – aber was hat eine fiktive WM im Ruhrgebiet mit einem Grad Depart in Düsseldorf zu tun?

      • a) Wer sind „wir“, die dagegen wären und protestieren würden?
        b) Wer den Zusammenhang nicht versteht, sollte mal drüber nachdenken, warum er den Zusammenhang nicht versteht.

        • Rainer Bartel am

          Das Wir ist die Redaktion von Düsseldorfer und der Punkt b) ist einfach nur ein billiger Rhetorikversuch.

  2. Wie viele Leute sind schon seit Wochen in der Stadt? Täglich werden es mehr. Wir reisen heute bis Sonntag hin, als Familie zu dritt, lassen Geld da und kommen vielleicht wieder, wenn uns Düsseldorf gefallen hat.

    Düsseldorf wird nun zwei Tage weltweit in den Medien sein. Kostenlos.

    15 Mio? Peanuts!

    • Rainer Bartel am

      Was maßen Sie sich an zu beurteilen, ob 15 Millionen Steuergelder, für die wir Düsseldorfer Bürger aufkommen, Peanuts sind? Was nützt es, wenn Düsseldorf „zwei Tage weltweit in den Medien“ ist? Sie plappern doch bloß die Pro-Grand-Depart-Propaganda nach. Und, nein, wegen mir müssen Sie nicht wieder kommen.

  3. Was ein Erbsenzähler! Kultur kostet, Spiele kosten. Was ist daran verwerflich in Aufmerksamkeit zu investieren? Wir geben soviel Geld für Blödsinn aus, da finde ich es charmant wenn man auch mal Geld für Sportarten ausgibt, die nicht so im Fokus der Öffentlichkeit stehen wie Fußball. Und das leidliche Thema Doping, wer von den Nichtsportlern und Stammtischrednern glaubt denn, das irgendeine Sportart nicht dopingverseucht ist? Nur beim fussball ist so viel Geld im Spiel, dass sich keiner traut diesen Zirkus zu stören. Aber nun ich finde es letztlich richtig dass wir den leistungssport unterstützen und freue mich auf die Tour de France in Deutschland / Düsseldorf !!!

    • Rainer Bartel am

      Was soll das? Im Artikel steht nichts über den Radsport, kein einziges Wort. Worum es geht: Die Art und Weise wie es überhaupt zur Bewerbung kam und die intransparente Kosten-Einnahmen-Rechnung. Und: Wer Fahrradfreund ist und das Rad als extrem wichtiges Verkehrsmittel in den Städten sieht, hätte lieber die 5,5 Mio Euro in die Verbesserung des Radwegnetzes investiert gesehen.

      • Juergen Behrendt am

        Ich bin Fahrradfreund und sehe das Rad als extrem wichtiges Verkehrsmittel in den Städten und finde 15 Mio sind für dieses Ereignis inkl. massiver Werbung für den Radsport gut investiert. Bitte weitere 15 Mio für Radwege. Dafür dann bitte 30 Mio weniger für Autotunnel etc. und alles was Verbrennungsmotoren hat. Danke.

        • Rainer Bartel am

          Ich bin ebenfalls Fahrradfreund, fahre selbst wann immer möglich mit dem Rad durch die Stadt und halte das Fahrrad ebenfalls für ein extrem wichtiges Verkehrsmittel in den Städten.
          Die Erfahrungen vergleichbarer Ereignisse in anderen europäischen Städten geben keinerlei Hinweis darauf, dass man so a) Werbung für den Radsport machen kann und b) dass die Akzeptanz des Rades als Verkehrsmittel gesteigert wird. Lediglich in London soll nach dem Grand Depart 2007 die Zahl der innerstädtischen Radler spürbar gestiegen sein. Für solch ungewisse Auswirkungen so viel Geld auszugeben, halte ich immer noch für fahrlässig.
          Will man den Radsport fördern, müssten in Düsseldorf wieder (vor Jahren gab es vier, fünf davon) mehr innerstädtische Radrennen stattfinden, also eben nicht nur ein Kommerzspektakel von umstrittenem sportlichen Wert. Und wenn man daran denkt, wie man mit den erwarteten 9 Mio Euro Defizit in Düsseldorf das Radwegenetz hätte ausbauen und optimieren können, kann man schon wütend werden.

  4. Hallo,

    sicher nicht unbedingt einer eurer besseren Texte …
    Hat was Missionarisches, zudem viel Rrrhetorik und Spekulatiusss – das kommt nie gut (an).
    Den Widerspruch kann ich nachvollziehen. – Und gute Partys kosten.

    Lasst uns gemeinsam hoffen, dass keine Extremisten unterwegs sind und dass das Wetter besser wird.
    Tour in D – find ich ganz gut (kommt ja auch in NE vorbei, 500m von meiner Tür!).

    • Rainer Bartel am

      Wir finden eben, dass die Party zu teuer ist. Oder wie ein Kollege schrieb: 1 Grand Depart = 0,5 Schauspielhaus-Sanierungen.

      Ansonsten: Wenn wir die Reaktionen auf Facebook quantifzieren, dann gab es ungefähr zehnmal so viel Zustimmung zum Artikel wie Widerspruch. Civey sagt zudem, dass ein gutes Drittel der Düsseldorfer gegen die Veranstaltung ist.

  5. Die Fußball-WM war deutlich teurer für Deutschland und es gab weniger Bilder von den finanzierenden Städten zu sehen. Und was sagen Sie zu Quatar?

    • Rainer Bartel am

      Äh, die Fußball-WM war eine bundesweite Veranstaltung der FIFA in Kooperation mit dem DFB – wie kann man das mit dem Grand Dèpart zur Tour de France 2017 in Düsseldorf vergleichen? Überhaupt verstehe ich den ganzen Vergleich mit Fußballveranstaltungen nicht. So weit ich weiß, finden die nicht auf den Straßen statt, und die Städte müssen keine Lizenzgebühren an irgendwen abführen.

      • Die Fußball-EM 2024 kostet die Stadt zum heutigen Stand rund 4 Mio. EUR. Und die meisten Bürger werden keine Stadionkarte erhalten.