Das hatten wir schon einmal: Der geschätzte Kollegen Hajo Kendelbacher unternahm den legendären Gang zum Paul-Janes-Stadion am Flinger Broich und brachte die Geschichte und seine Fotos mit. Aber wir dachten, man müsse diese merkwürdige Straße ohne (offizielle) Wohnhäuser einmal in voller Länge abschreiten. Dabei ist diese Ortsangabe entstanden. Und die Frage danach, warum das Ding „Broich“ heißt. Denn dieses Wort steht für Sumpf. Schaut man sich den Verlauf des Flinger Broich und seine Lage an, kann man sich ungefähr denken, wie es zu dem Namen kam.

Google-Map: Flinger Broich

Google-Map: Flinger Broich

Betrachtet man den Flinger Broichs auf der Karte, erkennt man, dass eigentlich das langgestreckte Gebiet zwischen dem Hellweg im Norden und der Bahnlinie im Süden gemeint ist. Tatsächlich handelt es sich um eine Senke, die man sich gut als morastiges Sumpfgelände vorstellen kann. Die muss den Bauern vor einigen Hundert Jahren tierisch auf den Geist gegangen sein. Flingern war ein Dorf, von dem aus großflächig Felder bewirtschaftet wurden, so weit sich das Land urbar machen ließ, der Flingerer Bruch widersetzte sich also der Expansion.

Übrigens: An diesem Straßennamen lernen wir auch, wie das Adjektiv zum schönen Ort Flingern lautet: einfach flinger, weder flingerer, noch gar flingeraner. Weil es sich also um ewiges Brachland handelt, gibt es eine Straße namens Flinger Broich noch nicht sehr lange; vermutlich erst seit etwas mehr als 100 Jahren. Wesentlich älter ist dagegen der Hellweg, und selbst die Eisenbahntrasse dürfte älter sein. Zwar handelt es sich nicht mehr um die Linienführung der ersten Strecke Düsseldorf-Elberfeld, aber um den 1891 eingeweihten neuen Bahndamm. In die Zeit zwischen der Eröffnung der Linie 1838 und dem genannten Datum fällt die radikale Veränderung: Flingern wird vom Bauerndorf zum Industriestandort.

Sportstätten und Betriebe

Das erkennt man sofort am Anfang des Flinger Broich. Von der Vennhauser Straße geht es am Kraftwerk Flingern links ab und unter dem bewussten Bahndamm hindurch. Der ganze Bereich links des Broichs bis hoch zur Rosmarinstraße wurde und wird größtenteils von mittelständischen Betrieben ganz unterschiedlicher Art genutzt – historisch gehört dieses Gelände eher zu Flingern-Nord, also der Region Richtung Flur-, Licht- und Bruchstraße. Rechterhand fand sich noch bis Anfang der Sechzigerjahre wildes Brachland. Nur ganz vorne gab es drei Sportplätze verschiedener Verein. Ab 1964 wurde dann im östlichen Bereich die Müllverbrennungsanlage (MVA) gebaut, deren Schornstein zu einer Art Wahrzeichen von Flingern Nord und Wegweiser zum Paul-Janes-Stadion geworden ist.

Von den Sportvereinen ist keiner mehr hier. Das Clubhaus vom ehemals dort angesiedelten und in der Leichtathletik recht erfolgreichen TuS Nord dient jetzt als Flinger Schützenhaus. Zuvor hatte Alemannia 08 die Anlage übernommen und über Jahrzehnte als Fußballplatz betrieben. Ein paar Meter weiter ist die Boxhalle entstanden, die zeitweise Frankenheim-Halle hieß und heute ein Jugendboxzentrum beherbergt. An der MVA kreuzt der Broich die Rosmarinstraße und wird zum einem Stück deutscher Fußballgeschichte. 1930 bezog der TSV Fortuna Düsseldorf 1895 seinen neuen Fußballplatz auf einem Grundstück, das ihr von der Stadt kostenlos zur Verfügung gestellt worden war – wie übrigens von hier aus bis fast zum Ende einer ganzen Reihe von Sportclubs. Bis 1990 hieß das Stadion hochoffiziell „Fortuna-Platz“, so wie heute noch die Bushaltestelle auf der Rosmarinstraße beschriftet ist.

Zwischen Paul-Janes-Stadion und dem Hellweg

Heute heißt das Ding, benannt nach dem großen Düsseldorfer Fußballer, „Paul-Janes-Stadion“ und ist die Spielstätte der U23 von Fortuna, unter Fans als „Zwote“ bekannt. Bis 1952 trug F95 hier alle Pflichtspiele aus; meist vor um die 20.000 Zuschauer. Nach dem Errichten einer Zusatztribüne fanden sich am 22.10.1950 im Meisterschaftsspiel gegen den FC Schalke 04, das mit 2:3 verloren ging, rund 36.000 Zuschauer ein – ein Rekord für die Ewigkeit. Man zog 1952 ins renovierte Rheinstadion um und nutzen den Fortuna-Platz nur noch als Ausweichspielstätte – zum Beispiel in der Zeit, als das Rheinstadion für die WM 1974 umgebaut wurde. Erst nach dem tiefen Fall in die Viertklassigkeit kehrte der Verein mit seiner ersten Mannschaft wieder hierher zurück.

Heute heißt es Toni-Turek-Haus, früher war es immer einfach die „Geschäftsstelle“, die inzwischen in die Arena umgezogen ist. Was heute Bar95 heißt, war früher das Clubhaus. Und alles drumherum gehört inzwischen zum Nachwuchsleistungszentrum (NLZ). Das soll sich bald ausdehnen auf das Gelände des SC Flingern 08, dem zwangsfusionierten Verein, der 2013 pleiteging. Ursprünglich lebten an dieser Stelle der DSC Alemannia 08 und die DJK Rheinfranken friedlich nebeneinander. Dann erzwang die Stadt die Verbindung zum DJK Flingern, der die Umbenennung in SC Flingern folgte. Auslöser für die Pleite: der marode Zustand von Vereinsheim und Anlage. Damit gab es außer der Fortuna keinen weiteren Sportverein mehr am Flinger Broich – außer den Freien Schwimmern, die ihr Clubhaus an die S-Manufactur verpachtet haben, aber eben keine eigene Anlage mehr betreiben.

Dauerbaustelle Allwetterbad

Denn eigentlich war das Allwetterbad DER Standort der Freien Schwimmer, mit fast 2.000 Mitgliedern immer noch einer größten Sportvereine der Stadt. Wenn F95-Fans immer von der Fortuna als „Arbeiterverein“ reden, dann ist das bestenfalls Schönmalerei, denn es waren die Freien Schwimmer, die sich bei der Gründung 1910 als Teil der Arbeiterbewegung verstanden und sich mit den eigenen Händen ein Vereinsgelände am Flinger Broich schufen. So entstand 1930 das Freibad, aus dem das Allwetterbad entstand. Die Nazis verboten den Verein, beschlagnahmten das Gelände samt Bad, aber die Freien Schwimmer trafen sich weiter im Geheimen. Nach dem Krieg bauten sie das Bad wieder auf, das schon 1950 wiedereröffnet werden konnte.

Das Geld reichte nicht, das wunderbare Band mit seinen drei Becken auf eigene Kosten zu erhalten. So ging das Grundstück 1977 in den Besitz der Stadt über, die im Gegenzug die Sanierung finanzierte und … das berühmt-berüchtigte Zeltdach bauen ließ. Die Idee: Im Sommer Freibad, im Winter Hallenbad, damit Schwimmsportler jederzeit Trainingsmöglichkeiten haben. Vor allem die Bürger aus den umliegenden Stadtteilen nahmen das neue Freibad an. Im Sommer waren es bis zu 50.000 Badegäste, die gleichzeitig auf den Wiesen lagerten und sich im Wasser tummelten. Aber mit der Zeit wurde das Zelt mürbe, das Innere im Winter aufzuheizen, war kaum noch zu finanzieren, also wurde das Bad 2012 für den öffentlichen Betrieb geschlossen. Bis heute nutzen nur Schulen und Vereine das 50-Meter-Becken zum Trainieren.

Die Chancen, das dieses herrliche Bad demnächst in neuem Glanz erstrahlt, stehen nicht so schlecht. Allerdings müssten außer den Schwimmbecken selbst fast alle Bauten abgerissen und ersetzt werden. Damit ginge der eigenartige Charme des Waschbetons, den man im Eingangsbereich und den Umkleiden findet, allerdings verloren.

Der Rest

An der Nordseite des Flinger Broich zwischen Rosmarinstraße und Hellweg wird die Vergangenheit des Gebiets sichtbar. Den größten Teil der Fläche belegen Kleingärten, von denen manche halblegal dauerhaft bewohnt werden. Einige Häuser haben sogar Hausnummer – allerdings dem Hellweg zugehörend. Ganz vorne gibt es zwei geheimnisvolle Lagerplätze, die von scharfen Hunden bewacht werden. Der wird von einem Schausteller-Clan genutzt, der eine Besucher auf dem Platz duldet. Daneben hat sich vor gut 20 Jahren das Chapiteau mit seinem wunderschönen alten Zirkuszelt angesiedelt, das man für Veranstaltungen jeder Art mieten kann.

Und das östliche Ende? Das ist ein Kuriosum, denn sowohl das Verbindungsstück zum Hellweg, als auch der Wurmfortsatz in Richtung Bahnlinie heißen weiter Flinger Broich. An der Gabelung gibt es ein Gewerbegebiet, das den hochtrabenden Namen „Fortuna-Park“ trägt, aber weder nach Fortuna, noch nach Park aussieht. Der besagte Fortsatz windet sich um einen Parkplatz herum und unter dem Damm der Güterbahnlinie hindurch bis zum Gelände des Eisenbahnersportvereins Blau-Weiß. Hier gibt es tatsächlich einen richtigen Fußballplatz mit Tribüne – beides allerdings in schlimmem Zustand. Das ehemalige Clubheim samt Gelände drumherum ist vor einigen Jahren verpachtet worden, hier residiert der Yellowstone Indianer e.V. mit seinem Erlebnispark.

Vom ESV sind zwei Rest vor Ort geblieben: der Tennisclub mit seinen Plätzen und die Sportschützen, die im hintersten Winkel ihre Schießanlage haben. Insgesamt findet man hier im Gleisdreieck einer der skurrilsten Ecken der Stadt.

7 Kommentare

  1. Kleine Anmerkungen:

    Die Bewohner von Flingern heißen aber Flingeraner und nicht „Flingerner“, wie manche Zeitungen schreiben.

    Nach dem Umzug der Spiele ins Rheinstadion trainíerte die Mannschaft aber noch lange Jahre im (heutigen) PJS. Das Clubheim (eine Holzhütte) stand links neben der Tribüne, und hier hat Pitter Meyer tatsächlich (also keine Legende) vor und nach dem Training sein Alt getrunken. Ich war als Pico fast jeden Tag da.

    War die Fusion nicht DJK Rheinfranken und Alemannia 08? Die Alemannia wurde doch „zwangsumgesiedelt“, weil ihr Platz den Schützen zugesprochen wurde. Von Alemannia 02 habe ich nie was gehört.

    Supporter schreiben Zwote ohne Anführungszeichen:-))

    • Rainer Bartel am

      Danke für die Informationen und gefundenen Fehler. Aus „02“ habe ich „08“ gemacht, aber die „Zwote“ lass ich aus journalistischen Gründen mit Anführungszeichen ;–)) Wenig bekannt ist übrigens, dass vor Alemannia 08 in den frühen Sechziger tatsächlich der TuS Nord die Sportstätte direkt an der Unterführung betrieben hat – mein Bruder und ich haben da Leichtathletik trainiert; ich hab den Gerucht vom Koksgas aus dem Kraftwerk noch heute in der Nase.

  2. Friedrich Schacht am

    Hallo Rainer,

    der alte Platz von Alemannia 08, ganz am Anfang des FB, wo jetzt der Schützenverein ist, war von 1919 bis 1930 der Sportplatz unserer Düsseldorfer Fortuna. Es gab dort sogar eine überdachte Tribüne. Zuvor spielte man am Lichtplatz, ab 1930 am heutigen Standort des FB (PJS).

    Gruß von der Geschichts-AG!
    Friedie

  3. 2003 fusionierte Rheinfranken Dmit Alemannia 08 zur DJK SC Flingern 08. Daher hat oder musste Alemannia 08 den Platz am Flinger Broich 3 aufgegeben. Der Schützenverein war daher froh, endlich (nach über 135 Jahren) ein Zuhause zu haben. Der Verein Freie Schwimmer hat das Gebäude verkauft und nicht verpachtet. Und es gibt tatsächlich Wohnhäuser am Flinger Broich. Rechts vor der Unterführung zu Blau-Weiss gibt es eine kleine Wohnsiedlung.
    Viele Grüße vom Schützenverein Flingern
    Karin H.

    • Rainer Bartel am

      Vielen Dank für die vielen Korrekturen! Leider war der Kommentar aus unerfindlichen Gründen im Spamordner gelandet.