Ziemlich genau in Nord-Süd-Richtung verläuft sie, eingeklemmt zwischen einem Friedhof und der Bahnlinie, rund 800 Meter lang und ohne jede Seitenstraße: die Hoferhofstraße in Unterrath. Und weil sie so ziemlich abgeschottet ist vom Rest des Stadtteils, ist die Hoferhofstraße beinahe ein Dorf im Dorf. Zwei Jahre habe ich in einem der Mannesmann-Häuser am oberen Ende am Plätzchen gewohnt; meine Schwester wohnt schon mehr als ihr halbes Leben dort. Gerade die Bewohner der acht Häuser, die einst den Arbeitern im Rather Mannesmann-Werk vorbehalten waren, sind die Eingeborenen, denn nicht selten übernehmen die Kinder das Haus, das zuvor schon den Eltern und davor den Großeltern gehört hat. Entlang der Straße gibt es kein Haus mit mehr als zwei Etagen, es finden sich klassische Einfamilienhäuser, kleine Mietshäuser aus den Sechzigerjahren und erheblich umgebaute Häuschen unbestimmter Herkunft. Alle diese Häuser haben Gärten. Auf der Westseite grenzen diese über fast die ganze Länger der Straße an den Unterrather Friedhof; auf der anderen Seite bildet die vier Meter hohe Lärmschutzwand den Abschluss der Gärten.

Dahinter fährt nicht nur die S-Bahn im engen Takt vorbei. Mehrmals pro Stunde rauscht ein IC oder ICE vorbei, und das hört man dann in den Häusern auf der Ostseite. Auf der Friedhofsseite ist es dagegen natürlich still. Und so nah gerade das Nordende am Flughafen liegt, so wenig Düsenlärm ist zu hören. Man kann nicht sagen, dass die Bewohner der Hoferhofstraße eine Gemeinschaft bilden – besonders seit einer Welle von Zugezogenen ohne jeden Bezug zu Unterrath. Und trotzdem herrscht dort eine angenehme Nachbarschaft, weil man sich einfach in Ruhe lässt. Überhaupt herrscht in der Straße meistens Ruhe. Wer an einem Sommersonntagmorgen die 800 Meter von Nord nach Süd spaziert, spürt den Frieden dieser Siedlung, die keine ist.

Kaum jemand weiß, woher der Name „Hoferhofstraße“ stammt. Auf den Seiten der Geschichtswerkstatt findet sich ein kurzer Text, der Anhaltspunkte liefert. Unter anderem wird klargestellt, dass das heutige Unterrath das eigentliche Rath ist, also diese bedeutende Ansiedlung im Norden der Stadt, in der sich ab den 10. Jahrhundert die Salier und die Staufer aufhielten. Hier entstand einer der drei Königshöfe von Düsseldorf, der bereits 1247 urkundlich erwähnt wurde. An ihn erinnert die Straße „Am Königshof“ jenseits der Bahnstrecke. Zwischen dem oberen Ende der Kalkumer Straße und der Westseite der Kürtenstraße lagen nicht nur der Königshof selbst, sondern mehrere Ritterhöfe und Klöster. Der historische Zusammenhalt Raths wird heute durch die Bahnstrecke brutal zerschnitten. Das sieht man am deutlichsten ganz am Ende der Unterrather Straße, die an der Lärmschutzwand endet…

Aus dem Königshof wurde einige Jahrhunderte nach seiner Gründung der Hoferhof. Der Name geht nicht auf einen Großgrundbesitzer namens „Hofer“ zurück; anzunehmen ist eher, dass „der Hof der Höfe“, also das bedeutendste Gut der Gegend so beschrieben wurde. Die Hoferhofstraße liegt ungefähr da, wo der ehemalige Grenzweg des Hofes verlief. Dass die lange Straße mit den zwei markanten Knicks eigentlich zu dem gehört, was heute Rath heißt, kann man schon daran ablesen, dass hier eben viele Mannesmann-Arbeiter wohnten. Und das galt so lange wie in Rath Röhren gezogen werden. Nach dem Krieg waren die Mannesmann-Häuser durchweg beschädigt, meistens war der Dachstuhl abgebrannt. In dem Haus, in dem ich seinerzeit wohnte, hatte sich der Eigentümer zu helfen gewusst und einen neuen Dachstuhl aus Röhren gebaut, die er aus dem Werk mitnahm. Und noch bis weit in die Sechzigerjahre, berichtete mir einer der Eingeborenen, hielten viele Anwohner Hühner und Karnickel, manche hatten sogar noch ein Schwein im Stall. Jetzt sieht man eher die hochwertigen Autos der Besserverdiener, die in den letzten Jahren auf die Hoferhofstraße gezogen sind.

3 Kommentare

  1. kassandra am

    Die Hoferhofstraße – der Sehnsuchtsort vieler Familien mit kleinen Kindern. Auch unsere sind dort aufgewachsen. Sie erzählen heute noch begeistert davon, wie viele Abenteuer sie in der Freiheit des großen Gartens erleben durften: Große Feuer machen, Sandburgen im überdimensionalen Sandkasten bauen, Tiere beobachten, in Nachbars Garten Mirabellen, Birnen und sonstiges klauen …. Nicht nur, dass viele Kindergartenfreunde immer wieder gerne kamen, sondern auch Cousins und Cousinen! Klar, dort wo die großen Gärten sind, hört man auch die Bahnen vorbeifahren. Daran kann man sich aber besser gewöhnen als an das ständige Brummen von Automotoren oder womöglich laute Motorräder.

    Und: Auf der Friedhofseite ist es eben nicht still! Die Bewohner mit denen wir häufigen Kontakt pflegen und die dort wohnen, klagen schon, dass der Fluglärm seit einigen Jahren zugenommen hat und sehr wohl zu hören ist – je nachdem wie der Wind ausgerichtet ist.

    Schön ist es, auf dieser begehrten Straße zu wohnen und sich beim Nachbarn auch mal ein Ei oder Mehl ausleihen zu können!

  2. Sandra Lehmann am

    Im Haus Unterrather Str. 22 habe ich meine Teenyjahre verbracht, kurz vor dem Tunnel.

    Kann sich noch jemand an die kleine Kneipe ganz am Ende erinnern, die „Mücke“?

    Gegenüber muss noch früher auch mal eine Gaststätte gewesen sein, als wir dort hin zogen (ca. 1982) war das Haus schon abgerissen, aber man konnte noch die Kegelbahn im Keller erkennen.