Es geht wieder mal nach dem Motto „Verschon mein Haus und zünde das des Nachbarn an“, auch St. Florian-Prinzip genannt. Die Fakten liegen allerdings ziemlich klar: Entweder, wir bringen mehr Waren und Güter, sprich Container, auf Binnenschiffe, oder wir haben exorbitant mehr Lastwagen auf den Straßen in und um Düsseldorf. Und darum geht es eigentlich beim geplanten sogenannten Reisholzer Hafen.

Die Bürgerinitiative „Hafenalarm“ hat vor der Sitzung des Hauptausschusses am Montag einen offenen Brief an Ratsmitglieder verschickt. Dass die Initiative jetzt die mangelnde Transparenz bei den Entscheidungsfindungen kritisiert, scheint aber nur vorgeschoben. Wer wie wir seit 2013 erlebt hat, wie bei Bürgerinformationen mit ungehobelten Formulierungen gegen den Hafenausbau insgesamt polemisiert wurde, kann nicht glauben, dass es jetzt nur um Transparenz geht. Es geht wohl darum, den Ausbau eines Industriestandorts und eines Hafens mit lediglich rund 1000 Metern Länge am Ufer zu verhindern.

Es geht wohl eigentlich darum: Wir wollen, dass alles bleibt wie es ist. Das ist in einer Industriestadt, in der Industrebetriebe abwandern können, als Standpunkt nicht besonders zukunftsfähig.

Das in „nicht öffentlicher Sitzung“ abgestimmt werden soll, wie die Initiative kritisiert, hat schlicht mit Gesetzen zu tun: Vertragsvereinbarungen und dazugehörige Prozedere dürfen nicht öffentlich verhandelt werden.

Worum es geht: Industrie und Hafengesellschaft (NDH) wollen den Kai am Rheinkilometer 722/ 723 zu einem Umschlagplatz für Schwergüter und für Container ausbauen. Zitat aus der offiziellen Begründung: Henkel, BASF, oder Komatsu nutzten den Hafen bereits. „Im Hafen selbst und im angrenzenden Industriegebiet liegen große Flächen brach…. Im Zuge des Masterplans Industrie haben der Industriekreis Düsseldorf, die IHK Düsseldorf und die Landeshauptstadt Düsseldorf die Idee entwickelt, den Reisholzer Hafen zu einem multimodalen Mehrzweckhafen für die Unternehmen vor Ort auszubauen. So könnte die logistische Anbindung der Industrie im Düsseldorfer Süden verbessert werden. Gleichzeitig stellt das Vorhaben einen aktiven Beitrag zur Verlagerung von Güterverkehren auf die umweltfreundlichen Verkehrsträger Binnenschiff und Bahn dar.“

Dazu weitere Fakten: Ein Binnenschiff mit Containern ersetzt im Minimum 80 LKW. Vom Seehafen Rotterdam aus werden sehr viele Güter nach NRW transportiert. Wenn ein Seeschiff aus Übersee entladen wird, und alle Container kämen auf einen LKW, würden mehr als 800 LKW in Richtung NRW rollen. Von einem einzigen Seeschiff – in Rotterdam liegen aber pro Tag mehrere. Die Schwerguttransporte, etwa der international tätigen Kranbauer in Reisholz (große Kräne für Seehäfen), sind über Land kaum noch zu realisieren. Es gibt auf dem zur Planung stehenden Areal eine Industriebrache, die unter anderem für einen Containerumschlag genutzt werden könnten, den Unternehmen wie Henkel nutzen könnten.

„Der Rhein kann und darf keine Ersatzautobahn sein!“ schreibt die Initiative auf ihrer Website. Das grenzt schon an Realitätsverlust: Alle Welt betont, dass wir mehr Güter auf Binnenschiffen transportieren müssen, weil unsere Straßen eh schon überlastet sind vom LKW Verkehr und Straßen und Brücken den zunehmenden LKW Verkehr nicht mehr aushalten. Der Rhein aber hat nach vielen unterschiedlichen Berechnungen noch Kapazitäten.

Schon die Behauptung, am Reisholzer Ufer (knapp 1000 Meter insgesamt) würde ein „großer Containerhafen“ entstehen, ist schlichtweg Humbug. Für einen großen Containerhafen reicht die Uferlänge gar nicht aus.

Die Initiative schreibt: „Wir rechnen mit täglich ca. 1300 zusätzlichen LKW-Bewegungen im Düsseldorfer Süden und mit dem Stau an der Verkehrsachse Bonner Straße / Ecke Niederheid durch ca. 300 m lange Containerzüge. Impulslärm, vermehrte Stickstoffoxyde und Feinstaub werden unser Leben beeinträchtigen. Und das bei jetzt schon täglichem Stau auf der Münchener Straße!“

Ja, die An- und Abfahrten müssen möglichst Quartiersverträglich geregelt werden. Allerdings sind 1300 LKW wohl übertrieben, da wäre der gesamte Stadtsüden dicht. Die Bezirksregierung prüft ja inzwischen die Einwände der Anwohner unter anderem zur Verkehrsentwicklung.

Und bitte, liebe Anwohner: Selbst wenn die Warenströme aus Übersee und europäischen Ländern auch nur gleich bleiben, wird es ohne Verlagerung des Güterverkehrs auf die Binnenschiffe – und erst Recht der Verlagerung des Schwergutverkehrs – zu wesentlich mehr LKW auf den Straßen rund um die Stadt, auf den Zufahrten zu den Industriegebieten in Düsseldorf kommen. Diese höhere Belastung müssten allerdings viele Düsseldorfer außerhalb des Stadtsüdens aushalten.

Kein Dreck und Lärm bei mir, aber gern bei den anderen in der Stadt – das nennt man St. Florian-Prinzip. Es sind vielleicht 200 Anwohner, vielleicht auch ein wenig mehr. Dem gegenüber stehen Transporte durch Lastwagen durch die Wohngebiete von weit über 300.000 Haushalten. Im Englischen heißt das Florians-Prinzip treffend „Nimby“ – „Not in my backyard“, nicht in meinem Hof.

Fische im Rhein seien bei einer Havarie gefährdet, fürchtet „Hafenalarm“ – mal ehrlich, Leute: Wenn vor der Altstadt ein Tanker nach einer Havarie explodiert, ist die längste Theke der Welt für Wochen arg verkürzt. Das ist auch ein Risiko, mit dem wir leben müssen. Aber wie viele Havarien hatten wir bisher denn im Raum Düsseldorf, die Fische gefährdeten? Da sind doch wohl die Pestizide, die ins Wasser gelangen, weit gefährlicher.

Die Grünen haben in einer Pressemeldung darauf hingewiesen, dass auch sie mehr Transparenz möchten. Stellen aber klar: „dass mit dem anstehenden Beschluss zur Gründung einer Entwicklungsgesellschaft keine Entscheidung über den Ausbau des Reisholzer Hafens getroffen wird. Die Gründung einer „Projektentwicklungsgesellschaft“ ist bereits seit Beginn der Projektidee geplant und wurde seit dem Jahr 2013 mehrfach verschoben. Die Gesellschaft setzt somit den begonnenen Prozess fort und hat die Aufgabe, die ausstehenden Untersuchungen und Planungen durchzuführen – auch das von Ihnen zu Recht als ausstehend angeführte Verkehrsgutachten gehört dazu.“

Und weiter : „Unser Ziel ist die Verlagerung heutiger LKW-Verkehre auf Binnenschiffe und Schiene, keine Verkehrsvermehrung durch einen überregionalen „Hub“. Da wir hierfür reale Chancen sehen, stehen wir dem Projekt anders als Sie nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber sondern kritisch-konstruktiv.“

Um es nochmals zu betonen: Machbarkeitsstudie heißt das, was jetzt auf den Weg gebracht werden soll von einer zu gründenden Projektgesellschaft. Und dabei soll geklärt werden, was machbar ist. Nicht: was gemacht wird.

Auch Philipp Tacer (SPD), Vorsitzender im Umweltausschuss, macht gerade mit Blick auf die Schwerguttransporte am Reisholzer Hafen klar: „Wir brauchen dringend eine ökologische Art, Schwergüter zu transportieren, und das geht am besten auf Binnenschiffen. Wenn es zur Planung kommt für den Reisholzer Hafen, werden wir auch darauf dringen, ökologisch wertvolle Ausgleichsflächen zu schaffen. Ich habe mir das kürzlich in Rotterdam angesehen, dort ist ja sogar ein Vorzeigeprojekt dieser Art entstanden.“

Nochmals: Machbarkeitsstudie heißt das, was jetzt auf den Weg gebracht werden soll von einer zu gründenden Projektgesellschaft.

Der Rat der Stadt wird wohl am 10. Dezember im öffentlichen Teil der Sitzung über die Machbarkeitsstudie und die Projektgesellschaft debattieren. Im Hauptausschuss wurde das Thema auf die Ratssitzung geschoben.

(Kommentar Jo Achim Geschke)

ndoz
Zuerst erschienen in der Neuen Düsseldorfer Online-Zeitung

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