Auch wenn die Wikipedia eine schöne kurze Erklärung liefert, was es mit Windhundrennen auf sich hat, möchte ich gern ein bisschen davon erzählen, wie das geht mit dem Rennen der Schnellköter auf der Rundbahn. Und zwar aus der frisch erworbenen Praxis. Denn unser Sloughi-Kerl Clooney ist jetzt seit Mitte April im Renntraining. Wenn ich bei den Hundegängen anderen Tölenhaltern davon erzähle, kommen immer wieder dieselben Fragen auf. Fragen, die ich auch hatte, bevor mit Pina der erste Windhund ins Haus kam. Die meistgestellte Frage in Düsseldorf lautet: Ach, da lassen sie den Hund oben in Grafenberg rennen? Dort befindet sich bekanntlich eine Galopprennbahn. Und die ist für Pferde gedacht, zumal eine Runde immerhin gut 1,8 Kilometer lang ist – zu viel für einen Windhund. Dafür gibt es im Umkreis von gut 100 Kilometern aber sechs Windhundrennbahnen (Hahn-Hochdahl. Gelsenkirchen, Issum, Köln, Venlo und Stolberg), die teilweise schon seit 100 Jahren existieren.

Apropos Pferderennen: Im Gegensatz zum Galopp- und Trabersport gibt es bei den Windhunden eben auch eine Amateurvariante. Genauer: Nachdem professionelle Greyhound- und Windhundrennen in Europa bis auf zwei Ausnahmen aus Tierschutzgründen verboten sind, besteht der Hunderennsport fast nur noch aus Amateurrennen. Während bei den Profis aktuell nur noch Greyhounds (in Irland und England) rennen und es in Spanien zusätzlich auch Galgo-Rennen gab, sind Amateurrennen für alle laut FCI (Fédération Cynologique Internationale) den Windhunden zugerechneten Rassen zugelassen und werden auch durchgeführt. Dabei gibt es klar formulierte Regeln und ein System von Auszeichnungen, das dem bei Ausstellungen ähnelt. Denn auch beim Rennen ist das übergeordnete Ziel die Zuchtwahl. Bei Hundeausstellungen werden ja die Köter prämiert, die den jeweiligen Rassestandard am besten repräsentieren. Und wenn einer Hündin oder einem Rüde dieser Status zugestanden wurde – man sagt, er bzw. sie wurde „angekört“ -, ist der Hund für die Zucht zugelassen. So wird dafür gesorgt, dass die Merkmale einer solchen Hunderasse möglichst erhalten bleiben. Bei den Windhunden zählt eben das Rennvermögen, die läuferische Leistung dazu. Und die wird bei Rennen festgestellt.

Hundezucht ist eine Kulturleistung
Dazu ein kleiner Exkurs, weil Fragen zur Hundezucht immer wieder merkwürdige Vorurteile, besonders bei hysterischen Tierschützern hervorrufen. Man muss es ganz klar sagen: Hunde für bestimmte Zwecke zu züchten, ist eine kulturelle Menschheitsleistung, die vor ungefähr 20.000 Jahren „erfunden“ wurde. Die Ko-Evolution von Mensch und Hund, also die gemeinsame Entwicklung aufeinander zu – eine einzigartige Geschichte innerhalb der Evolution – begann wesentlich früher. Und die bewusste Bindung von Herr und Hund aneinander begann vermutlich vor gut 30.000 Jahren. Insofern ist der Haushund als Rassehund ein Stück Kultur der Menschheit- sein Anteil „Natur“ ist dabei nicht wesentlich größer als beim Menschen selbst. Leider halten viele Menschen Tier auch dann noch für Teile der Natur, wenn es sich um Haustiere handelt, die der Mensch über Jahrtausende hinweg per Zuchtwahl so verändert hat, dass sie ihm maximalen Nutzen bringen. Besonders falsch ist diese Annahme beim Canis familiaris, dem einzigen Tier, dass dank der Ko-Evolution über zwei komplett verschiedene Sätze an Verhaltensmustern verfügt: eines für den Umgang mit anderen Hunden, einen für die Beziehung zu Menschen.

Die sogenannten „asiatischen“ Windhunde, zu denen der persische Saluki und der nordafrikanische Sloughi zählen, werden nach den neuesten Erkenntnissen seit mindestens 15.000 Jahren auf maximale Laufgeschwindigkeit und den Einsatz als Hetzhunde für Kleinwild gezüchtet; es gibt Bestrebungen, den asiatischen Windhund zum Weltkulturerbe zu erklären.

Rennt der Hund gern?
Erst wer einmal bei einem Rennen dabei gewesen ist und sich die Fiffis vor und während eines Rennens näher angesehen hat, kann ermessen, WIE gern die Hunde rennen. Unser Clooney erweist sich zunehmend als Renn-Junkie, der schon verrückt wird, wenn wir uns dem Gelände der Bahn in Stolberg auch nur nähern. Fotos zeigen eindrucksvoll, in welchem Maße ein Windhund beim Rennen bei sich ist, wie sehr er in diesen Momenten genau das tut, wofür er bestimmt ist, was sein Wesen ist, seine Lieblingsbeschäftigung, sein Lebenszweck. Außerdem: Es gibt keine Möglichkeit, einen Hund zum Rennen zu zwingen. Bei Pferde geht das, weil es sich um Fluchttiere handelt, die einem Schmerz oder eine Drohung durch Davonlaufen entgehen wollen. So reagiert ein Kanide grundsätzlich nicht. Wenn der Windhund nicht rennen will, gibt es nichts, was ihn dazu zwingen könnte.

Muss der Windhund das Rennen lernen?
Nein, das schnelle Laufen muss der Rennköter nicht lernen, das kann er, das will er. Und eben nicht bloß auf der Bahn. Was er aber lernen muss, ist das Prozedere beim nach Regeln ausgeführten Rennen auf der Bahn. Man sagt: Der Hund wird antrainiert. Das ist genau das, was gerade mit unserem Clooney passiert. Bahnrennen finden auf Sand oder Gras mit einer Rundenlänge von 480 Metern statt. Kleinere Rassen laufen teilweise Teilstücke von 280 oder 380 Metern, es gibt auch Sprintrennen über die 80 Meter lange Start- und Zielgerade. Ansonsten sind die Bahnen geformt wie die in Sportstadien für menschliche Läufer: zwei Geraden sind durch je eine U-förmige Kurve verbunden. Die Bahn auf dem Hügel oberhalb des Dreiländerecks bei Stolberg hat aus Platzgründen nur eine Länge von 380 Metern. Die Runde ist also 300 Meter lang, die 80 Meter lange Startgerade wird am Ende auf dem Weg zum Ziel noch einmal durchlaufen.

Damit alle Teilnehmer eines Rennens gleichzeitig loskommen, wird – ähnlich wie beim Galopprennen – aus einer Startbox gerannt. Die ist in Richtung Bahn durch Gitter verschlossen, die auf Knopfdruck nach oben wegklappen. Zuvor muss jeder Teilnehmer von seinem Halter – wie man sagt – eingesetzt werden. Die Tür an der Rückseite wird geöffnet und der Hund hineingesetzt oder -geschoben. Dann wird die Tür geschlossen. Wenn alle Renner drin sind, gibt der Starter ein Signal. Der Hase – von dem noch die Rede sein wird – setzt sich in Bewegung, das Gitter geht auf, die Meute stürmt los. Der künstliche Hase hängt an einem Seil, das über Lenkrollen so läuft, dass er mit einer Winde genau einmal um den Kurs gezogen werden kann. Auf halber Höhe oder am Ziel sitzt der Rennleiter auf erhöhtem Platz und bedient die Winde. So reguliert er die Geschwindigkeit, denn der Hase darf nicht zu weit vom Führenden entfernt sein und natürlich nicht so nah, dass er gefangen würde. Nur wirklich erfahrene Windhundrennkenner können das, denn sie müssen nicht nur die sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Rassen kennen und deren besonderes Hetzverhalten, sondern auch noch flexibel auf das Verhalten der beteiligten Meute reagieren.

Hetztrieb vs Jagdtrieb
Selbst erfahrene Windhundkenner kennen den Unterschied zwischen dem Hetz- und dem Jagdtrieb nicht. Beim Jagdtrieb zwingt der Instinkt einen Hund, einer potenziellen Beute nachzujagen um sie zu fangen, also sie zu beißen oder sich in sie zu verbeißen. Der Hetztrieb löst aus, einer Beute so lange zu folgen bis diese „aufgibt“, also nicht weiter flüchtet. Bei der Jagd nach Kleinwild, also vor allem Hasen und Kaninchen wird der Hetztrieb gebraucht, denn die Hetzhunde sollen das Wild dem Jäger zutreiben. Allerdings liegen beide Triebe evolutionär bedingt so nah beieinander, dass sie sich oft überlagern. Der ideale Windhund hat einen ausgeprägten Hetz-, aber einen schwachen Jagdtrieb. Wes Instinktes Kind eine Töle ist, kann man am Ziel sehen: Köter mit mehr Jagdtrieb stürzen sich auf den künstlichen Hase, beißen hinein, schütteln den und wollen ihm am liebsten mitnehmen. Ist der Hetztrieb stärker, endet die wilde Jagd damit, dass der Windhund den Tod des künstlichen Hasen feststellt und nach einem mehr oder weniger symbolischen Biss von ihm ablässt.

Bei erfolgreichen Rennhunden ist der Hetztrieb extrem; so extrem, dass die nicht einmal einen künstlichen Hasen mit Fell brauchen. Bloßes Flatterband löst, wenn es vorbeifliegt, den Trieb aus und wird nach allen Regeln der Kunst gehetzt. Ob und in welchem Maße ein echtes Hasenfell wie es in Stolberg gezogen wird mehr reizt, hängt auch von der Rasse ab. So sind beispielweise Greyhounds dermaßen renngeil, dass es ihnen egal, was da vor ihnen fliegt, während Whippets das Fell lieben.

Aufsatteln und einsetzen
Beim Antrainieren lernt der Windhund als erstes, aus der Startbox heraus loszurennen. Beim allerersten Mal darf er noch neben dem Kasten starten, dann aber muss er durch die vorne und hinten geöffnete Boxen gehen. Dabei wird ihm mit dem Hasen vor dem Haus herumgewedelt. Später führt man ihn ein paar Mal durch die Box; eine Person setzt ihn hinten ein, eine andere fängt ihn vorne wieder auf. Die nächste Stufe ist dann, bei geschlossenem Gitter in den Kasten zu gehen und zu starten, wenn der Hase anfängt sich zu bewegen. Erst wenn das sicher funktioniert wird die Box geschlossen sobald der Rennköter drin ist. Bei richtigen Rennen ist es zudem wichtig, dass es der Läufer auch eine Weile in der geschlossenen Box aushält, weil es bei den Teilnehmern oft sehr unterschiedlich lang dauert bis alle drin sind.

Beim Einsetzen gibt es bewährte Techniken, den Hund hineinzubugsieren und daran zu hindern, rückwärts wieder rauszukommen. Denn selbst unter erfahrenen Rennern gibt es welche, die nicht einfach so in die Box gehen und dort bleiben. Bei solchen Waldis ist der Spannungspegel so hoch, dass sie einfach nur los wollen – egal wie. Angst vor der Box haben nur wenige Kandidaten, und wenn die beim Antrainieren nicht schwindet, hat es keinen Sinn, mit dem Fiffi Rennen anzupeilen. Wie überhaupt ein Viertel bis ein Drittel der Windhunde nicht auf der Bahn rennen wollen. Manche verstehen das Spiel einfach nicht, rennen zwar los, aber halten möglicherweise an oder ändern gar die Richtung. Wieder andere laufen dem Feld hinterher, weil sie so gern andere Hunde jagen. Schließlich gibt es die Rabauken und Zicken, die im Rennen aggressiv auf die Konkurrenz reagieren.

Auch das wird beim Antrainieren getestet, indem man den Kandidaten alsbald erstmals mit einem oder zwei Hunden zusammen laufen lässt. Geht er die Gegner nicht an, bleibt er auf den Hasen fokussiert, sagt man, er läuft „sauber“. Und das ist die wichtigste Voraussetzung dafür, die Rennlizenz zu erhalten. Vorher muss aber auch das Ritual des Aufsattelns perfekt sitzen. Jeder Hund muss beim Rennen einen Beißkorb tragen – nicht nur, damit er den Kollegen nicht in die Gräten zwickt, sondern damit er den Hasen im Ziel nicht klauen kann. Fürs Rennen werden spezielle, sehr leichte, wenig das Hecheln behinderte Körbe verwendet, die teilweise auf Maß gefertigt sind. Außerdem trägt jeder Teilnehmer eine farbige Renndecke mit einer Startnummer – jeder Nummer (von 1 bis 6, denn mehr laufen nie in einem Rennen gegeneinander) ist eine Farbe fest zugeordnet, sodass der Besitzer für seinen Rennwauwau einfach einen Satz gut sitzender Trikots mit den Farben und Nummern anschafft. Auch an dieser Stelle zicken manche Köter. An den Maulkorb gewöhnt man ihn am besten zuhause, jeden Tag ein paar Minuten mehr.

Die Rennlizenz
Ein Windhund kann nur dann an den offiziellen Rennen der internationalen und nationalen Verbände und Vereine teilnehmen, wenn er eine offizielle Rennlizenz hat. Die erwirbt er am Ende der Antrainierphase durch Lizenzläufe, die von einem Funktionär beobachtet und abgenommen werden müssen. Beurteilt wird, ob der Kandidat das Ritual (Aufsatteln, Einsetzen) beherrscht und sauber läuft. Wenn richtig und unter fachkundiger Leitung antrainiert wurde, bestehen die meisten Hunde diese Prüfung auf Anhieb. Lizenzierte Hunde kann der Halter dann bei allen möglichen Rennen quer durch Europa melden und starten lassen.

Wie schon erwähnt starten die Renntölen dann nach Rasse und Geschlecht und gegebenenfalls nach Altersklassen getrennt. Das ist allein schon wegen der erheblich unterschiedlichen Rundenzeiten sinnvoll. Denn die Greyhounds, wahre Rennmaschinen, sind auf einer 480-Meter-Bahn in der Regel drei, vier Sekunden schneller als die nächstschnelle Sorte. Rüden schaffen die Runde meist gut zwei Sekunden schneller als Hündinnen, und ab etwa dem siebten Lebensjahr werden die Viecher einfach langsamer. Nun gibt es ja von den verschiedenen Rassen unterschiedlich viele Exemplare in Deutschland und Europa, sodass nicht immer Felder von sechs oder mehr Kandidaten zustande kommen. Dann treten eben nur drei oder vier Hunde gegeneinander an.

Tatsächlich gibt es ein Mehrfaches an Whippets im Vergleich zu beispielsweise Barsois oder Sloughis. Da ein Hund aber pro Renntag nur maximal zwei Läufe absolvieren sollte, gibt es bei einigen Rennen Meldevoraussetzungen; zum Beispiel dergestalt, dass nur Hunde, die bereits irgendwo gewonnen haben, teilnehmen dürfen. Das ganze System der Titel ist ausgesprochen komplex und für Anfänger wie uns kaum durchschaubar.

Gibt’s Prämien und Wetten?
Im Amateurwindhundsport gibt es weder Siegprämien, noch kann (offiziell) auf die Hunde gewettet werden. Während ersteres nachweisbar so ist, gilt das Zocken ein bisschen als Tabuthema. Wobei Eingeweihte sagen, dass bei großen internationalen Rennen schon (inoffiziell) auf die Ausgänge der Rennen gewettet wird. Allerdings nicht nach einem Totalisatorprinzip oder bei Buchmachern, sondern unter den Haltern der teilnehmenden Hunde – dies hauptsächlich, wenn nicht ausschließlich bei Greyhounds und Whippets. Sprechen mag darüber kaum jemand.

Der Sinn des Windhundrennen ist ein durchaus tierfreundlicher, nämlich den Tölen eine artgerechte sportliche Betätigung zu bieten. Natürlich steht bei einigen Leuten auch die Leistung im Hinblick auf mögliche Zuchtbeteiligung im Vordergrund, bei den Züchtern sowieso, weil erfolgreiche Renner den Ruf des Zwingers erhöhen, damit auch die Zuchtchancen. Gerade bei eher seltenen Rassen geht es den Züchtern nicht nur darum, die Rasse zu erhalten, sondern oft auch darum, den Standard in ihrem Sinne zu beeinflussen. Dabei wird dann nicht immer mit fairen Mitteln hantiert. Otto Normalhalter – wie wir ihn in großer Zahl in der netten Atmosphäre der Rennbahn in Stolberg kennengelernt haben – will einfach seine(n) Hund(e) rennen lassen. Das bedeutet für viele auch, sich auf das Training zu beschränken und überhaupt nicht an Rennen teilzunehmen.

Geht man aber zu Rennen, dann hat man schwuppdiwupp ein Hobby. Die Saison beginnt je nach Wetterlage um Ostern herum und geht meist bis Ende September. In diesen fünf, sechs Monaten kann man den Köter je nach Rasse zu ein oder zwei Rennen pro Monat melden, also im europäischen Raum. Und das bedeutet: Reisetätigkeit mit Touren nach Finnland, Tschechien, Ungarn, Spanien, Großbritannien, Irland, Österreich, Schweiz, Frankreich und Benelux. Um aber einen internationalen Titel zu erringen, ist der Aufwand geringer, weil der Hund nur an einer ganz eingeschränkten Anzahl bestimmter Rennen erfolgreich teilnehmen muss.

Tendenz: Eislaufeltern
Es ist nicht schwer, großen Ehrgeiz zu entwickeln und auf den bzw. die Hunde zu übertragen. Menschen, die ihre Erfolgsphantasien auf die Tiere übertragen, sind im Windhundsport nicht sehr verbreitet, fallen aber sofort auf. Auch weil ihre Beziehung zu ihren Hunden eher unterkühlt ist und sie ihre Enttäuschung auch schon mal durch Liebesentzug an die Köter weitergeben. Solche Leute verhalten sich dann wie die berüchtigten Eislaufeltern, die ihre Kinder aufs Eis prügeln. Natürlich ist man selbst ziemlich stolz auf den eigenen Renner, wenn der beim Antrainieren eine gute Figur macht und sich als Ausnahmetalent entpuppt. In dem Fall muss man im Sinne des Fellträgers den Kopf einschalten und entscheiden, was man wirklich will und was im Sinne des Hundes ist. Dabei kann herauskommen, dass man sich ganz aus dem Rennbetrieb heraushält und mit dem Wautzi einfach die Trainingsmöglichkeiten nutzt und genießt.

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