Manchmal macht die offizielle Statistik klar, woran es gelegen hat. Schaut man sich die auf Bundesliga.de zur Partie der Fortuna beim VfB Stuttgart an, scheint der Unterschied zwischen den beiden Mannschaften nicht groß. Im Gegenteil: Bei den gewonnenen Zweikämpfen hatten die Düsseldorfer sogar ein leichtes Übergewicht. Selbst bei den Flanken und Torschüssen lagen keine Welten zwischen den beiden Teams. Aber trotzdem war F95 mit der 0:2-Niederlage noch gut bedient. Lügt die Statistik? Nein, sie muss nur angemessen interpretiert werden. Zwei Schlüssel dazu gab es: die enorme Fehlerquote der Fortunen und die Tatsache, dass der VfB a) nicht wirklich gut gespielt und b) schon zum Ende der ersten Halbzeit seine Bemühungen drastisch reduziert hat.

Es scheint in dieser Zweitligasaison in Mode zu sein, die beiden Absteiger hochzujazzen und quasi zu Zwangsaufsteigern zu stempeln. Sicher sind die individuellen Qualitäten der meisten VfB-Kicker denen der Rotweißen überlegen, und einige Spieler agieren durchweg auf oberem Erstliganiveau, aber überzeugend waren nur Einzelaktionen der Stuttgarter, nicht aber der gesamte Auftritt. Das ließ sich besonders gut in den ersten fünf Minuten, in denen die Fortuna recht hoch stand und sich offensiv betätigte, und in der letzten Viertelstunde ganz gut beobachten – mehr als eine solide Abwehrarbeit hatten die Schwaben da nicht zu bieten. Umso trauriger, dass sich das Team der Trainer Funkel und Hermann mit haufenweise und haarsträubenden Fehler selbst jeder Chance beraubten, auf Augenhöhe mitzuspielen.

Fehler über Fehler

Dabei kann nur Torhüter Michael Rensing ausgenommen werden, der aber auch nicht allzu viel zu tun hatte, weil der VfB in den gesamten neunzig Minuten kaum mehr als ein halbes Dutzend gefährlicher Bälle auf sein Tor brachte. Die Schuld an der Niederlage an einem oder ausgewählten F95-Spielern festzumachen, ist grober Unfug. Und wer jetzt wieder ins Madlung-Bashing einsteigt, outet sich als ahnungslos. Denn dummerweise lag die Fehlerquote der gesamten Viererkette auf demselben hohen Niveau. Die beiden Rückkehrer – Kevin Akpoguma und Julian Schauerte – taten sich besonders mit Fehlpässen und falschen Positionen hervor. Das erste Tor für den VfB ging dagegen aufs Konto von Lukas Schmitz, der danach höchst verunsichert auftrat. Das solideste Stellungsspiel lieferte Alexander Madlung ab, der aber ein ums andere Mal viel zu langsam auf die jeweilige Situation reagierte.

Auf dem Papier eine schöne Sache, hebelte die fußballerische Realität aus, was sich die Coaches dabei gedacht hatten: den wühlenden Mittelstürmer Rouwen Hennings mit den Youngstern Ihlas Bebou und Marlon Ritter zu umrahmen. Gerade Bebou muss sich inzwischen ständig am Anspruch messen lassen, sich für einen potenziellen Erstligaspieler zu halten. Sein Auftritt gestern spricht dagegen. Natürlich fiel er in der ersten Viertelstunde durch trickreiches und schnelles Spiel auf. Je weniger es brachte, umso mehr begann der Jungnationalspieler sich zurückzuziehen – bis er praktisch unsichtbar wurde. Ritter verließ der Mut sogar noch früher; man sah ihm an, dass er mit der Gesamtsituation überfordert war, Was blieb Hennings also übrig, als ständig zwischen den Stuttgarter Innenverteidigern zu wühlen?

Übrigens: Der typische Hennings’sche Fehler sieht so aus, dass er einen Ball erobert und sich dann konsequent in die falsche Richtung dreht; meistens vom Tor weg, was natürlich den Angriffszug stoppt. Überhaupt fiel gestern auf, dass zu selten und zu ungenau nach vorne gespielt wurde. In Kontersituationen den Ball eher quer zu spielen als steil, ist sinnlos. Leider waren es die drei Schalter im Mittelfeld, denen es misslang, das Spiel schnell umzuschalten. Kaan Ayhan wirkte nach überstandener Erkältung überhaupt nicht fit und versteckte sich zunehmend. Adam Bodzek ackerte und kämpfte und verhinderte vermutlich ab der 30. Minute eine schlimmere Niederlage. Ungewohnt ideenarm handelte Oliver Fink, der außerdem eine absurd hohe Fehlpassquote aufzuweisen hatte.

Anlass zur Sorge

Die Auswärtsniederlage beim VfB ist sicher zu verschmerzen, die deutlich zu Tage tretenden Problemen geben Anlass zur Sorge. Eine Viererkette ohne Robin Bormuth muss als Sicherheitsrisiko gewertet werden; ein Akpoguma in der Form von gestern ebenfalls. So routiniert sein Stellungsspiel auch sein mag: Alexander Madlung scheint dieser Mannschaft nicht mehr helfen zu können. Leider zeigen sich bei Schauerte zunehmend Defizite in der Spielintelligenz – das ist der Grund, weshalb er oft zu langsam reagiert. Kaan Ayhan scheint in der Hinrunde über seinem eigentlichen Niveau gespielt zu haben. Ohne Marcel Sobottka fehlt die Kreativität im Mittelfeld. Hennigs entwickelt sich in Richtung Ya Konan: Wühlend, aber torlos. Das Zusammenspiel mit Bebou klappt ganz gut, aber sonst… Als Emma Iyoha in der 78. Minute kam, änderte sich das Offensivspiel noch einmal, nachdem es mit der Hereinnahme von Jerome Kiesewetter nach der Pause schon mehr Schwung bekommen hatte. Christian Gartner hatte nach einer Stunde Kaan Ayhan abgelöst, war aber auch nicht wirklich erfolgreicher.

Gut, dass Trainer Funkel nach der Niederlage zugab, er habe einen deutlichen Anteil daran. Nun neigen weder er, noch Peter Hermann dazu, in der Pause einen Systemwechsel anzuordnen und die passenden Spieler auf den Platz zu schicken. Aber gestern wäre es nach den Erlebnissen der ersten Halbzeit dringend nötig gewesen – auch unter dem Motto „Kann eh nicht schlimmer werden“. Auch steht die Frage im Raum, weshalb nicht die in der Vorbereitung eingeübte Dreier-Fünferkette zum Einsatz kam. Das Problem wird weniger sein, dass die Fortuna in dieser Saison noch ernsthaft in Abstiegsgefahr geraten könnte, sondern dass die rotweißen Talente in blöden Niederlagen verschlissen werden, die sie nur teilweise mit verschulden.

So muss sich beim kommenden Heimspiel gegen Kaiserslautern etwas grundlegend ändern. F95-Fans sollten hoffen, dass Robin Bormuth und Marcel Sobottka wieder mit an Bord sind. Außerdem wäre ein deutlich offensiveres System mit Iyoha in der Startelf wünschenswert. Möglicherweise böte diese Partie auch die Gelegenheit, Kiesewetter auf der rechten Außenverteidigerposition zu testen. Anstelle von Kaan Ayhan könnte Ari Ferati starten. Dies alles nicht nur, um wieder einmal drei Punkte einzuheimsen, sondern den Youngstern Gelegenheit zu geben, ihre Spielfreude auszuleben.

2 Kommentare

  1. Für mich hat Fortuna durchaus ein paar gute Ansätze gezeigt. Der größte Systemfehler wurde jedoch in der Offensive gemacht – der arme Rouwen Hennigs allein auf weiter Flur, seine Mitspieler gefühlt 30 Meter weiter hinten. Unverständlich, dass mit seiner Auswechslung (bzw. Iloyas Einwechslung) genau das fortgeführt wurde, was schon 70 Minuten vorher nicht funktioniert hat…

  2. Nicht, dass das 0:1 von den anderen Spielern übermäßig gut verteidigt worden wäre, aber wer hindert Michael Rensing eigentlich daran, während der gefühlten fünf Sekunden, die die Flanke unterwegs ist, rauszukommen? Nicht missverstehen, ich will ihm das Tor nicht ankreiden, aber es wundert mich, mit welcher Konsequenz er von der Kritik ausgenommen wird.