Ja, wo bleibt denn das Positive? Manche Leser, besonders diejenigen, die mit uns auf Facebook diskutieren, nehmen uns die scharfe Kritik am Projekt Wehrhahnlinie ziemlich übel. Viele betonen, dass die neuen 3,4 Kilometer Tunnel Vorteile brächten, andere erwähnen vor allem die Schönheit der neuen U-Bahnhöfe. Streiten wir heute am Tag nach der offiziellen Eröffnung nicht über den tatsächlichen Nutzen und vor allem nicht über das Kosten-Nutzen-Verhältnis angesicht von Baukosten in Höhe von weit über 800 Millionen Euro. Reden wir nur über diese neuen unterirdischen Bauwerke, sechs Stück an der Zahl, die vielem, was die Stadt Düsseldorf ausmacht, einen angemessenen Ausdruck verleihen. Die Idee, jede Station von einem Künstler bzw. einem Künstlerteam gestalten zu lassen, war und ist grandios. Die Tatsache, die so zu Kunsterwerken gewordenen Bahnhöfe werbefrei zu halten, ist mutig und unterstützt das Konzept. Dafür kann man den Verantwortlichen dankbar sein.

Tatsächlich konnten die Bürger gerade die Endstationen am Kirchplatz und am Wehrhahn gestern im Rahmen der Probefahrten quasi im Live-Betrieb begutachten – und die übrigen Bahnhöfe bei der Durchfahrt. Denn die Reise durch den Tunnel war erwartungsgemäß unspektakulär – U-Bahn halt… Aber diese unverwechselbaren Bauwerke! Weit entfernt von der Tristesse der Frankfurter B-Ebene, den hässlichen Stationen der Münchner U-Bahn oder gar dem angeranzten Zustand der allermeisten Berliner U-Bahnhöfe: in Düsseldorf herrschen Farbe und Licht, ungewöhnliche Elemente voller Ausdruckskraft. Das beginnt mit dem strahlendweißen Bahnhof am Kirchplatz, den die Künstlerin Enne Haehnle unter dem Werktitel „Spur X“ mit Wegmarken ausgestattet hat, die das Oberirdische mit den Bahnsteigen verbindet.

An der Benrather Straße hat Thomas Stricker eine Videoinstallation in das graue, metallische Ambiente gesetzt. Ebenfalls Absolvent der Düsseldorfer Kunstakademie ist Manuel Franke, der die Station am Graf-Adolf-Platz mit Glaselementen in einen vielfarbig irriserenden Raum verewandelt hat. Weniger dekorativ und insgesamt auch eher unzugänglich die Installationen von Ralf Brög am Wehrhahnlinien-Bahnhof an der Heinrich-Heine-Allee. An der Pempelforter Straße hat Heike Klussmann die simplen Geometrien des Baus durch grafische Elemente so aufgebrochen, dass sich die Wahrnehmung der Räume deutlich verändert. Ganz dynamisch zeigt sich die Videoinstallation von Ursula Damm in der Station Schadowstraße, wo Live-Aufnahmen aus dem Inneren mit solchen von der Oberfläche vermischen – gesteuert durch Interaktionen der Passanten.

Düsseldorf ist spätestens seit den Tagen von Friedrich Wilhelm von Schadow eine Kunststadt, durch die Kunstakademie sicher eine der wichtigsten Kunststädte weltweit. Die neuen U-Bahnhöfe werden diesen Ruf ganz sicher verstärken; das belegen schon die Artikel im britischen Guardian und in der New York Times, in denen die künstlerisch gestaltenen Bahnhöfe ausdrücklich gelobt werden. Und weil die Kosten für diese Ausgestaltung nach allem, was man weiß, nur einen winzigen Teil der Gesamtkosten ausmachen, dürfte jeder Cent für die Kunst gut angelegt sein.

Leider konnte das biedere Fest zur Eröffnung, das gestern am Schadowplatz stattfand, in keinster Weise mit der Qualität der Bahnhöfe mithalten. Bei ungemütlichem Wetter ließen sich nur wenige Menschen locken, zumal weder die musikalische Unterhaltung, noch die diversen Kinderbelustigungen wirklich attraktiv waren. Das Gros der Düsseldorfer hatte am Eröffnungstag ohnehin nur eins im Sinn: durch den Tunnel fahren. Das taten nach Angaben der Rheinbahn zwischen 12:00 und 22:00 immerhin gut 100.000 Menschen, die sich außer für die kostenlose Probefahrt noch sehr für die Faltblätter zu den dramatischen Änderungen im Liniennetz interessierten. Denn so richtig verstanden, was sich ändern wird, haben viele Düsseldorfer noch nicht.

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