Es ist immer eine zweischneidige Sache, einen gastronomischen Ort zu empfehlen, der nicht hip & cool und total angesagt ist. Auch wenn das wunderbare Café Knülle an der Oberbilker Allee überhaupt kein Geheimtipp ist, hat sich seit seiner Eröffnung vor gefühlten hundert Jahren nie so in den Mittelpunkt gedrängt wie diese kurzlebigen Etablissements für Hipster, Besserverdiener und Neudüsseldorfer. Das liegt sicher auch am Inhaber: Gilbert Knülle hat dem Café nicht nur seinen Namen gegeben, sondern sorgt dafür, dass sich nichts ändert. Warum sollte auch irgendetwas an dieser Instanz anders werden? Es ist doch gut und schön so wie es ist.

Ein Büro für alle

Wer das Café Knülle wirklich kennenlernen will, der sucht es am besten unter der Woche vormittags auf, so gegen zehn, halb elf. Denn dann ist es vor allem Büro. Regelmäßig läuft hier der Bezirksschornsteinfeger mit seinem Team ein, um die zu besprechen und die Aufgaben zu verteilen. Ein Bauingenieur fertigt – ganz altmodisch mit Geodreieck, Lineal, Druckbleistift und einem Taschenrechner aus den Achtzigern – Konstruktionszeichnungen und Pläne an. In der Ecke arbeiten zwei Französisch sprechende Damen an einem Dokumentarfilmprojekt. Und auch The Düsseldorfer hält hier und um diese Zeit Redaktionssitzungen ab. Im Hintergrund (ja, wirklich im HINTERgrund) läuft exquisite, handverlesene Musik, oft zwischen Jazz und Singer-Song-Writer-Dingern hin und her changierend, gern auch Soul oder die wirklich schönsten Songs aus fünfzig Jahren Rockgeschichte.

Google-Map: Café Knülle auf der Oberbilker Allee

Google-Map: Café Knülle auf der Oberbilker Allee

Der Kaffee ist ebenfalls exzellent. Kein Wunder, denn es ist Knülles eigener. Unter der Marke Azzuro betreibt der Inhaber schon seit vielen Jahren eine Privatkaffeerösterei – und erweist sich auch damit als Prophet, der etwas tat lange bevor es hip & cool wurde. Als man im Café Knülle schon eine spezielle Röstung mit Hilfe brühheißen Wassers oder Dampfes in ein belebendes Getränk zu verwandeln, da waren viele, die heute auf dem Kaffee-Hype reiten, noch nicht einmal schulreif. Und während man in modernen Cafés mit eigener Röstung mit den bekloppten Bezeichnungen für die verschiedenen Arten des Heißgetränks kämpft, bestellt man im Café Knülle einfach einen Milchkaffee und bekommt dann eine große, randvolle Schale mit herrlichem Duft und optimalem Milchschaum oben drauf.

Exquisite Musik, exzellenter Kaffee

Natürlich gibt es auch alle Spezialitäten, die sich mit der Espressomaschine herstellen lassen, diverse Arten und Sorten Tee sowie unterschiedliche Softdrinks. Legendär auch das Frühstücksangebot, aus dem man ab der Öffnung des Cafés bis weit in den Abend wählen kann. Empfehlenswert die Croissants, die am besten zum Milchkaffee munden. Und geradezu stilbildend die Baguettes mit schrägen Namen wie „Warmer Paul“. Überhaupt kann man im Café Knülle auf unterschiedliche Weise satt werden, und Kenner preisen die Kuchen, die man dort ordern kann. Natürlich kann man schon tagsüber Wein bestellen – wie beim Kaffee aus einem handverlesenen, von langer Hand vorgekosteten Sortiment, vorwiegend aus Frankreich und Italien. Und, ja, es gibt Stammgäste, die Punkt ein Uhr hereinhuschen, um einen kleinen Roten zu schlürfen, bevor sie sich wieder an die Arbeit machen.

Eine Augenweide ist auch das Haus, in dem das Café residiert. Dessen Fassade hat den Krieg fast unbeschadet überstanden, und man hat es ohne viel Schnickschnack hergerichtet, ohne je auf die fatale Idee gekommen zu sein, es in Richtung Luxus zu sanieren. Und weil sich rund um das Café Knülle nichts ändert, hängen die weinroten Markisen immer noch schief, und die Uhr überm Eingang geht mit Methode falsch. Apropos: Ab Außentemperaturen von etwa 15° füllen sich die Plätze draußen schnell und nachhaltig. Für die Frostbeulen unter den Gästen liegen kuschelige Decken bereit, die umweltfeindlichen Heizpilze oder -strahler sucht man vergeblich. Im Sommer wird man von vormittags bis weit in den Nachmittag von der Sonne beschienen, und es kann einem vorkommen, als säße man in einer südfranzösischen Kleinstadt, an der die Zeit vorbeigegangen ist.

Mehr als ein Hauch Frankreich

Und wo wir gerade bei Frankreich sind: Bedient werden die Gäste von jungen Frauen, die nicht selten wirken, als stammten sie aus einem Film von Éric Rohmer. Anscheinend weiß Gilbert Knülle, wo man diese Spezies findet und wie man sie dazu überredet, aus dem Café Knülle kraft ihrer Persönlichkeit einen besonderen Ort zu machen. Eigentlich ist diese Institution sogar ein Gesamtkunstwerk, weil auch die – seit der Eröffnung völlig unveränderte – Einrichtung zur Atmosphäre beiträgt. Rote Kunstlederbänke, Thonet-Stühle, abgewetzte Orientteppiche, eine in Ehren erbräunte Theke, dazu hier und da eine wir zufällig hingetupfte Antiquität, das hat eine beruhigende Wirkung. Aber eine Sache hat sich doch geändert: Früher war das Hinterzimmer des ehemaligen Ladens, dessen Räume das Café nutzt, ebenfalls Gastraum; hier konnten man bei Bedarf auch mal in größeren Gruppen ungestört tagen.

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