Das Ganze geschah eine Woche vor meinem fünften Geburtstag. Wie nicht selten war ich zu Besuch bei meiner Tante Thea, die in Pempelfort an der Jordanstraße wohnte. Die Tante hatte keine Kinder, lediglich eine erwachsene Tochter, die aber nicht bei ihr und dem Onkel Walter lebte. So half sie meiner Mutter gelegentlich als Babysitter aus. Dann fuhren wir mit der 4 einmal quer durch Düsseldorf, und ich begleitete die Tante ein paar Tage bei ihrem Alltag. Vor allem bei Einkaufsgängen. Tante Thea und Onkel Walter waren sparsam bis zum Geiz. Also legte die Tante lange Wegstrecken zurück, um diesen oder jenen Artikel besonders preisgünstig zu bekommen. Ich war es also gewohnt, auf meinen kleinen Beinen mit ihr Kilometer zu marschieren. Also wunderte ich mich nicht, als sie mit mir am frühen Morgen des 3. November 1957 loszog. Allerdings in eine ungewohnte Richtung. Schon an der Roßstraße spürte ich, dass wir nicht zum Einkaufen unterwegs waren. Die Straße war für Autos gesperrt, es lag Brandgeruch in der Luft. Und dann standen wir plötzlich ganz nah dran: ein ausgebranntes Flugzeug mitten in einem Kleingartengelände.

Natürlich verstand ich nicht auf Anhieb, was da geschehen war. Denn Flugzeuge kannten Kinder in den frühen Fünfzigern nur als weit oben am Himmel brummende Maschinen. Bis dahin war ich nie am Flughafen, und geflogen waren Normalmenschen damals auch meistens noch nie. Ich sah also zum ersten Mal ein Flugzeug aus der Nähe. Es war kaputt. Mir war klar, dass darin Menschen gesessen hatten und wusste, dass es sich um eine Katastrophe gehandelt hatte. Dieser Anblick hat ich nachhaltig traumatisiert – nicht in Richtung Flugangst, sondern eher im Hinblick auf Träume von Flugzeugen, die brennend in Gebäude stürzen…

Der Absturz

Damals war das Gebiet zwischen der Kaiserswerther und der Roßstraße noch unbebaut und hieß „In der Lohe“. Dort gab es u.a. eine recht große Kleingartenanlage. Bekannt ist, dass die DC-4 kurz nach dem Start an Höhe verlor, über den Nordfriedhof hereinkam, das ehemalige Finanzamt an der Roßstraße touchierte und dann eine Schneise von gut einhundert Meter in den Kleingärten schlug. Eine Frau, die sich dort aufhielt, kam zu Tode. An Bord waren nur zwei Passagiere, aber acht Besatzungsmitglieder, weil es sich um einen Überführungsflug nach New York handelte, bei dem die komplette Besatzung bei den obligatorischen Zwischenlandungen ausgetauscht werden mussten.

Google-Map: Kennedydamm / Roßstraße

Google-Map: Kennedydamm / Roßstraße

Der Untersuchungsbericht geht davon aus, dass ein Notfalltest – wie er bei solchen Überführungsflügen üblich war – die Katastrophe verursachte. Zwei der Propeller der viermotorigen Maschine waren nach Augenzeugenberichten ausgeschaltet, die Rotorblätter befanden sich in Segelstellung. Zudem waren die Landeklappen eingefahren. Normalerweise sollte das Flugzeug ab einer gewissen Flughöhe diese halten können und nicht in den Sinkflug übergehen. Das Manöver ging anscheinend schief.

Die Absturzstelle blieb nach dem Abräumen der Trümmer viele Jahre lang unberührt. Mit neun oder zehn Jahren war ich mit Freunden ein paar Mal dort, um ihnen von meinem Erlebnis zu erzählen. Dabei entstand die Legende, das Flugzeug habe vor dem Absturz den ehemals spitzen Turm der Herz-Jesu-Kirche abrasiert – aber das stimmt nicht. Später wurde eine Verbindung für die B1 von der Cäcilienallee zum großen Kreisverkehr am Nordfriedhof geschlagen, der Kennedydamm. Der zerschnitt als bis zu sechsspurige Schnellstraße das ehemalige Kleingartengebiet. Östlich davon entstand in der Nähe des BV04-Platzes beim neu errichteten DGB-Haus ein riesiger Parkplatz für Messegäste. Westlich gab es ebenfalls eine solche weiträumige Parkfläche, die vom Golzheimer Platz aus angefahren werden konnte. Dort habe ich in den mittleren Sechzigerjahren ein paar Mal als Parkwächter gejobbt.

Ein Kommentar

  1. Obwohl ich erst etwas über 4 Jahre alt war, erinnere ich mich heute noch an die Tage danach.
    Wir wohnten in der Nähe des Dreiecks (Kreuzung Nord-/ Blücher-/ Münster-/ Collenbachstr und somit gehörte diese Stell zum fußläufig erreichbaren Nahbereich und lag auf dem Weg zum Frankenplatz, Nordfriedhof (meine Urgroßeltern lagen dort), am Spazierweg durch „In der Lohe“ (vom Kennedydamm keine Spur).
    Zu dem hatte die Schneiderin meiner Oma dort einem Garten.
    Später wurde auf diesem Areal ein Parkplatz angelegt, der dann im Laufe der Jahrzehnte Stück für Stück zugebaut wurde.
    Der Weg durch die Diagonale der nun halbierten Anlage „In der Lohe“ beschritten wir aber noch viele Jahre, auch nach dem Bau der gleichnamigen Schnellstraße, die erst später umbenannt wurde und mit einer Fußgängerbrücke (vor kurzem abgerissen. überwunden werden konnte, bis zur Kaiserswerter Str (Shel-Tankstelle).