Wie Nicola Kuhn in ihrem Artikel zur grandiosen Ai-Weiwei-Schau in Düsseldorf anklingen lässt, haben die Ausstellungsmacher diverse Spuren vom chinesischen Kunstsuperstar zu Joseph Beuys gelegt. Natürlich liegen die Paralellen und Verbindungen auf der Hand – nur zu greifen sind sie kaum. Eine fiktives Gespräch zwischen den beiden Künstlern könnte Aufschluss geben. Stellen wir uns also vor, Joseph Beuys habe Ai Weiwei an einem beliebigen Tag und von den Besuchern unbemerkt in den beiden Ausstellungen getroffen und sich über drei der Werke unterhalten…

Sunflower Seeds – 60 Millionen Sonnenblumenkerne aus handbemaltem Porzellan

Foto: Kunstsammlung NRW

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Beuys: Sag mal, Weiwei, hast du dir das mit dem Ausstellungsplakat selbst ausgedacht? Dass du da mit schlenkernden Armen auf den Fotografen zu marschierst so wie ich 1971? Bestimmt. Und der Spruch „Wo ist die Revolution?“ bezieht sich doch auf mein „La rivoluzione siamo Noi“, oder?
Ai: Selbstverständlich. Ich beziehe mich in meinen Arbeiten ständig auf dich – wir sind doch Brüder im Geiste. Dein „Jeder Mensch ist ein Künstler“ bedeutet für mich „Jeder Mensch ist gleich viel wert.“
Beuys: Sag nicht, dass das quasi die Aussage dieser Installation mit den Porzellankernen ist?
Ai: Nein, ist es auch nicht. Es ist höchstens eine von vielen Ebenen. So wie ja deine Werke auch immer jede Menge verschiedener Interpretationsebenen haben.
Beuys: Mir gefällt das, auch wenn Porzellan überhaupt nicht zu meinen Materialien zählt. Mir gefällt, dass du das Prinzip Arbeit deutlich machst – so wie ich mit meiner Honigpumpe. Das war ja meine am unmittelbarsten politische Aktion…
Ai: Das sind wir uns mehr als ähnlich, dass unsere Kunst immer auch politisch ist. Ich sage aber, dass Kunst alles ist, manchmal auch politisch. Du hast gesagt, dass die Politik selbst zur Kunst zählt, nämlich als Gestalten der sozialen Plastik.

Straight – 160 Tonnen Armierungseisen aus eingestürzten Schulen

Foto: Kunstsammlung NRW

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Beuys: Dieses Werk liegt mir von den Materialien her schon mehr: Eisen und Holz. Und wieder, dass es eine Verbildlichung des Prinzips Arbeit ist.
Ai: Aber nicht Arbeit als Selbstzweck. Es war notwendig, die Eisenstäbe geradezubiegen, um sie in diesen Holzkisten zeigen zu können. Sie stehen für die Tausenden von Schulkindern, die beim Erdbeben in der Provinz Sichuan 2008 unter den eingestürzten Schulen begraben wurden.
Beuys: Heißt das, dass dir die verwendeten Materialien egal sind, dass sie keine symbolische Bedeutung haben?
Ai: Ja, das ist so. Es geht nicht um Ästhetik, es geht um Wahrheit.
Beuys:

Laundromat – 2000 Kleidungsstücke von Flüchtlingen

Foto: Kunstsammlung NRW

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Beuys: Ich erkenne eine deiner Methoden: Vorgefundenes mit Bedeutung wird aufgearbeitet und als serielle Arbeit präsentiert. Das ist mir fremd, das gibt es bei meinen Sachen nicht.
Ai: Das gemeinsame Prinzip deiner und meiner Arbeiten ist oft, dass das Wissen um die Herkunft der vorgefundenen Gegenstände beim Betrachter, um deren Bedeutung und Symbolik zu einer Erkenntnis führt.
Beuys: Was mir in deinem Werk fehlt ist das zeichnerische Element. Mir kommt es so vor als bist du eher ein Schriftsteller als ein bildender Künstler, wobei mich das nicht stört.
Ai: Jetzt widersprichst du dir aber selbst, lieber Beuys. Wenn der erweiterte Kunstbegriff auf die Gestaltung der sozialen Plastik hinausläuft, dann spielen die Materialien, die Prinzipen und die Methoden keine Rolle.
Beuys: Da hast du recht.

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