Immobilienhaie und andere Schmarotzer am Menschenrecht auf Wohnen sind besonders in Marketing-Dingen völlig schmerzfrei. Allein die Tatsache, dass das sogenannte „Andreasquartier“ im Herzen der Altstadt von diesen Typen als „Wohnzimmer Düsseldorfs“ vermarktet und beworben wird, zeigt die völlige Abgehobenheit und Hybris dieser nichtsnutzigen Spezies. Und Oberbürgermeister Thomas Geisel, der ja nominell Sozialdemokrat sein soll, hätte gut daran getan, der offiziellen Eröffnung des Bonzenblocks fernzubleiben. Hat er natürlich nicht, weil er sich ja immer gern mit den Reichen und Mächtigen umgibt. War schon die Luxus-Gentrifizierung des ehemaligen Theresenhospitals ein Skandal an sich, kann man den Umbau des ehemaligen Gerichtsgeländes auch als grobe Frechheit der Besserverdiener begreifen, die sich im Herzen der Altstadt eine – wenn auch diskret verschlossene – Gated Community haben schaffen lassen.

Google-Map: Andreasquartier

Google-Map: Andreasquartier

Apropos Theresienhospital: Das klassische Gebäude mit unverbaubarem Rheinblick beherbergt – nach allem, was man weiß – ausschließlich Millionäre. Gut, die müssen ja auch irgendwo wohnen, wobei man den Ausbeutern unter ihnen auch gern ma die Obdachlosigkeit wünschen darf. Nun wissen die Nachbarn in der Altstadt aber, dass gut die Hälfte der Wohnungen an der Altestadt Zweit-, Dritt- oder Viertwohnsitze von Superreichen sind. Das teuerste Objekt, für das dem Vernehmen nach 5 Millionen Euro fällig waren, steht nach Aussagen von Nachbarn fast immer leer. Ob es beim Andreasquartier ebenfalls zu temporären Leerstand kommen wird, bleibt offen.

Ein völliger Fremdkörper

Immerhin werden 500 Personen in 350 Appartements und Wohnungen dort einen Wohnsitz haben. Hinzu kommen 650 Arbeitsplätze sowie mindestens fünf extrem hochpreisige Gastronomien. Wie gesagt: Im Herzen der Altstadt zwischen Mühlen- und Ratingerstraße, Liefergasse und Neubrückstraße. Hier amtierte fast 100 Jahre lang das Amts- und Landgericht in einem für seine Zeit typischen Gerichtsgebäude mit langen quietschenden Gängen, prächtigen und versteckten Treppenhäuser, staubigen Amtsstuben und nach Bohnerwachs riechenden Gerichtssälen. Hier wurden Straftäter verurteilt, aber auch Scheidungen ausgesprochen und Geschäftskonflikte verhandelt. So mächtig und monolithisch das Gericht, so bunt, schräg und lebendig das Drumherum.

„Längste Theke der Welt“ nennt man die Altstadt seit dem legendären Karnevalsschlager namens „Altbierlied“. Tatsächlich drängen sich seit der Zeit nach dem ersten Welkrieg buchstäblich Hunderte Kneipen, Gastwirtschaften und Restaurants auf engem Raum. Bis weit in die Sechzigerjahre hinein galt die Altstadt als gefährlich. Hier verkehrten britische Soldaten und Binnenschiffer, hier hockten die alten Grantler in den Hausbrauereien, hier vergnügte sich die Düsseldorf Halbwelt, hier traf man die Künstler und Kreativen. Schlägereien in und vor den Kneipen waren an der Tagesordnung, und wer zu besoffen war, um nach Hause zu finden, der mietete sich in der Hängse Penn für Pfennige einen Schlafplatz. Der bestand aus einer definierte Zone an einem Hanfseil, das quer durch den Raum gespannt war und auf dem man den Oberkörper zur Ruhe beten konnte.

Aktion Kotzbrocken

Wie gesagt: In der Altstadt trafen sich die zwielichtigen Gestalten, die lockeren Vögel und die Kerle, denen das Saufen wichtiger Ausgleich zur harten Arbeit war. Und dann übernahm die aufkommende Jugendkultur ab etwa 1965 Stück für Stück die längste Theke. Immer mehr Schüler, Studenten und Lehrlinge zog es in die Altstadt, bestimmte Kneipen wurden zu zentralen Treffpunkten der Beat-Szene und anderer Gruppen. Aber immer noch waren es überwiegend Düsseldorfer, die man in der Altstadt traf. Erst ab Ende der Siebzigerjahre hatte sich – zunächst im Umkreis von rund 100 Kilometern, später bundesweit – herumgesprochen, dass man an der längsten Theke derbe abfeiern konnte. Nach und nach wurde die Altstadt zum Vergnügungsviertel, zu einer Art Ballermann am Rhein. Je mehr Auswärtige es hierher zog, desto weniger Düsseldorfer gingen noch in die Altstadt.

Weil aber zwischen Kunstakademie und Carlsplatz, zwischen Rheinufer und Heinrich-Heine-Allee immer mächtig gesoffen wurde, man schlecht und fettig aß und auch andere Substanzen konsumiert wurden, war die Altstadt immer ein lauter, wilder und dreckiger Ort. Nun befürchten die Düsseldorfer, denen die Altstadt ein Stück Biografie bedeutet, dass die Andreasquartier-Bewohner kraft ihrer Wirtschaftsmacht für eine Säuberung der Altstadt sorgen wollen. Beschwerden über zu große Lautstärke hat es schon gegeben, und es wird eine Frage der Zeit sein bis die Quartiers-Security Altstadtbesucher angehen wird, der unter Alkoholeinfluss grölend durch die Liefergasse oder Ratinger Straße ziehen. Deshalb haben ein paar Veteranen der glorreichen Punk-Zeit in der Altstadt schon eine „Aktion Kotzbrocken“ ausgerufen. Wer sich dank einer Überdosis Altbier erbrechen muss, sollte das demnächst zielgerichtet vor einem der Ein- und Ausgänge des Andreasquartier tun.

So könnte der Luxusblock rasch in die Traditionen der Altstadt eingeführt und in die Gepflogenheiten der Altstadtgänger integriert werden, und nicht dauerhaft als der Fremdkörper datstehen, der er heute noch ist.

Ein Kommentar

  1. Also ich weiß nicht was dagegen spricht, vor einem ausgedehnten Altstadtrundgang ein ordentliches, dänisches Steak auf den Teller zu bekommen. Eine willkommene Abwechslung zu den Frittjesbuden, Spiessbratenbratereien und Pizzaläden, vor allem eine kulinarische Steigerung zur ehemaligen Gerichtskantine.
    Ich hoffe es gibt auch eine Zigarrenlounge für die Herren in der man nach dem Essen genüßlich eine exklusive Zigarre schmauchen kann, während die Herzdame mit ihren Freundinnen im Weinlokal nebenan über die letzte Shoppingtour parliert.
    Zur kulturellen Horizonterweiterung geht es dann anschliessend noch auf einen schnellen Espresso ins Mutter-Ey-Café. Zur Belustigung der illustren Gäste hofnarretiert dort H.A. Schult herum und verteilt Müll, entnommen den aus den Quartiersabfallbehältern. Ehrfürchtige Kunststudenten der ansässigen Kunstakademie helfen ihm dabei. Um der Ey’schen Tradition gerecht zu werden, bekommen die Bettelstudenten von Frankonia zum halben Preis oder gar umsonst Leitungswasser ausgeschenkt.
    Zu dem ausgedehnten Altstadtrundgang kommt es dann vermutlich doch nicht. Ein Blick aus dem Fenster sollte reichen um zu erkennen, daß es rundrum dort draussen nichts gibt, was auch nur einen Hauch von Anreiz böte dort einzukehren. So beschliesst man sich vom Concierge Service in die neu erworbenen Stadtwohnsitzappartments geleiten zu lassen.
    Unten auf der Ratinger und der Mühlen gehen die Leute vorbei, sehen sich das an und es wird manche vielleicht an einen Zoobesuch erinnern – noch ist der Eintritt frei.

    By the way.
    Niemals, selbst wenn ich die Kohle übrig hätte würde ich mich dort ins Quartier einkaufen.
    Warum? – Weil die Fenstergeländer des Baus per CNC-Maschine lieblos aus Stahlblech ausgeschnitten wurden. Das ist so extrem stillos und schäbig, es schüttelt mich wenn ich diese lackierten Blechplatten sehe.