[Dieser Beitrag erschien zuerst im Januar 2017 in unserer Schwesterpublikation Rhein-Magazin Düsseldorf.] In Düsseldorf sagt man: „Treffen wir uns an der Pegeluhr.“ Und das schon seit vielen Jahren, denn die markante Säule oberhalb der Kasematten an der Rheinuferpromenade steht dort schon seit dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Nun gibt es am Rhein überall, wo der Strom schiffbar ist, Pegeluhren, aber keine andere ist so hübsch verpackt. Außerdem zeigt sie auch noch die Uhrzeit an. Die Ziffernblätter, die auf den Fluss und in die Stadt hineinschauen, sind für den Wasserstand zuständig. Der große Zeiger gibt die Meter, der kleine die Zentimeter an. So kann jeder Spaziergänger jederzeit ablesen, wo der Rheinpegel steht. Früher nutzten auch die Schiffer diese Pegeluhren und lasen die Ziffernblätter im Vorbeifahren per Fernrohr ab. Das ist nicht erst seit gestern unnötig. Als der Rundfunk sich ausbreitete, gehörte die Ansage der Pegelstände zu den ersten Services. Auch heute noch werden über verschiedene Mittelwellensender, die am Rhein zu empfangen sind, Wasserstände durchgegeben. Aber natürlich informieren sich die Binnenschiffer inzwischen vorwiegend übers Internet. [Lesezeit ca. 7 min]

Zuständig ist die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV), die mit „Elwis“ (Elektronischer Wasserstraßen-Informationsservice) einen entsprechenden Service anbietet, über den man zum Beispiel den exakten Wasserstand bei Ruhrort (Duisburg) erfahren kann. Aber was genau bedeutet der Pegel, und wie wird er gemessen?

Skizze eines Pegelhaus (Quelle: www.pegeldeutschland.de)

Skizze eines Pegelhaus (Quelle: www.pegeldeutschland.de)

Der Pegel gibt den Wasserstand auf einer definierten Höhe der Fahrrinne an der Position des Pegelhauses an und wird nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren ermittelt. Ein senkrechtes Rohr im Pegelhaus ist mit einem waagerechten Rohr mit dem tiefsten Punkt des Flussbettes verbunden. Der Wasserstand in der Pegelröhre ist also genauso hoch wie der des Flusses. Ein Schwimmer in der Röhre steuert die Zeiger auf dem Ziffernblatt der Pegeluhr an. Alternativ kann der Pegel auch über ein Druckrohr festgestellt werden – das Wasser im Pegelrohr komprimiert darüber eingeschlossene Luft, der dort gemessene Druck kann in den Wasserstand umgerechnet werden.

Theoretisch liegt der niedrigste mögliche Pegel bei 0 Metern und 0 Zentimetern – aber das hieße nicht, dass der Fluss trockengefallen wäre. Der offizielle und an der Pegeluhr angezeigte Wert bezieht sich auf den Wasserstand in Bezug auf einen festgelegte Pegelnullpunkt. Der wird individuell für jeden einzelnen Pegel aus dem langjährigen Mittel der Niedrigwasserstände errechnet, und zwar so, dass sich möglichst nie ein negativer Wert für den Wasserstand ergibt.

Wann kann ein Binnenschiff noch fahren?

Tatsächlich gab es am 30. September 2003 – man erinnert sich an den langen Sommer mit extremer Hitze und ohne jeden Niederschlag – mit nur 40 Zentimetern den historischen Tiefstand am Düsseldorfer Pegel. Diese Extremwasserstände findet man bei Elwis jeweils in der Tabelle mit den „Eckdaten des Pegels“. Aber selbst bei diesem drastischen Niedrigwasser blieb der Rhein zwischen Köln und Duisburg im September 2003 schiffbar; nicht mehr für alle Schiffe und vor allem nicht mehr für Fahrten mit voller Ladung. Die verschiedenen Typen Binnenschiffe haben recht unterschiedlichen Tiefgang – die Bandbreite reicht von 2,20 Meter über die bei großen Rheinschiffen üblichen 3,00 bis 3,50 Meter bis zu 4,80 Meter bei großen Tankern und Containerschiffen. Die Werte beziehen sich auf den voll beladenen Zustand.

Extremes Niedrigwasser bei Düsseldorf im Januar 2017 (Foto: RB)

Extremes Niedrigwasser bei Düsseldorf im Januar 2017 (Foto: RB)

Konkret bedeutet das, dass z.B. ein kleines 38-Meter-Schiff der Spits-Klasse selbst vollbeladen bei einem theoretischen Pegelstand von 0,00 Metern bequem zwischen Duisburg und Köln fahren kann. Allerdings bringt Niedrigwasser für die Schifffahrt ein anderes Problem mit sich. Wie man gerade im Stadtgebiet Düsseldorf sehr gut ablesen kann, wird die Fahrrinne bei geringem Wasserstand immer schmaler. Als der Pegel im September 2003 auf seinem historischen Tiefstand lag, konnten an mancher Stelle zwei Schiffe nur mit einem gewissen Risiko aneinander vorbeifahren.

Es brauchte nur ein paar Tag mit ausgiebigem Regen im Juni 2016, um den Rhein so anschwellen zu lassen, dass den Orten zwischen Köln und Duisburg Überschwemmungen durch Hochwasser drohte. Besonders gefährdet – wie immer in solchen Fällen – die Stadt Köln, aber auch die Innenstadt von Duisburg. Für die Landeshauptstadt Düsseldorf ist das Risiko selbst bei extremem Hochwasser relativ gering, was die Narren der Stadt vor Jahren zu einem ziemlich gehässigen Karnevalslied animiert hat. Dabei handelt es sich bei hohen Wasserständen oft um echte Naturkatastrophen mit großen negativen Folgen für Menschen und Sachwerte.

Das Eishochwasser von 1784 bei Mülheim (Köln)

Das Eishochwasser von 1784 bei Mülheim (Köln)

Erst seit gut zweihundertfünfzig Jahren häufen sich Hochwasserlagen am Rhein nicht nur, nein, sie werden schlimmer. Zwar ist das Eishochwasser von 1784 immer noch das verheerendste, dass Köln je erleben musste, aber seitdem kommen die Katastrophen mit trauriger Regelmäßigkeit. Der Normalpegel liegt in der Domstadt bei rund 3,50 Metern; er stieg nach starkem Tauwetter und Eisbruch am Unterrhein und in den Nebenflüssen auf 13,55 Meter! Riesige Eisschollen trieben auf der Oberfläche und zerschlugen die Uferbefestigung, Kähne und Schiffe sowie Häuser in der tief gelegenen Altstadt. In zwei Tagen wurden sämtliche in Köln auf dem Rhein liegenden Schiffe zerstört. Tatsächlich handelt es sich bei diesem Ereignis um eine Naturkatastrophe, bedingt durch monatelange extreme Kälte auf der Nordhalbkugel, die wiederum durch den Ausbruch des Laki auf Island ausgelöst wurde. Das Tauwetter setzte sehr plötzlich ein, sodass das Eis auf den zum größten Teil zugefrorenen Flüssen (z.B. Main und Mosel) gesprengt wurde und mit dem Wasser zu Tal schwamm.

Grundlegende Schutzmaßnahmen

Viele Städte begannen erst zur Jahrhundertwende zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert mit grundlegenden Schutzmaßnahmen, vor allem durch den Bau von Deichen. Weil aber gleichzeitig die Bedeutung der Binnenschifffahrt für den Warenverkehr wuchs, fing man auch damit an, den Rhein zu bändigen, sein Ufer zu befestigen, Rheinarme abzutrennen, um den Strom so zu begradigen und besser schiffbar zu machen. Mit der rasant wachsenden Bevölkerung im Rheinland ab etwa 1870 wuchsen die Städte, und besonders in Köln rückte die Wohnbebauung immer näher ans Ufer. Wie wir heute wissen, hat sich durch diese Maßnahmen das Risiko von Überschwemmungen der Städte deutlich erhöht.

Düsseldorf bildet da – eher zufällig – eine Ausnahme. Hier hat der Fluss schon weit im Süden mit der seit Hunderten von Jahren unangetasteten Urdenbacher Kämpe einen ersten Auslauf. Steigt der Pegel auf Höhe von Leverkusen, ergießt sich der Rhein in dieses Wiesengebiet mit mehreren Altrheinarmen. Dort können sich die Wassermassen ausdehnen, ohne eine menschliche Ansiedlung zu bedrohen. Selbst wenn die gesamte Kämpe zwischen Baumberg und Benrath komplett zugelaufen ist, steht das Wasser noch unterhalb der Deichkrone bei Urdenbach. Die höchsten Wasserstände sind übrigens an einem Pfahl direkt am „Eingang“ zur Kämpe am Alten Fischerhaus angezeichnet.

Das Jahrunderthochwasser bei Düsseldorf (Foto: Thomas Busskamp /RP)

Das Jahrunderthochwasser bei Düsseldorf (Foto: Thomas Busskamp /RP)

Aber auch unmittelbar an der Stadt geben die Düsseldorfer dem Vater Rhein Raum. Die Wiesen zwischen Heerdt und Lörick linksrheinisch und rechtsrheinisch zwischen dem Wasserwerk am Staad und Kaiserswerth können ebenfalls jede Menge Flut aufnehmen und so entschärfen. Deshalb braucht Düsseldorf auch insgesamt nur zwei Schutzanlagen auf dem gesamten Stadtgebiet. Bei Hamm wird ab einem Rheinpegel von 7 Metern das Tor zum Fluss verschlossen. Das geschieht ebenfalls mit dem Durchgang zwischen dem unteren Rheinwerft bei den Kasematten und dem Alten Hafen in der Düsseldorfer Altstadt. Bis vor rund hundert Jahren diente zudem die Golzheimer Insel als weiteres Überflutungsgebiet.

Hochwasser in Duisburg

Duisburg ist aus einem anderen Grund gefährdet. Der größte Binnenhafen Europas zieht sich bis weit in die Innenstadt hinein, was schlicht und einfach die addierte Länge des zu sichernden Ufers drastisch vergrößert. Gefährdet ist auch der Innenhafen, über den schon mehrfach das Wasser in die Stadt eingedrungen ist. Trotzdem gab es selbst beim sogenannten „Jahrhunderthochwasser“ am Niederrhein im Jahr 1993 nur geringe Schäden in Duisburg selbst. Viel stärker betroffen waren da die zu Duisburg zählenden Gemeinden Homberg und Rheinhausen – ähnlich wie Köln mit einer sehr nah am Fluss bestehenden Bebauung. Der letzte Ort am Niederrhein, der öfters vom Rheinhochwasser belästigt wird, ist Xanten. Von da an hat der Fluss überall ausreichend Auslauf.

Die Kölner Pegeluhr (Foto: Steb Köln)

Die Kölner Pegeluhr (Foto: Steb Köln)

Ab welcher Pegelstände spricht man überhaupt von „Hochwasser“? In Köln liegt die sogenannte „Marke 1“ bei 6,20 Meter, die Marke II entspricht 8,30 Meter – ab dieser Marke II wird die Schifffahrt eingestellt. In Düsseldorf sind es 7,10 Meter (Marke I) und 8,80 (Marke II), bei Duisburg-Ruhrort liegen die Marken bei 9,30 Meter und 11.30 Meter. Den exakten Pegel kann man nicht nur an der Pegeluhr ablesen, sondern online erfahren. Elwis, das System des WSV (Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes) meldet beispielsweise aktuell diesen Wasserstand bei Ruhrort (Duisburg). Tatsächlich sind dies aber nur die für die Schifffahrt relevanten Werte. In Köln gilt Hochwasseralarm bereits bei einem Pegelstand von mehr als 4,50; dann werden die ersten Maßnahmen eingeleitet.

Der Blick auf den Pegelstand

Es lohnt sich also, bei steigendem Wasser ab und zu einen Blick auf die Pegeluhr zu werfen oder Elwis online zu konsultieren, will man als Bürger von Köln, Düsseldorf, Duisburg und den Orten dazwischen wissen, ob ein Rheinhochwasser droht. Aber auch wenn der Strom selbst nicht an die gefährlichen Marken kommt: Innerstädtische Überflutungen können auch ganz anders entstehen, wenn nämlich die Bäche und Kanäle nach Starkregen zu viel Wasser führen und überlaufen – und das zeigt keine Pegeluhr an.

6 Kommentare

  1. Günther A. Classen am

    „Bei Hamm wird ab einem Rheinpegel von Metern das Tor zum Fluss verschlossen.“

    Lieber Rainer, lass‘ uns/mich bitte nicht dumm sterben. ;-)))

    Habe zwar herausgefunden, dass aktuell bei einem „Pegelstand von 7,07 Meter“ (Stand: 1.2.2021) u.a. der Durchgang in Hamm verschlossen wurde, aber ab welchem Pegelstand diese und andere Maßnahmen mehr oder weniger vom Deichgrafen, Deichhauptmann und/oder der Stadt angeordnet und exekutiert werden müssen, habe ich auf die Schnelle nicht gefunden, wohl aber heute live vor Ort, dass das Untere Werft in Höhe von Kit und Pegeluhr überflutet sind:
    „04.02.2021 11:30 Uhr, 779 cm“ (Quelle: https://www.hochwasser-rlp.de/karte/einzelpegel/flussgebiet/rhein/teilgebiet/niederrhein/pegel/DUESSELDORF)

    • Rainer Bartel am

      Vielen Dank für den Hinweis – wir haben den Artikel soeben korrigiert und den Wert nachgetragen.

  2. Günther A. Classen am

    „[…]ab diesem Pegel wird die Schifffahrt eingestellt. In Düsseldorf sind es 7,10 Meter (Marke I)“.

    Ergänzung:
    Sorry, aber heute bei „04.02.2021 11:30 Uhr, 779 cm” fuhren neben der Wasserschutzbollzei um ca. 17:00 h noch Riesencontainer Höhe Kit und Kniebrücke auf dem Rhein.

    • Rainer Bartel am

      Vielen Dank für den Hinweis – wir haben den Artikel soeben korrigiert und die Formulierung verbessert.

    • Rainer Bartel am

      Vielen Dank für den Hinweis – wir haben den Artikel soeben korrigiert.