Sicherlich 40 Fahrräder stehen eng nebeneinander auf dem Gehweg vor dem Re-Cycler in der Herderstraße. Die Kunden warten geduldig. Selbstverständlich mit Mundschutz und gebührendem Abstand. Einer der Schrauber, wie sie liebevoll genannt werden, wechselt von Kunde zu Kunde, nimmt Aufträge an und erledigt kleinere Reparaturen direkt vor der Tür. „Das ist nur ein Drittel dessen, was bei uns im Lager und in der Werkstatt steht.“ Peter Rewald, der Inhaber des Ladens, zeigt auf die aufgereihten Räder. „Das Geschäft brummt. Vor allem die Reparaturen. Aber auch das Neugeschäft ist super; fertige Räder: so gut wie ausverkauft.“ Vor allem nach Kinderrädern sei die Nachfrage groß. Die Lieferanten klagen über leeren Lager.

„Natürlich, das war Corona-bedingt. Keine Schule, die Spielplätze geschlossen. Das einzige was blieb, war die tägliche Radtour mit dem Nachwuchs. Noch nie habe ich so viele Väter mit ihren Kindern auf dem Rad gesehen.“ Auch bei Awsum auf der Ackerstraße zeigt man sich erfreut über die geschäftliche Entwicklung. Überraschung! Für eine Stadt wie Düsseldorf braucht man kein Auto. „Es ist so, als wenn es plötzlich ‚klick‘ gemacht hätte. Die Leute entdeckten das Fahrrad. Gerade während des Lockdowns. Sie stellten fest, dass Radfahren Spaß macht; ein Gefühl von Freiheit vermittelt.“ Anja Berger lächelt. „Kein Wunder, gähnende Leere in der Stadt, so gut wie kein Autoverkehr. Man wollte raus, sich sportlich betätigen. Da blieb nicht viel übrig.“

So hätten dann viele Kunden ihre „alten Möhren“ aus dem Keller geholt und mit ihnen, verstaubt und ungepflegt wie sie waren, die nächste Reparaturwerkstatt angesteuert. „Das gab dann manchmal enttäuschte Gesichter, wenn wir einen Preis aufriefen oder gar ablehnten. Aber ein Fahrrad für 200 Euro aus dem Supermarkt ist und bleibt ein Wegwerfprodukt. Mehrere 100 Euro für einen Schrotthaufen. Vorausgesetzt man bekäme die notwendigen Ersatzteile überhaupt noch.“

Aber auch hier ist – dank Corona – ein Sinneswandel festzustellen. Beim Fahrradkauf wird verstärkt auf Qualität geachtet. Die Anforderungen an Funktionalität und Haltbarkeit sind gestiegen. Mit dem Fahrrad will man Einkaufen, Kinder transportieren, den nächsten Urlaub planen; Corona-bedingt in deutschen Landen und vielleicht mit Zelt. „Vor allem Männer!“ Anja Berger lacht. „Die Show! Jedes Detail muss stimmen. Die Komponenten werden einzeln zusammengestellt und immer wieder diskutiert. Da geht es um das passende Design, die Vermessung der Sitzposition, aber auch um Details wie die Beschaffenheit der Handgriffe am Lenker oder den Sound der Klingel.“

Statussymbol Fahrrad

Qualität hat nun mal ihren Preis. Was in der Automobilbranche schon immer eine Selbstverständlichkeit war, ist jetzt auch im Fahrradhandel angekommen. Und auch hier gilt: Man protzt nicht. Wahre Qualität zeigt sich durch Understatement. Die Fahrradbranche in Düsseldorf präsentiert sich in sympathischer Vielfalt. Von dem Ein-Mann-Betrieb auf der Ackerstraße, in dem Rainer Schottke seit 37 Jahren zuverlässig schraubt, dem Düsselrad, wo Jojo Maes auf Hollandräder mit Ballonreifen schwört, Schicke Mütze, dem Laden für Velo-Aficionados, Westside, einem Spezialisten für Rennräder und Mountainbikes, den Traditionalisten von Jung & Volke bis hin zum wirklich großen Rad ab ist alles vertreten.

Wenn Fahrradschrauber Engel sind...

Wenn Fahrradschrauber Engel sind…

„Wir tun uns alle nichts. Jeder hat so seine Nische.“ erklärt Stefan Zimmermann von Fahrrad Engel. Er ist bisher der einzige, der wegen Corona über Einbrüche klagt. „Unser Geschäft ist die Reparatur vor Ort. Wir arbeiten für die Polizei, für Schulen und für Großfirmen, die selbst über einen Fahrradpark verfügen oder ihren Mitarbeitern Service bieten wollen. Das kam mehr oder weniger zum Erliegen.“ Aber auch er ist durchaus aufgeräumter Stimmung und freut sich über die große Nachfrage.

Schrauber contra Mechatroniker

Im Drahtesel auf der Gneisenaustraße gibt sich Kikki, ein junger Mann mit Rasterlocken und dunkler Hautfarbe als Leiter des täglichen Betriebes zu erkennen. „Unsere Chefin ist selten hier. Vielleicht eine halbe Stunde am Tag. Den Rest machen wir“, erklärt er in perfektem Deutsch mit rheinischem Akzent. Auch hier brummt es. In weitläufigen Räumlichkeiten sind fünf bis sechs Personen gleichzeitig am Arbeiten. Alles steht voll mit Fahrrädern. „Was uns fehlt, das ist Personal! Gerade jetzt würden wir sofort einstellen! Natürlich wäre schön, wenn derjenige zumindest wüsste, wie man einen Schlauch wechselt, wie man Bremsen und Schaltung einstellt. Aber auch Leute für Lager und Zuarbeitung können wir gebrauchen.“

Moment, muss nur noch das Laufrad wechseln...

Moment, muss nur noch das Laufrad wechseln…

Ein Wunsch, mit dem Kikki nicht alleine ist. In nahezu allen Fahrradgeschäften herrscht Personalmangel; vielleicht eine Frage der Honorierung? Der Lohn für einen Zuarbeiter liegt beim Mindestlohn, ein Schrauber beginnt mit 11 bis 12 Euro pro Stunde. Wieder einmal zeigt sich Nachholbedarf in der Fahrradbranche. Der Schrauber in der Autobranche trägt die Bezeichnung Mechatroniker und hat einen hochqualifizierten und gut bezahlten Job.

Auch beim Bicycle Doktor auf der Derendorfer Straße wird das Geld zur Hauptsache mit Reparaturen verdient. „Wir sind ein Dienstleistungsbetrieb, und Dienstleistung hat ihren Preis. Unsere Arbeitsstunde kostet 60 Euro,“ erklärt Andreas Brossmann selbstbewusst. „Die Leute glauben immer, dass ein Fahrrad keine Folgekosten hat. Nach der Devise: der Kauf war teuer genug, ab jetzt bitte kostenfrei. Das ist leider falsch. Man sollte, zumindest gedanklich, einen Betrag für Wartung und Reparatur zurücklegen. Um eine Zahl zu nennen: 15 Euro monatlich bei 5000 Kilometern pro Jahr; gilt nicht für E-Bikes, die sind deutlich teurer.“

Mehr Platz fürs Fahrrad – dank der Lobby der Fahrradfahrer

„Natürlich hat sich die Situation für Radfahrer verbessert.“ Peter Rewald vom Re-Cycler sieht es pragmatisch. „Wer das Gegenteil behauptet, der ist weder vor 30 Jahren, noch vor zehn oder fünf Jahren in Düsseldorf Rad gefahren. Hoch aktuell: Sogar die Paketdienste stehen nicht mehr auf dem Radweg. Sie halten im Fließverkehr daneben.“ Peter Rewald ist seit Ewigkeiten Fördermitglied des ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrradclub). Eine Selbstverständlichkeit für ihn.

„Der ADFC ist ein politisches Gremium, das im Kontakt mit der Stadt steht, wenn es um Radwegeplanung geht. Er moniert es, wenn bei Großvorhaben oder vorübergehenden Baustellen der Radweg vergessen wird. Er ist maßgeblich beteiligt, wenn es um Umweltspuren geht, um Abstandhalten, um die Rechte der Radler ganz generell.“ Das sei ein Job, den er persönlich nicht geschenkt haben wolle. Aber er sei froh, dass das jemand mache. Noch dazu ehrenamtlich. Er lächelt. „Natürlich gibt es solche und solche beim ADFC. Der eine würde am liebsten die gesamte Innenstadt für den Autoverkehr sperren, SUVs die Spiegel abtreten und Falschparker über die Falschparker-App zur Anzeige bringen. Andere dagegen sind eher gemäßigt und arbeiten produktiv mit der Stadt zusammen.“ Rewalds Fazit: „Der ADFC ist maßgeblich daran mitbeteiligt, dass heute auch die Leute in Düsseldorf Rad fahren, denen es früher zu gefährlich war. Davon profitiert der Fahrradhandel.“

Ein Kommentar

  1. Vielen Dank für dieses Stimmungsbild einiger Düsseldorfer Radläden! Sie sind zurecht als „systemrelevant“ eingestuft worden.