Bericht · Am Ende waren alle froh, dass es vorbei war. Die Braunschweiger, weil sie a) die Null gehalten und b) nicht verloren hatten. Die Fortunen, weil es fortunistisch gewesen wäre, sich als lange überlegene Mannschaft in der Nachspielzeit noch einen zu fangen. Der Schiri, weil ihn die BTSVler nach einer groben Fehlentscheidung nicht geteert und gefedert hatten. Und wir wohlmeinenden Fußballglotzer, dass wir uns endlich etwas Unterhaltsamem zuwenden konnten. Insofern hat alles seine gute Ordnung. [Lesezeit ca. 7 min]

Und doch war es – wie es im Jargon des handelsüblichen Fußballberichterstatters heißt – „ein 0:0 der besseren Sorte“. Und das lag in erster Linie an der Eintracht und ihrem Trainer. Der hatte sein Team voll korrekt ein- und aufgestellt und über 90 Minuten perfekt gecoacht. Denn auch der zählt zu den Übungsleitern, die an der Seitenlinie auf und ab tigern und Anweisungen an die Schützlinge grölen. Weil man das bei diesen Malefiz-Geisterspielen so wunderbar deutlich hören kann, lässt sich die Qualität dieses Coachings ganz gut beurteilen. Angesetzt war beim BTSV ein 3-5-2, das vorwiegend tief stand, also mit einer Fünferkette als Verteidigungslinie. Weil die beiden nominellen Stürmer in Abwehrsituationen die Mittelfeldkette verstärkten, gab es mit den üblichen Mitteln kein Durchkommen.

Unterstützt TD!
Dir gefällt, was The Düsseldorfer über die Fortuna schreibt? Und vielleicht auch die Artikel zu anderen Themen? Du möchtest unsere Arbeit unterstützen? Nichts leichter als das! Unterstütze uns durch ein Abschließen eines Abos oder durch den Kauf einer Lesebeteiligung – und zeige damit, dass The Düsseldorfer dir etwas wert ist.

Genau an dieser Stelle findet sich aber auch der Haken, der letztlich zum Nichtsieg der Rotweißen führte: es wurde ausschließlich mit den üblichen Mitteln gearbeitet. Das hätte reichen können, wenn a) die ganze Geschichte viel öfter mit viel höherem Tempo veranstaltet worden wäre und b) die Flügelburschen kreativer und zielgerichteter agiert hätten. Dass hinten nichts anbrannte, lag natürlich am Hoffmann-Danso-Bollwerk und dem recht schwachen Auftreten der gelbblauen Stürmer. So durfte Flo Kastenmeier ein paar Bälle fangen, musste nur einmal, na ja, retten und konnte sich so auf seine Rolle als Libero hinter den Innenverteidigern konzentrieren.

BTSV vs F95: Die Fortuna-Startaufstellung (Sky-Screenshot)

BTSV vs F95: Die Fortuna-Startaufstellung (Sky-Screenshot)

Nun kann man die geringe Durchschlagskraft der F95-Offensive natürlich leicht auf die Startaufstellung schieben. Aus des Röslers Worten vor dem Spiel hätte man Rotation erwarten können, tatsächlich aber hielt sich der England-Sachse an das Prinzip vom nicht zu verändernden Gewinner-Team. Lediglich für den leicht verletzten Shinta Appelkamp musste jemand anderes einspringen. Dass dies ausgerechnet Brandon Borrello sein würde, damit hatten nur wenige gerechnet. Der, so hieß es, habe sich im Training aufgedrängt. Muss er auch, weil sein Leihausflug nach Düsseldorf für ihn sonst als Misserfolg endet. Tatsächlich rannte der Aussie wie ein Duracell-Häschen mit frischer Batterie und zeigte so demonstrativ Einsatz, Kampf und Willen, dass es schon fast zum Schmunzeln war. Wie bei all seinen Auftritten im F95-Dress blieb das Ganze aber weitgehend wirkungslos. So tat sich auf der rechten Seite also schonmal wenig.

BTSV vs F95: Borrello - ein Fall für sich (Sky-Screenshot)

BTSV vs F95: Borrello – ein Fall für sich (Sky-Screenshot)

Aber auch Kristoffer Peterson, der sich ja weder in Liverpool noch in Swansea durchsetzen konnte und für kleines Geld zur Fortuna stieß, kann nicht immer überzeugen. Gestern war wieder so ein Abend, wo er seine Fähigkeiten einfach nicht gerade auf den Rasen bringen konnte. An irgendeine halbwegs interessante Flanken vom jungen Schweden kann sich Ihr Ergebener nicht erinnern. Und das war’s dann auch mit der linken Seite. Wohlgemerkt: Die Hausherren machten diese Außenseiten aber auch mit einem annähernd perfekten Stellungsspiel so dicht, dass vermutlich nur Doppelpassmagier dauerhaft auf den Flanken durchgekommen wären. Oder aber so richtig gute Dribbler. Hatten die Fortunen beides nicht an Bord. Also wurde dann doch vieles durch die Mitte probiert.

BTSV vs F95: Karaman hat's versucht (Sky-Screenshot)

BTSV vs F95: Karaman hat’s versucht (Sky-Screenshot)

Nun ist es so, dass in Situationen wie diesen viel Last auf Kenan Karaman zukommt, wenn er denn aufgestellt ist. Dem hatte Sky übrigens ein kleines Feature vor dem Spiel gewidmet, in dem er sein Statement bekräftigte, mit der Fortuna aufsteigen zu wollen, und ausgesprochen sympathisch rüberkam. Jedenfalls hatte der gestern gleich mehrere Aufgaben. Wie immer führte er zusammen mit Rouwen Hennings das Pressing an, außerdem fand er sich bei echten Angriffen immer irgendwo am Fünfer, dann war er bei Ecken als Kopfballkanonier im Einsatz und schließlich versuchte er, das Offensivspiel durch die Mitte zu organisieren. Bisschen viel für einen Kerl, oder? Dabei hätten genau die beiden Spitzen in der 9. Minute beinahe ein schickes Tor gemacht.

BTSV vs F95: Rouwen Hennings im Kampfmodus (Sky-Screenshot)

BTSV vs F95: Rouwen Hennings im Kampfmodus (Sky-Screenshot)

Und zwar: Von Links segelt ein hohervon Luka Krajnc stammender Ball in „die Box“ des BTSV, den Rouwen mit der Brust stoppt und mit voller Absicht auf den heranlaufenden Kenan drückt, der auch zum Schuss kommt, den der Braunschweig-Keeper klasse abwehrt. Viel mehr kam dann aber auch nicht von den Spitzen. Was aber auch daran lag, dass sie nicht nur von den Außenjungs zu wenig gefüttert wurden, sondern auch vom Regisseur Eddie Prib. Dem sah man spätestens um die 70. Minute herum die Ratlosigkeit an, dem fiel aber schon viel früher nicht mehr viel ein. Bei Licht betrachtet zeigte sich rund um seine Position aber auch das Problem der „Laufwege“, also das Wissen aller Kollegen darum wie die anderen Kollegen in den verschiedenen Situationen so laufen. Dieses Wissen killt Kreativität. Das konnte man gestern schön sehen.

BTSV vs F95: Eddie Prib, ein Mann mit Profil (Sky-Screenshot)

BTSV vs F95: Eddie Prib, ein Mann mit Profil (Sky-Screenshot)

Nicht dass wir uns missverstehen: Die glorreiche Fortuna war über die gesamte Spielzeit hinweg die bessere Mannschaft, ja, 75 von den 90 Minuten sogar überlegen, was sich am Ende auch in allen statistischen Werten ausdrückt – von der Laufstrecke über 60 Prozent Ballbesitz und eine gute Passquote von 83 Prozent bis hin zur soliden Zweikampfbewertung. Zudem fiel nicht nur die gute Passsicherheit auf, sondern sowohl eine klasse Ballbehauptung als auch das Erobern der sogenannten „zweiten Bälle“. Alles gut, also. Woran es durchweg mangelte, war die Geschwindigkeit. Und das meint nicht so sehr die Rennerei, sondern die Gehirnwindungen, in denen nie wirklich Speed aufkam.

Vielleicht beruhte dieses verhaltene Verhalten ja auf einem Missverständnis rund um den Begriff „Geduld“. Der fiel seitens der Mannschaftsbetreuung im Vorfeld häufig und wurde im Pauseninterview von Geburtstagskind Uwe Klein noch einmal verstärkt. Geduld mag ja schön und gut sein, um Tore durch Konter zu verhindern, um eine Partie zu gewinnen, müssen die Akteure dann aber doch irgendwann ungeduldig werden. Am besten nicht erst ab er 85. Minute, weil dann die Gefahr zu groß wird sich das zu fangen, was handelsübliche Fußballkommentatoren „Lackipansch“ zu nennen nicht müde werden. Der richtige Zeitpunkt für ein bisschen Ungeduld wäre so um die 60. Minute herum gewesen. Und es steht zu vermuten, dass dies auch die Ansage der Coaches rund um die Einwechslungen von Tony Pledl (für Borrello) und Emma Iyoha (für Peterson) war – beides gleichzeitig auch leichte Misstrauensvoten gegen die Ausgewechselten.

BTSV vs F95: Uwe Klein, das Geburtstagskind (Sky-Screenshot)

BTSV vs F95: Uwe Klein, das Geburtstagskind (Sky-Screenshot)

Während der Pledl Tony sein bisher bestes Spiel in dieser Saison machte (und als Starter möglicherweise… ach, lassen wir das), blieb der genesene Emma ein bisschen blass. Irgendwie stand er immer ein bisschen seitab vom Geschehen, beobachtete genau, was Karaman und Hennings so trieben und versuchte mit wenig Erfolg ein paar Dribblings. Echte Bindung sieht anders aus. Aber, wen wundert’s, dass dieses hausgemachte Riesentalent nach seiner Krankheit noch Zeit braucht? Fragt sich nur, ob er sich wirklich auf Linksaußen so wohl fühlt, dass er dort reüssieren kann. Ihr Ergebener sieht ihn eher als dritte Spitze in Partien, bei denen es sich anbietet mit drei Spitzen zu spielen.

Haben wir sie alle? Nein, Alfie Morales fehlt noch. Der hat ja nun seine Position als echter Sechser gefunden und machte auch gestern die Sache gut, ohne allzu viel Einfluss aufs Offensivgeschehen zu nehmen. Das galt leider auch für den strunzsoliden Außenverteidiger namens Luka Krajnc, nicht aber für Zimbo Zimmermann, der aber das Zusammenspiel mit Borrello oft vergebens suchte und mit der Einwechslung von Pledl wirkungsvoller wurde. Übrigens: Da weder Hoffmann noch Danso irgendetwas für die Spieleröffnung taten außer hohe Bälle nach vorne zu schlagen, blieb diese Last tatsächlich komplett an Prib hängen – vielleicht der Grund dafür, dass er einen Hauch überlastet wirkte.

BTSV vs F95: Auch die Standards brachten nichts (Sky-Screenshot)

BTSV vs F95: Auch die Standards brachten nichts (Sky-Screenshot)

Grämen wir uns nicht. Vor allem nicht deswegen, weil es keinen Siegesserienrekord gab – dafür kann man sich eh nichts kaufen. Nehmen wir den Punkt mir Freude an. Und vor allem: Hoffen wir, dass die Trainer aus der Partie etwas lernen. Denn vergleichbare Spiele gegen Mannschaften aus dem Tabellenkeller (…wieder solch ein Unwort…) wird es vermutlich ab sofort öfters geben; also diese Geduldsdinger. Ganz offensichtlich hat das Coaching-Team dafür noch kein wirkliches Rezept – schlicht und einfach, weil sie es bisher nicht brauchten. Ein solches Rezept könnte sogar aus einem anderen Spielsystem (4-3-3, zum Beispiel) bestehen und natürlich mit anderen Startspielern bestückt sein. Es könnte auch sehr wichtig werden, Gegner, die meinen, sie wüssten wie die Fortuna 20/21 tickt, zu überraschen. Dann wird’s auch was mit dem Auf… Huch, jetzt hätte Ihr höchst ergebener Berichterstatter beinahe das A-Wort in die Tastatur gehauen.

4 Kommentare

  1. Schwere Kost, keine Frage. Aber kein Beinbruch.
    Jeder Punkt zählt und die kommenden Spiele gegen Platz 1.-4. sind „wichtiger“.
    Forza Fortuna

  2. Braunschweig hat quasi das für Ihre Situation legitime System „8-1-1“ genutzt. Da ist es für jeden Gegner schwer, Räume zu finden. Das einzige Mittel ist schnelles „One-Touch“ Spiel, was aber auf so einem Acker schwer ist. Die Platzverhältnisse gelten natürlich (Achtung Phrasenschwein) für beide Mannschaften. Bist Du aber in der Hauptsache auf zerstören aus, kommen Dir die Platzverhältnisse entgegen.

    Es wäre eigentlich Fortuna typisch gewesen, so ein Spiel zu verlieren. Was F95 richtig gemacht hat, ist geduldig zu spielen, wenn auch leider, wie Rainer ansprach, über 93 Minuten . Auch mit Querpässen, eben immer den freien Mann suchen. Hektisches Spiel nach vorne führt zu Fehlern und Kontern und letztendlich zu Niederlagen.

    Schlecht war tatsächlich das Flügelspiel. Petersen und Borello hatten einen schlechten Tag. Beide hätten m. A. n. zur Halbzeit bereits ausgewechselt werden müssen. Mit Borello wird das nichts mehr, so meine Einschätzung aus der Ferne. Pledl brachte etwas mehr Schwung, war aber auch gestern und wie fast immer während seiner Einsätze nicht konstant. Über Iyoha brauche ich nicht reden, der kommt schon noch. Ofori hätte vielleicht etwas bewegen können, aber gegen diese robusten Braunschweiger? Kownacki hätte auch früher reingekonnt, in so wenigen Minuten kann man selten viel bewegen.

    Ja, einerseits scheinbar zwei verschenkte Punkte. Andererseits aber auch wieder im Stile einer Spitzenmannschaft, mal mit einem Punkt zufrieden zu sein, wenn man erkennt, dass an diesem Tag bei einem nicht mehr geht. Zu oft dürfen solche Spiele aber nicht gezeigt werden, sonst wird der Abstand zu den Aufstiegsplätzen am Ende doch zu groß. In Aue wird es z.B. auch nicht viel einfacher.

    Was Neuzugänge angeht, eigentlich wie schon letzte Saison. Auf den Flügeln hapert es.

  3. Meiner Meinung nach wurden die Auswechselungen viel zu spät getätigt. Pledel war ein belebendes Element, da er, wie es sich für einen Flügelspieler gehört, öfter das Eins gegen Eins sucht, dribbelstark und auch mal den langen Pass fordert. Borellos Einsatz in allen Ehren, aber es reicht einfach nicht zu kämpfen und Bälle nach hinten zu verteilen. Auf der anderen Seite sucht Petterson zwar schon mal das Eins gegen Eins, scheint aber in seiner Dribblingfähigkeit eher beschränkt zu sein und da er den linken Fuß scheinbar nur zum Stehen gebraucht ist er für Flanken, die unsere Stürmer dringend brauchen, zu leicht ausrechenbar. Hier hätte ich mir spätestens zur Halbzeit Koutris gewünscht, der nicht nur dribbelstark ist, sondern immer bestrebt ist, den Ball vor’s Tor zu bringen. Iyoha fände ich im Zentrum besser aufgehoben. Auf dem Flügel eher, wenn wir mit drei Stürmern agieren sollten. Aber es war trotzdem schön, ihn wieder auf dem Platz zu sehen!
    Vielleicht wäre es auch mal an der Zeit viel intensiver unsere Standards zu trainieren und Schüsse aus der zweiten Reihe zu forcieren. Bei derart defensiven Gegnern wird das ein probates Mittel sein. Und das ewig lahme Hintenrumspielen kann man mal machen, um sich zu sortieren, aber das Tempo in dem wir uns die Bälle zuspielen sollte dann doch mal etwas schneller sein, sonst werden wir arge Probleme haben, in Zukunft solch destruktive Gegner zu besiegen.

  4. Ich finde es großartig, wie schonend UR mit Kownacki, Koutris, Sobottka und Pledl umgeht. Welche Fürsorge, welches Verantwortungsbewusstsein! Da ist die Verletzungsgefahr nicht so groß und sie können sich bei Borrello und Peterson ordentlich abgucken, wie man es (besser nicht) macht.
    Im Ernst: Wenn der brasilianische Grieche nur halb so gut ist, wie es die Fama besagt, wäre es ein Skandal, den Mann (und Kownacki) versauern zu lassen wie weiland Christian Gartner, der mehr konnte als Stehgeiger Liedl, aber frustriert augenscheinlich immer mehr den Mut verlor.
    Iyoha hab ich schon richtig gut, weil klug und mit Bedacht spielen sehen. Der kann bestimmt auch „offensives Mittelfeld“ als Takt- und Passgeber! Auch der schnelle (!) Pledl war absolut belebend.