Der folgende Beitrag zum Thema „Public Viewing“ erschien zur EM 2008 in der Rainer’schen Post und beschreibt, welches politische Ränkespiel samt original Erwinistischem Klüngel seinerzeit verhinderte, dass es ein Public Viewing in Düsseldorf gab. Denn damals, als noch nicht jede Eckkneipe einen flachen Großbildfernseher (oder mehrere) hatte, wären viele Fußballfreunde froh über die Gelegenheit für einen Rudelguck gewesen – im Gegensatz zu heute.

SpON brachte gestern einen netten Artikel zum Thema „Public Viewing“. Als Infokasten dazu gibt es die Liste aller deutsche Städte, in denen ein öffentliches Public Viewing zur EM angeboten wird. Die einzige deutsche Großstadt mit mehr als 500.000 Einwohnern, die in diesem Verzeichnis fehlt, ist Düsseldorf. Und das obwohl die Veranstaltungen zur WM 2006 im Paul-Janes-Stadion am Flinger Broich extrem erfolgreich waren. Der Grund für dieses Desaster ergibt sich aus folgendem Zitat aus einem Bericht der Rheinischen Post:

„Die Stadt hat dieselbe Agentur wie bei der Weltmeisterschaft vor zwei Jahren beauftragt – aber die Sponsoren fehlen. 600 000 Euro müssen her. Wer die Spiele der Fußball-Europameisterschaft vom 7. bis 29. Juni verfolgen will, kann dies möglicherweise nur zu Hause oder in einer Kneipe machen. Denn noch ist nicht gesichert, dass die Partien auf einer Großbildleinwand im Paul-Janes-Stadion gezeigt werden. Die Chancen stehen nach Angaben von Mario Di Ninni 50:50. Er ist stellvertretender Geschäftsführer von Breitbandevent. Das Kölner Unternehmen hat mit der Stadt einen Vorvertrag für ein Public Viewing abgeschlossen.“
(Quelle: RP Online vom 12.04.2008)

Die Fakten

Die Fakten: Veranstalter 2006 war die Kölner Agentur Breitbandevent. Das Unternehmen wurde 2005 von einer gewissen Carmen Dohmen gegründet. Als Startkapital dienten die 250.000 Euro, die sie als Gewinnerin der RTL-Show „BigBoss“ absahnte. Daran dass ausgerechnet sie gewann, hatte der Big Boss himself, Reiner Calmund, großen Anteil. Man könnte auch sagen: Carmen Dohmen war seine Wunschsiegerin. Kein Wunder, dass eben jener Calmund nach der Gründung von Breitbandevent fördernd eingriff. Sein Einfluss ist an den Referenzen der Agentur gut abzulesen. Da finden sich unter anderen die Stadtwerke Düsseldorf AG (SWD), die AWISTA Gesellschaft für Abfallwirtschaft und
Stadtreinigung mbH (Düsseldorf) und die Fortuna Düsseldorf Sportwerbe GmbH – immerhin machen diese Kunden ein Viertel aller Referenzen aus. Und alle haben sie in der Zeit zu Breitbandevent gegriffen, in der Reiner Calmund Aufsichstratsmitglied von Fortuna Düsseldorf war (April 2005 bis April 2008), wobei die SWD AG Trikotpsonsor von F95 ist. Hauptsponsor des so genannten „Fan-Stadion“ zur WM war übrigens auch die SWD AG; die Kosten für den Sponsor lagen im mittleren sechstelligen Bereich.

Die Frage, warum ausgerechnet eine unerfahrene Eventagentur aus Köln damals den Zuschlag erhielt, wo sich doch in Düsseldorf hochprofessionelle Event-Spezialisten zuhauf tummeln, wurde nie abschließend geklärt. Zu vermuten ist, dass das Rathaus in Gestalt von OB Joachim Erwin und vor allem die Düsseldorf Marketing & Tourismus GmbH (DTM) mit der Geschäftsführerin Christina Begale Einfluss genommen hat. Denn zwischen Calmund und Begale gab es offenbar ein inniges Verhältnis.

Der Klüngel

Es sieht so aus, als ob auch das Public Viewing zur EM 2008 wieder der Agentur Breitbandevent zugeschustert werden sollte, denn denn der OB und seine Hofschranzen hatten im Vorfeld alles getan, das öffentliche Zeigen von EM-Spielen zu verhindern:

„Die SPD wollte durchsetzen, dass Spiele live auf dem Burgplatz oder einem anderen zentralen Platz in der Innenstadt gezeigt werden sollten. Das Gemeinschaftsgefühl des Public Viewing im Paul-Janes-Stadion sei zwar nett, aber nicht ausreichend gewesen, sagte Sportpolitikerin Petra Kammerevert. CDU und FDP stellten sich quer. Sie folgten der Argumentation von Oberbürgermeister Joachim Erwin und Polizeipräsident Herbert Schenkelberg. Eine Fanmeile in Altstadtnähe sei viel zu riskant; es könne zu Ausschreitungen kommen, die nicht mehr kontrollierbar seien. Außerdem gebe es Kollisionen mit anderen Großveranstaltungen wie Japanfest, Bücherbummel und Drachenbootregatta.“
(Quelle: RP Online vom 12.04.2008)

Weil die von Kritikern gern „Erwinista“ genannte Peergroup rund um OB Erwin alle anderen Public-Viewing-Möglichkeiten blockierte und keinen Mitbewerber gegen Breitbandevent antreten ließ, werden die Düsseldorfer Fußballfans jetzt leer ausgehen. Denn der Agentur des Calmund-Schützlings Dohmen gelang es nicht, einen Sponsor zur Finanzierung der Veranstaltung zu finden. Für die – ebenfalls von OB Erwin und seinen Leuten so etikettierte – „Sportstadt“ Düsseldorf ist der Vorgang mehr als peinlich. Besonders wenn die Fans nach Neuss oder Essen ausweichen müssen, um wenigstens einen Hauch von Sommermärchen-Feeling erleben zu können.

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