[Glosse] Vielleicht haben sie sich zuerst klammheimlich gefreut in der DFB-Zentrale, dass es nun Geisterspiele in den Ligen geben wird. Denn wo keine Zuschauer, da keine Proteste gegen den Verband und sein kommerznahes und fanfernes Treiben. Möglicherweise hat sie beim Weiterdenken aber die kalte Angst erwischt: Was soll aus unserem schönen Produkt bloß werden ohne anfeuernde Fans? Außer für die Anhänger der unmittelbar beteiligten Vereine sind Partien, die unter Ausschluss von Zuschauern stattfinden, völlig uninteressant – ausgenommen die Ergebnisse, die ja dem wettenden Volk enorm wichtig geworden sind. Wer würde sich schon freiwillig Golfsburg gegen Hoffenheim anschauen, wenn er nicht ein paar Euro gesetzt hat? Aber, der DFB und die internationale Verbände haben sich noch mehr Nesseln zum Reinsetzen geschaffen. Der Gesamtspielplan im europäischen Fußball ist durch die geldscheffelnde Ausdehnung der Wettbewerbe mittlerweile so dicht gewebt, dass Spielverlegungen praktisch kaum noch möglich sind.

Vor allen in Jahren, in denen eine Welt- oder Europameisterschaft stattfindet. Haben die Prognosen der Experten Bestand, könnte die gefährliche Welle der Corona-Epidemie in Deutschland frühestens in sechs Wochen ihren Zenit überschritten haben. Was heißt, dass Bundesligapartien mit Zuschauern nicht vor dem 19. April wieder stattfinden könnten – eine Pause von mindestens sechs Wochen wäre eigentlich nötig. Womit die reguläre Saison dann erst Ende Juni zu Ende wäre. Da liefe die EM dann aber im Prinzip schon seit zwei Wochen. Genauso verzwickt sieht es bei der Champions und der Europa League aus, deren Ablauf auch nicht um mehrere Wochen verzögert werden könnte. Und irgendwann finden dann ja auch noch die Olympischen Sommerspiele in Tokio statt – wenn sie überhaupt stattfinden. Wie es aussieht, ist das globale Sport-Business von der Pandemie in viel schlimmeren Maße betroffen als beispielsweise die Autoindustrie.

Einzig faire Lösung: Saison neutralisieren

Also muss um jeden Preis in leeren Stadien gekickt werden. Die Show muss weitergehen, die Saison irgendwie abgewickelt werden. Dass der Ausgang der Meisterschaft schon jetzt nach den ersten angekündigten Geisterspielen zur Farce verkommt, hat vor allem mit der dramatischen Wettbewerbsverzerrung zu tun, denn welche Mannschaft gegen wen ohne Support wird abtreten müssen, ist rein zufällig, könnte aber für den jeweiligen Ausgang von entscheidender Bedeutung sein. Zum Beispiel bei der für kommenden Freitag angesetzten Begegnung zwischen Fortuna und Paderborn. Konnten die Fans der Ostwestfalen ihr Team in der Möbelhalle noch lautstark nach vorne pushen, wird man in der TV-Übertragung des Spiels die Anordnungen von Trainer Rösler durch die leere Arena hallen hören.

Da sich die Experten nicht einige darüber sind, wie lange das Großveranstaltungsverbot nötig ist – es können auch Monate werden – gibt es nur eine einzige, wenn auch radikale Lösung: In den obersten drei Ligen wird jeweils die ganze Saison neutralisiert. Das bedeutet: Es gibt keinen Meister, keine Relegation, keinen Aufstieg, keinen Abstieg. Hört sich verrückt an, hat es in anderen europäischen Ligen aber schon gegeben. Für die Spielzeit 2020/21 hieße das, dass alle Ligen genau da anfangen, wo sie auch 2019/20 gestanden haben.

Nachtrag: Die Deutsche Eishockeyliga (DEL) hat soeben bekannntgegeben, dass es keine Playoff-Spiele geben und dass die Meisterschaft per sofort beendet wird. Einen Meister 2019/20 wird es nicht geben.

2 Kommentare

  1. War es nicht auch mal ein Thema, die Saison auf das Kalenderjahr zu verlegen?

    Wäre jetzt ein guter Zeitpunkt. Die Saison pausieren und im September / Oktober zu Ende spielen. Die neue Saison startet dann im Februar 2021. In den Jahren mit EM / WM wird dann zu Beginn und Ende der Saison verschoben.

    Was jetzt passiert, ist eine weiterer, willkürliche Wettbewerbsverzerrung. Zusätzlich zu der durch die Verteilung der Gelder erzeugte.

    Auch wenn momentan alle Sportarten im Fall von Corona betroffen sind, Fußball ist eigentlich nur noch scheiße.

  2. Ich frage mich ob wir wirklich in einer kritischen Gesellschaft leben. Ich denke wir leben mehr in einer ängstlichen Gesellschaft. Merken wir eigentlich noch, dass wir wirklich in eine ernsthafte finanzielle Krise geraten wenn wir so weitermachen. Der Einzelhandel hat schon starke Einbußen von bis zu 20% vom Aktienmarkt will ich hier nicht sprechen.
    Österreich hat jetzt sieben infizierte Schüler (ohne weitere Symptome), schließt aber jetzt für ca. 1,5 Millonen Schüler die Schulen. Es sollen aber nicht die Großeltern auf die Kinder aufpassen. Nochmal gibt es keine kritische Reflexion dieser Maßnahmen hinsichtlich ihrer Logik ? Eine willkürliche Maßnahme von mir wäre es keine Amerikaner mehr einreisen zu lassen und zwar einen Monat lang. Einfach nur so.