In unserem Interview mit den Macher*innen hatten wir es schon erwähnt: Eigentlich sollte es zum 30-jährigen Jubiläum ein besonders opulentes Düsseldorf Festival werden, das mit internationalen Künstlern und besonderen Produktionen gespickte Programm stand schon. Aber dann kam Corona, und dem Team wurde klar: Wie geplant würde es nicht gehen. Besondere Ideen waren gefragt, neue Koalitionen und sogar ein neuer Ansatz. Denn das wunderbare Theaterzelt würde es nicht geben können, viele andere Spielorte würden sich nach den Corona-Regeln nicht nutzen lassen und das Gros der Ensembles aus dem Ausland würde gar nicht anreisen können. Ein neues Konzept musste her, und es wurde gefunden. Das Düsseldorf Festival wird ein Fest der Gemeinschaft, der Solidarität und des Miteinanders sein, bei dem vor allem Künstlern aus Düsseldorf und der Region im Mittelpunkt stehen würden. Wir haben uns das Programm angeschaut – hier sind unsere besonderen Empfehlungen.

Faces to Face im „kleinen“ Zelt auf dem Burgplatz

Das große Theaterzelt im Schatten des Schlossturms war immer das Epizentrum des Düsseldorf Festivals. Wer erinnert sich nicht an berauschende Aufführungen, aber auch daran, wie der Wind an den Planen zerrt und sich die Geräusche der Feierwütigen an der Promenade und dem unteren Rheinwerft mit den Klängen der Künstler im Zelt mischten. Oder wie die Bar im Zelt drei Wochen lang Treffpunkt aller Kulturinteressierten der Stadt war. Dass nicht rund 600 Menschen dicht an dicht im Zelt sitzen könnten, um die spannenden Produktionen auf der Bühne zu genießen, war ab März klar. Und die Kosten für ein Großzelt, in dem wegen der Abstandsregeln vielleicht 150 Zuschauer Platz fänden, stünden in keinem Verhältnis zum Ergebnis. Gut, dass D.LIVE mit der Mitsubishi Electric Halle einspringen konnte, dazu später mehr.

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Die Idee, Künstler von einzelnen Zuschauern oder höchstens Paaren auftreten zu lassen, ist nicht ganz neu, und das Düsseldorf Festival hat sie nicht exklusiv, aber dafür ein kleines Zelt auf den großen Platz direkt am Rhein aufzustellen, ist wunderbar. Dass dort vor allem Künstler*innen aus der Region jeweils acht Vorstellungen zu je 15 Minuten geben, macht die Sache besonders attraktiv. Die Palette der Angebote des Programms „Face to Face“ reicht von Reiner Witzel mit seinem Solosaxofon und den Vibraphonisten Matthias Haus über Kevin Anderwaldt mit seinen Percussion-Performance und Yuko Kojima-Bauer mit ihrer japanischen Bambusquerflöte bis zu Dariya Maminova mit ihrer elektronischen, instrumentalen und vokalen Musik, der Lesung mit Musik des Schauspielers Mathias Fuhrmeister und Philipp Alfons Heitmann, der Schurkenmonologe aus seinem Solostück „Shakespeare’s Villains“ spielen und schmutzige Heimatlieder singen wird, je nach Wunsch auf Deutsch oder Englisch.

Wer sich für diese Schmuckstücke aus den Sparten Musik und Theater interessiert, sollte sich beeilen, viele Vorstellungen im kleinen Zelt auf dem Burgplatz sind bereits ausverkauft.

Ein Hauptereignis des Düsseldorf Festivals 2020: Kreidler spielen in der Mitsubishi Electric Halle

Ein Hauptereignis des Düsseldorf Festivals 2020: Kreidler spielen in der Mitsubishi Electric Halle

Kreidler und Egopusher in der Mitsubishi Electric Halle

Man wird ja wohl keiner*m hiesigen Musikinteressent*in etwas über die Band Kreidler erzählen müssen, die seit mehr als einem Vierteljahrhundert mit höchster Kreativität, immer ein bisschen von Geheimnissen umwabert Musik auf den Feldern macht, aus denen die Charts nicht gespeist werden. Außerdem haben sich die vier Herren nie so richtig auf ein Genre festlegen lassen. Ihre Musik schwebt irgendwo zwischen Techno, Pop, Avantgarde, Postrock, Ambient oder Electronica, und jeder Gig kann zur Wundertüte werden. Für nicht wenige Düsseldorfer*innen dürfte das Kreidler-Konzert das Highlight des diesjährigen Festivals werden. Zumal sie auch noch das Duo Egopusher im Gepäck haben; der Jazzgeiger Tobias Preisig und der Schlagzeuger Alessandro Giannelli versprechen einen rasanten Mix aus Electronica und zeitgenössischer Neoklassik.

Wir empfehlen dieses Konzert am Donnerstag, 17.9. in der Mitsubishi Electric Halle ausdrücklich denjenigen, die wissen wollen, wo das Quartett Kreidler gerade steht und allen, die spannende Musik mögen.

Fado jenseits süßlicher Folklore: Lina mit Raül Refree

Fado jenseits süßlicher Folklore: Lina mit Raül Refree

Fado aufs Modernste: Lina mit Raül Refree

Kein Mensch, der zumindest manchmal einen Hauch von Melancholie verspürt, kommt am portugiesischen Fado vorbei. Leider hat sich die traditionelle Gesangskunst mit dem wachsenden Tourismus in immer gefälligere Gefilde bewegt. Da ist es gut, dass junge Künstler*innen sich auf die Wurzeln besinnen, auf die großen Fado-Sängerinnen und Sänger, ihnen nacheifern und dann auch noch die moderne Ebene dieser Folklore finden. Über Jahrzehnte war Amália Rodrigues unumstrittene Königin des Fado, und in deren großer Tradition sieht sich auch Lina. Die hat sich zusammengetan mit dem Multiinstrumentalisten Raül Refree, der ihren Gesang auf ganze eigene, zeitgemäße Art begleitet. Das Konzert von Lina und Raül Refree verspricht einen großen Abend am 16.9. in der Mitsubishi Electric Halle, den wir unseren Leser*innen nachdrücklich ans Herz legen.

Ein Haufen furioser Musikanten: das Stegreif.Orchester

Ein Haufen furioser Musikanten: das Stegreif.Orchester

Das Stegreif.Orchester zerlegt Beethoven auf großer Bühne

Spätestens seit dem grandiosen Auftritt vom vorjährigen Düsseldorf Festival in der Alten Kämmerei am Marktplatz ist uns dieser wilde Haufen furioser Musikant*innen heftig ans Herz gewachsen. Die Damen und Herren, die ihre Instrumente beherrschen, gehen an musikalische Grenzen, bleiben bei ihrem Gig in Bewegung und mixen Musik aus dem, was sie vorfinden. Allerdings immer schön auf der Basis des Kanons der Klassik. Dieses Jahr wird natürlich Beethoven zerlegt. Die 9. Symphonie klingt als Sample immer mit, wenn allerlei Volksmusik untergerührt wird – improvisiert, versteht sich. Das macht einen Heidenspaß, das kann sogar zum Lachen bringen, aber das ist immer ganz große Musik ausgemachter Virtuos*innen. Also, wird würden das Konzert des Stegreif.Orchesters in der Mitsubishi Electric Halle am Dienstag, 15.9. dringend empfehlen.

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Absoluter Höhepunkt 2020: Die XY Comapgnie mit ihrer Produktion „Möbius“

Und sonst noch…

Auf die Show namens „Tabula Rasa“, die zu präsentieren The Düsseldorfer die große Ehre hat, werden wir in der kommenden Woche noch eingehen. Ans Herz legen wollen wir aber vor allem auch den Auftritt der hippen Flamenco-Crew Los Aurora, der im vergangenen Jahr krankheitsbedingt ausfallen musste. Dauergast beim Düsseldorf Festival sind bekanntlich Matthias Brand und Jens Thomas; Brand wird dieses Mal aus seinem wunderbaren Roman „Blackbird“ lesen, wie sich die Musik seines Kollegen dazu anhören wird, bleibt spannend. Zum Glück wird das Düsseldorf Festival auch wieder in der Johanneskirche gastieren können, unter anderem mit dem fantastischen Chor ensemble provocale.

Einen Höhepunkt des diesjährigen Festivals haben wir uns für den Schluss aufbewahrt. Die unvergleichliche Compagnie XY aus Frankreich, die schon mehrfach zu Gast war, hat dieses Jahr ihre Produktion unter dem bedeutungsschweren Titel „Möbius“ im Gepäck; wie immer eine kühne Mischung aus Akrobatik, Tanz und Poesie, also genau das, was den Neuen Zirkus ausmacht. Es gibt leider nur drei Vorstellungen (10., 11. und 12.9.) und deshalb nicht mehr allzu viele Tickets für diese grandiose Show.

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