Und dann kamen die Preußen und begründeten eine militärische Tradition in Düsseldorf, die bis in die 2010er-Jahre hielt.

Lesestück · Wie gesagt: So richtig hatten es die Düsseldorfer mit ihrer Jan-Wellem-Vergangenheit und ihrer lockeren, zivilisierten Haltung weder mit den Preußen, noch mit dem Militär. Nur dank diverser Image-Kampagnen der jeweils leitenden Offiziere wurden die Soldaten und ihre Offiziere in der Stadt anerkannt, und ab etwa 1848 kam es sogar zu Ehen zwischen preußischen Militärs und Düsseldorfer Bürgertöchtern. Anfangs stand die größte Kaserne außerhalb der alten Stadtbefestigung östlich der Carlstadt etwa da, wo heute die Kasernenstraße(sic!) verläuft, der große Exerzierplatz lag ungefähr da, wo heute die Königsallee ist. [Lesezeit ca. 5 min]

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Die Preußen hatten immer schon aufs Militär gesetzt; die Streitkräfte waren nicht nur für Kriegsfälle gedacht, sondern bildeten praktisch die Basis für die preußische Kultur und wirkten identitätsstiftend in einem Maße, das man sich heute kaum vorstellen kann. Diesen preußischen Geist lehnte die Mehrheit der Düsseldorfer Bürgerschaft ab. Weil man aber inzwischen die rheinische Kunst des Sich-Arrangierens beherrschte, gewöhnte man sich nicht an die Anwesenheit der Truppen und ihrer raumfressenden Bauten, sondern versuchte nach Kräften davon zu profitieren. So soll sich die Zahl der Gasthäuser zwischen 1839 und 1880 beinahe verzehnfacht haben. Viele Eckkneipen (die es ja leider immer weniger gibt) gehen auf diese Zeit zurück. Auch die großen Industrie- und Hausbrauereien entstanden – möglicherweise als Folge davon, dass zeitweise beinahe ein Fünftel der Bevölkerung aus den Soldaten, Offizieren und ihren Familien sowie zivilen Angestellten bestanden.

Das Füsilier-Regiment Nr. 39 im Jahr 1915 (Foto: vbresser via digit.wdr)

Das Füsilier-Regiment Nr. 39 im Jahr 1915 (Foto: vbresser via digit.wdr)

Drei Verbände lagen also in Düsseldorfer Kasernen: das 5. westfälische Ulanen-Regiment, das II. Westfälischen Husarenregiments Nr. 11 und das Niederrheinische Füsilier-Regiment Nr. 39. Im Norden Derendorfs wurden also gleich mehrere Waffengattungen untergebracht; deren Kasernen konnte man an der Farbe der Klinker unterscheiden: Die Kasernengebäude der Infanterie (Füsiliere) waren gelb, die der Kavallerie (Ulanen und Husaren) rot. Ebenfalls rot geklinkert waren die Bauten der Artillerie (Kanoniere), die ab 1890 hinzugekommen waren. Eine zweite Ulanenkaserne war an der Roßstraße gegenüber der Herz-Jesu-Kirche erbaut worden; auf dem Gelände steht das ehemalige „rostige“ Finanzamt, in dem aktuell die IT.NRW sitze. Die Bezirkskommandantur lag kaum 150 Meter weiter nördlich. Die alte Kaserne samt Exerzierplatz in der Carlstadt hatte man in den 1890er-Jahren aufgegeben.

Wie gesagt: Das Militär war damit zunächst raus aus der Stadt. Aber die Stadt wuchs rasch an das Militärgelände im Norden heran, denn um 1900 hatte sich die Bevölkerung Düsseldorfs gegenüber 1880 auf mehr als 200.000 verdoppelt. Derendorf wurde nun nicht nur Wohngebiet, sondern auch Industriestandort. Kein Wunder also, dass mit den Rheinmetall-Werken gleich gegenüber ein Rüstungsbetrieb errichtet wurde, der dank zweier Patente für nahtlos gezogene Rohre rasch zu einem der wichtigsten Lieferanten von Kanonen und Geschützen entstand. Mit der industriellen Revolution hatte auch die industrielle Fertigung von Material fürs Militär eingesetzt. Begonnen hatte die Vorgängerfirma von Rheinmetall mit der Herstellung von Munition.

Das Ulanendenkmal am Rheinufer um 1942 auf einer Postkarte (Abb. oldthings.de)

Das Ulanendenkmal am Rheinufer um 1942 auf einer Postkarte (Abb. oldthings.de)

Lange hatte der Komplex der Ulanenkaserne als Standort kaiserlicher Truppen allerdings nicht Bestand. Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs, also nach knapp 20 Jahren, übernahm die französische Besatzungsmacht die Kasernen, die bis 1925 die Zentrale der Rheinarmee darstellte. Als die Franzosen abgezogen waren, standen die Gebäude teils leer und wurden teils anders genutzt. Die Wehrmacht, also die militärische Organisation des Nazi-Regimes setzte jedoch auch in Düsseldorf die Tradition der preußischen und kaiserlichen Truppen nahtlos fort. Als Truppen der Wehrmacht ab 1936 wieder im Rheinland stationiert wurden, wurde auch die Ulanenkaserne erneut militärisch genutzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die Schutzpolizei einige der Gebäude und brachte hier unter anderem die Reiterstaffel unter.

Das Kriegerdenkmal in Golzheim für das Niederrheinische Füsilier-Regiments Nr. 39 (Foto © Marek Gehrmann, under CC-BY-SA 4.0)

Das Kriegerdenkmal in Golzheim für das Niederrheinische Füsilier-Regiments Nr. 39 (Foto © Marek Gehrmann, under CC-BY-SA 4.0)

Nominell berief sich die 1955 gegründete Bundeswehr weder auf die Wehrmacht und das preußische Militär. Dass die Alliierten überhaupt ihre Zustimmung gaben, um Westdeutschland als Bollwerk gegen das kommunistische Lager zu positionieren, fand Ausdruck in der sogenannten „Ehrenerklärung“, die US-Präsident Eisenhower bereits 1950 abgab. Sie besagte, dass es sich bei der Wehrmacht um ordentliche Streitkräfte gehandelt habe, die angeblich die traditionellen Werte des Militärs der Neuzeit eingehalten hätten. Bis heute nehmen aktive und ehemalige Angehörige der Bundeswehr dies zum Anlass, sich auf die alten Strukturen zu berufen. In Düsseldorf fand das Ausdruck in diversen „Freundeskreisen“ der alten hier stationierten Regimenter.

Das Kolonialkriegerdenkmal auf dem Frankenplatz (Foto: TD)

Das Kolonialkriegerdenkmal auf dem Frankenplatz (Foto: TD)

So wundert es nicht weiter, dass mehrere Denkmäler zu Ehren dieser Truppen nach wie vor im Stadtbild zu finden sind. Am bekanntesten sind das Ulanendenkmal am Rheinufer in der Nähe des Fortuna-Büdchens und das Kriegerdenkmal in Golzheim, das 1939 als Ersatz für die Gedenkstätte für die Düsseldorfer Füsiliere eingeweiht wurde und bis heute Pilgerstätte für Rechtsextreme geblieben ist. Weniger bekannt ist das Kolonialkriegerdenkmal am Frankenplatz, das den Füsilieren gewidmet ist, die in den Kolonialkriegen des Kaiserreichs gefallen sind.

Gartenstadt Reitzenstein: Ein Hauch von Science Fiction (Foto: TD)

Gartenstadt Reitzenstein: Ein Hauch von Science Fiction (Foto: TD)

Die Nazi-Wehrmacht bezog 1937 die neu errichte Reitzenstein-Kaserne in Mörsenbroich. 1936 war oberhalb der Knittkuhl eine Flak-Kaserne entstanden, die stetig erweitert ab 1960 von der Bundeswehr genutzt und dann Bergische Kaserne genannt wurde. Aus der Kaserne in Mörsenbroich wurde vor einigen Jahren eine neues Wohngebiet namens Gartenstadt Reitzenstein. Auch die Bergische Kaserne soll über kurz oder lang als Neubaugebiet genutzt werden. Von der Reitzenstein-Kaserne ist noch das Karrierezentrum der Bundeswehr geblieben. Hinzu kommen, teils am selben Standort, verschiedene Verwaltungseinrichtungen; Truppen sind derzeit in Düsseldorf nicht mehr stationiert. Damit endete in den 2010er-Jahren die 1615 mit einem „stehenden Heer“ von gerade einmal 300 Mann begonnen Ära als Garnisonsstadt nach rund 400 Jahren.

[Hier geht’s zum ersten Teil unserer kleinen Serie.]

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