Als Robert Lehr 1924 Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf wurde, hatte er schon elf Jahre in der Verwaltung hinter sich, unter anderem als Polizei- und Finanzdezernent. So erlebte er die Zeit des ersten Weltkriegs, die kurze Phase der Revolution und die Wende zur demokratisch verfassten Weimarer Republik. Als parteiloser OB verstand er sich zunächst gar nicht als Politiker, sondern vielmehr als oberster Verwaltungsbeamter. Mit für die damalige Zeit ungewöhnlich pragmatischem Handeln verfolgte er seinen Plan, Düsseldorf zu einer rheinischen Metropole zu machen – und damit zur Konkurrenz für das ewige Köln.

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Dort regierte seit 1917 der Lokalpatriot Konrad Adenauer, einer, der Köln, das in der ersten Phase der Industrialisierung ein wenig abgehängt worden war, wieder zu der Weltstadt machen wollte, die es über Jahrhunderte war. Als das im Vergleich winzige Düsseldorf in den Gründerjahren bereits wirtschaftlich erfolgreicher war und durch die ersten großen Ausstellungen über die Landesgrenzen hinaus bekannt wurde, weckte das den Neid der Domstädter und den des Konrad Adenauer ganz besonders. Für viele Historiker beginnt die angeblich „ewige“ Feindschaft der beiden rheinischen Städte tatsächlich erst mit der Zeit, in der Robert Lehr zum Kontrahenten von Adenauer wurde.

Porträt Robert Lehr von 1950 (Quelle: Bundesarchiv, siehe Bildnachweis unten)

Porträt Robert Lehr von 1950 (Quelle: Bundesarchiv, siehe Bildnachweis unten)

Ironie der Geschichte: Nach 1945 gehörten Lehr und Adenauer zu den Gründern der Christlich Demokratische Union (CDU), und von 1950 bis 1953 war Robert Lehr Bundesinnenminister im Kabinett von Kanzler Adenauer. Nachdem der berüchtigte Gauleiter Florian Lehr Mitte 1933 unter dem fadenscheinigen Vorwand, er habe sich der Begünstigung im Amt schuldig gemacht, lassen, hatte verhaften und als OB absetzen lassen, zog er sich zurück. Im sauerländischen Exil hielt er Kontakt zu den bürgerlich-konservativen Widerstandsgruppen, ohne je als Widerständler in Erscheinung getreten zu sein.

Erst als OB trat er 1929 in die Deutsch-Nationale Volkspartei (DNVP) ein und positionierte sich damit politisch deutlich anders als Adenauer, der Zentrums-Mann. Ebenfalls im Gegensatz zu Adenauer unterstützte Lehr die Idee von der Rheinischen Republik als von Preußen unabhängiges Gebilde nicht. Aus heutiger Sicht war er ein rechtskonservativer Mann, der als Düsseldorfer Beigeordneter die revolutionären Aktionen der Kommunisten in der Stadt mit aller Härte bekämpfte.

Robert Lehr und der Gesolei-Ausschuss 1926 (Gemälde von Franz Rüsting)

Robert Lehr und der Gesolei-Ausschuss 1926 (Gemälde von Franz Rüsting)

Sein Hauptaugenmerk aber richtete er auf die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt, vor allem auf die Ansiedlung von Industriebetrieben. Einer seiner großen Coups war die Eingemeindung Groß-Benraths mit seinen bedeutenden Industriegebieten (Reisholz, Paulsmühle etc.) im Jahr 1929, die nicht nur bei den Benrathern auf erbitterten Widerstand stieß, sondern auch auf die Proteste verschiedener Nachbargemeinden und die deutliche Missbilligung des Kölner OB Adenauer fand.

Eines der größten Verdienste des Robert Lehr ist wahrscheinlich, dass er aktiv an der Realisierung der GeSoLei arbeitete und die Pläne für diese weltweit stark beachtete Ausstellung des Jahres 1926 vorantrieb. Mit dieser Veranstaltung, die innerhalb von fünf Monate gut 7,5 Millionen Besucher zog, setzte er die Tradition der großen Ausstellungen auf dem Messegelände in Pempelfort und Golzheim fort, die Ende des 19. Jahrhunderts mit der Rheinisch-Westfälische Gewerbe- und Kunstausstellung von 1880 und besonders mit der Industrie- und Gewerbeausstellung Düsseldorf 1902 fortgeführt worden war. Dem hatte das Köln des Konrad Adenauer trotz seines neuen Messegeländes nichts entgegenzusetzen.

Knapp neun Jahre konnte Robert Lehr das Amt nutzen, um Düsseldorf weiterzuentwickeln. Ihm zu Ehren wurde die Straße zwischen der Theodor-Heuss-Brücke und der Rheinterrasse unten am Fluss in den Sechzigerjahren Robert-Lehr-Ufer getauft. Mit Kunst und Kultur hatte er es nicht so sehr, als erster Präsident der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) gilt er einigen jedoch als Pionier des Naturschutzes in Deutschland. Seine Verdienste rund um die Einführung der Demokratie und die Entstehung der Bundesrepublik Deutschland als föderalem Staat sind nie wirklich ausreichend gewürdigt wurde. Außerdem gebührt ihm die Ehre, das Zusammenführen des Rheinlands und Westfalens zum Bundesland NRW erdacht zu haben.

[Bildnachweise – Porträt Robert Lehr: Bundesarchiv, B 145 Bild-P004377 / CC-BY-SA 3.0; Gemälde ‚Der Gesolei-Ausschuss‘ , 1926, via LVR-Zentrum für Medien und Bildung)]

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