Vennhauser Allee, eine vierspurige Straße, eine Unterführung. Wie oft bin ich hier schon auf dem Weg zum Job durchgefahren. Fast immer in Eile – in voller Fahrt bergab, um die nächste Anhöhe möglichst ohne viel Geschwindigkeitsverlust zu erklimmen. Ein unwirtlicher Ort für Radfahrer trotz der beiderseitigen Radwege. Die bunten Bilder, die mich begleitende Farbenpracht an den Wänden der Unterführung, hatte ich im Vorbeifahren zwar registriert, aber deswegen stehen zu bleiben, kam nicht in Frage. Heute allerdings ist da jemand und ich ziehe mitten im Schwung die Bremsen.

Ein Mann, ca. 30 Jahre alt, ist mit der Vorbereitung einer weißen „Leinwand“ (ca. 3 mal 3 Meter groß) beschäftigt. Am Boden liegen seine Spraydosen. Er hat eine kleine Leiter dabei. In Umrissen ist das Bild seines Vorgängers noch zu erkennen – ein typischer Graffiti-Schriftzug. „Sind Sie Künstler?“ Mein Ansprechpartner zögert. Scheinbar überlegt er, ob Graffiti-Maler das Recht haben, sich als Künstler zu bezeichnen. Dann aber gibt er sich einen Ruck: „Ja, ich bin Künstler.“ Wenn ich allerdings mehr über diesen Ort hier wissen wolle, solle ich mich an „Verbunt e.V.“ in Düsseldorf wenden.

4.000 qm legale Graffiti-Fläche und die Stunde Null

„4000 qm Fläche, die einmal pro Jahr neugestaltet wird.“ Frau Kollmann von Verbunt e.V. gibt bereitwillig Auskunft. „Ende August [dieses Jahr am 31.8. und 1.9.]ist es wieder so weit. Alles wird auf Null gedreht. Wir erwarten ca. 150 Künstler, viele Schaulustige aus der Nachbarschaft und natürlich die Freunde der Graffiti-Szene. Das ist jedes Mal ein Event – ein wichtiger Termin für die Szene, die ja sonst eher allein und im Verborgenen arbeitet!“ Sie lächelt. „Diese Flächen sind legal. Die Stadt fördert das Ganze und wir haben einen ‚Hausmeister’. Er sieht regelmäßig nach dem Rechten und geht gegebenenfalls Hinweisen von Anwohnern nach.“

Trotzdem hat die Hall of Fame Regeln. Entsprechende Hinweistafeln finden sich vor Ort. „Natürlich gibt es unter den Künstler solche und solche. Wie überall. Da bleiben schon mal die leeren Spraydosen im Gebüsch liegen… wir hatten auch einmal eine Beschwerde wegen Sexismus. Der Bikini sei zu klein. Nun, wir haben ihn halt etwas größer gemalt.“

Jeder darf hier malen!

Alles Kleinigkeiten, befindet Frau Kollmann, im Verhältnis zu den weit wichtigeren Botschaften der Hall of Fame an Kunstschaffende und Freizeitmaler aller Art:

• Jeder darf hier malen.
• Kein Künstler hat Rechte an seiner Kunst.
• Was heute gemalt wird, kann schon morgen wieder übermalt werden.

Was heute Verbunt e.V. ist, startete vor fast 10 Jahren als „Verbunt-Mobil“. Künstler, Sozialarbeiter, Designer, Studenten begannen in ehrenamtlicher Tätigkeit, künstlerische Aktivitäten vor Ort in die Stadtteile zu bringen. Sie fahren sie regelmäßig Orte an, wo Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene abhängen. Die erforderlichen Materialien werden mitgebracht und dann wird z.B. an der Skater-Rampe im Uhlenbergpark getextet und die so entstandenen Rap-Songs zur Aufführung gebracht, auf dem Hermannplatz in Flingern Graffitis entworfen und anschließend das Klo-Häuschen verschönert, im Stadtwerkepark Breakdance unterrichtet und Siebdrucke hergestellt.

Ehrenamt mit ambitionierten Zielen

„Eine tolle Arbeit, vor allem wenn man sieht, wie Jugendliche, die am Anfang „nur“ mitgemacht haben, sich zu verlässliche Mitarbeitern des Vereins entwickeln. Sie sind jetzt diejenigen, die anleiten und organisieren, die anderen zeigen, wie es geht.“ erklärt Frau Kollmann. Finanziell honoriert wird das Ganze jedoch nicht. Der Verein wird gefördert, aber für eine Honorarkraft reicht das Budget nur mal im Ausnahmefall. Stattdessen gibt es eigentlich immer etwas zu tun.

„Unsere Internetseite zum Beispiel müsste dringend renoviert werden.“ Frau Kollmann lacht. „Eigentlich müssten wir sie abschalten. Aber wer macht‘s? Wann? Die nächste Aktion muss geplant und durchgeführt werden.“ Wie man das trotzdem schafft, will ich wissen. „Man nimmt sich die Zeit. Auch ich habe einen Beruf – ich bin Sozialarbeiterin mit einer 30-Stundenwoche. Das hier mache ich, weil es Spaß macht; weil wir so viel positives Feedback bekommen.“

In der Tat, Verbunt e.V. ist heute mit seinen Aktivitäten wie Hall of Fame, Verbunt-Mobil und diversen Ausstellungen zu einer feststehenden Größe geworden, wenn es um Kunst in den Stadtteilen geht.

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