„Unsere Stoffe haben Namen“, erklärt mir Doris, die Tochter des Geschäftsinhabers von Executive African Textile auf der Klosterstraße. „Unsere Stoffe werden oft verschenkt, und mit dem Geschenk wünscht man Glück und Segen. Dieser hier heißt ‚Sikwotabei’. Zu Deutsch: ‚Geld hat Flügel’.“ Sie weist auf einen anderen Stoff, dessen Name als afrikanischer Silbenmix deutlich länger ausfällt. Die deutsche Übersetzung: „Die Hausfrau weiß, was ihre Tochter gerne mag.“ Der Anlass: Eine Braut wählt den Stoff aus, den ihre Mutter an ihrem Hochzeitstage trägt, verwandelt in eine feierliche Robe. „Wir Afrikaner behalten unsere Traditionen bei. Wir feiern gerne. Anlässe gibt es genug. Meist orientieren wir uns an den christlichen Feiertagen. Darüber hinaus aber ist jeder Sonntag ein Grund sich festlich zu kleiden und ‚unsere’ Stoffe zu tragen.“

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Gottesdienst einmal anders

Auf der Internetseite der Katholischen Kirche in Derendorf erfährt man mehr. Es gibt eine große Ghanaische Gemeinde mit rund 200 aktiven Mitgliedern. Der sonntägliche Gottesdienst findet um 13 Uhr statt. Das dazugehörige Foto zeigt einen farbenprächtigen Chor, einheitlich in African-Textile gekleidet. Ein jugendlich wirkender Pfarrer, der auch in der Gefangenenseelsorge tätig ist, blickt freundlich lächelnd in die Kamera.

Die meisten Ghanaer sind katholische Christen. Viele von ihnen gehen regelmäßig in die Kirche. Es sei allerdings wenig vergleichbar mit einer deutschen Messe, erklärt Doris weiter. Natürlich gäbe es auch viele Predigten und Rituale. Der Pastor sei manchmal wie ein Lehrer, der seinen Schülern Fragen stellt. Aber insgesamt dominiere Fröhlichkeit und Freude über das Zusammensein. „Man darf lachen, man darf sich unterhalten, die Kinder spielen. So ein Gottesdienst kann schon mal zwei bis drei Stunden dauern. Auch wir, die Jüngeren, gehen gerne dort hin. Die Kirche ist ein Ort, wo auch wir so sein können, wie wir sind.“

Integration ohne Deutschkurs

Doris’ Vater, Francis Osei Agyemang, kam vor 25 Jahren nach Deutschland. Anfänglich habe er in einem Afro-Shop gearbeitet, während seine Frau aus Tagesmutter tätig war. Es hat lange gedauert, bis an die Gründung des eigenen Geschäftes gedacht werden konnte. 2014 war es dann so weit. Einfach sei es nicht gewesen, denn weder Vater noch Mutter hätten je einen Deutschkurs besucht. „Natürlich verstehen sie, wenn Deutsch gesprochen wird. Eigentlich alles. Es wäre traurig, wenn es anders wäre. Schließlich leben sie seit 25 Jahren in Deutschland! Aber das Sprechen, das fällt immer noch schwer.“

Beispiele für die wunderbaren afrikanischen Stoffe (eigenes Foto)

Beispiele für die wunderbaren afrikanischen Stoffe (eigenes Foto)

Kaum verwunderlich. Zuhause wird afrikanisch gesprochen, die meisten Kunden sind Afrikaner, die sich nach der Tradition ihre Kleider selbst schneidern, schneidern lassen oder verschenken. Wo der Dialekt oder die Sprache nicht passt, erfolgt die Verständigung auf Englisch. Natürlich sei die Eröffnung eines eigenen Geschäftes für ihren Vater eine Herausforderung gewesen. Vor allem Themen wie Buchhaltung und Geschäftskorrespondenz hätten bis heute ihren Schrecken nicht verloren. Aber er habe ja Töchter… Doris lächelt.

Farbenfrohe Kleidung macht gute Laune

Das Geschäft etablierte sich. Vater Francis ist Tuchhändler aus Passion und reist nach Indien, Holland und selbstverständlich immer wieder nach Ghana, um die aktuellsten Mode zu günstigen Preisen anbieten zu können. „Natürlich, jetzt mit Corona ist alles schwieriger geworden“, erklärt Doris weiter. „Die Feierlichkeiten fanden nicht statt, Hochzeiten wurden abgesagt. Aber irgendwie geht’s immer weiter. Neuerdings haben wir indische Kunden und natürlich immer wieder auch Deutsche, die Mut zum bunten Outfit haben oder günstige Heimtextilien suchen.“ Doris selber ist in Deutschland geboren. Sie ging zur Schule, machte eine Lehre und arbeitet heute in einer Bank.

„Leider ist immer noch so, dass in Banken auch für Frauen der Anzug in Grau bis Schwarz vorherrscht. So muss auch ich auf den Sonntag warten, um bunt geschmückt daherzukommen.“ Als ich wissen will, wie sie denn zu dem Vornamen Doris käme, lacht sie vergnügt. Nein, das sei kein missglückter Versuch ihrer Eltern gewesen, sich in Deutschland zu integrieren. In Ghana sei Doris bis heute ein sehr populärer Name. Auch Mathilda oder andere europäisch klingende Namen erfreuten sich großer Beliebtheit.

Eines von den vielen europäischen Vorurteile über den „dunklen“ Kontinent…

„Das ist schon erstaunlich, wie oft ich das deutschen Freunden und Bekannten erklären muss. Ja, bei uns kommt warmes Wasser aus der Leitung. Nein, wir haben nicht nur Sandpisten und Lehmhütten. Ja, auch wir haben Besteck in der Küche.“ Sie selbst fahre regelmäßig nach Ghana; Großeltern und Familie besuchen. Sie sei sehr stolz, wie gut sich Ghana entwickelt habe. Nana Akufo-Addo sei ein guter, demokratischer Präsident, der auf Entwicklung und Weiterbildung setze. Es gäbe architektonische Sehenswürdigkeiten. Angela Merkel habe Ghana besucht und sich beeindruckt gezeigt.

Schicke selbstgenähte Vorhänge aus afrikanischem Stoff (eigenes Foto)

Schicke selbstgenähte Vorhänge aus afrikanischem Stoff (eigenes Foto)

„Im vergangenen Jahr hat unser Präsident zum Year of return nach Ghana eingeladen. Auch von meiner Generation sind viele diesem Aufruf gerne gefolgt.“ Ein Treffen, um für Ghana als Hauptreiseziel für Exilafrikaner zu werben, um Ghanas Attraktivität für Investoren zu demonstrieren, aber auch um den afrikanischen Spirit lebendig zu erhalten.

Deutsche Kunden? Es könnten mehr sein!

Maria ist Stammkundin. Ihre Gardinen in einer hohen Altbauwohnung sind in afrikanischen Dekor. „Das ist einfach schön. Pro Fenster 30 Euro. Da kann man nicht meckern.“ Außerdem hat sie sich auch Röcke und Kleider genäht und wird immer wieder auf die schönen Farben angesprochen. Warum Deutsche hier nicht mehr einkaufen? Ihrer Meinung nach kann es weder an den Preisen noch an den zu grellen, sommerlichen Farben liegen. „Auch für mich war es anfänglich eine Überwindung den Laden zu betreten. Das Unbehagen gegenüber dem Fremden, dem Andersartigen. Die Angst sich nicht verständigen zu können. Aber, Gott sei Dank, das habe ich überwunden. Heute ist der Besuch auf der Klosterstraße Anlass zur Freude.“

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