Das war uns zu teuer: 38 Mark sollte die Dauerkarte für das dreitägige Rockfestival zu Pfingsten 1970 im Eisstadion an der Brehmstraße kosten. Wer sich aber im DEG-Tempel auskannte und/oder im Winter regelmäßig dort Eislaufen war, kannte Mittel und Wege auch so reinzukommen. Und so hatte von unserer Truppe, die sich an zwei der drei Tagen in der Ecke zwischen Gegengerade und Südtribüne traf, niemand bezahlt. Allerdings wurde der Einlass ohnehin äußerst lasch gehandhabt, und so etwas wie Security gab’s auch nicht.

Eine Original-Dauerkarte für das Joint Meeting

Eine Original-Dauerkarte für das Joint Meeting

Ergo setzte die Mehrheit auf Selbstversorgung. Bier und Wein in Massen wurden mitgebracht, Stullen sowie Frikadellen und Kartoffelsalat von der Omma. Einzig die beiden Imbissschalter des Sportrestaurants Kreutzer machten ordentlich Geschäft, denn dort gab es vor 50 Jahren die weltbesten Pommes der Stadt. Was zum Kiffen musste man sich im Prinzip auch nicht kaufen, weil gut 60 Stunden lang kein Joint auf den Betonstufen aus-, sondern immer einer rumging. Der extrem geschätzte Kollege Hans Hoff erwähnt in seinem Beitrag zum Jubiläum auch, dass es Trips in Mengen gab. Davon habe ich persönlich nichts mitbekommen.

Colosseums Auftritt beindruckte mich nachhaltig

Colosseums Auftritt beindruckte mich nachhaltig

Mangels Internet und professionellen Marketings erfuhr man als junger, rockbegeisterter Mensch eher zufällig von der Veranstaltung. Ja, es gab Plakate, sogar einige verschiedene, aber bei uns im Viertel hing davon keins. Wäre mein Schulfreund Harald nicht zufällig auf eine solche Ankündigung gestoßen, wer weiß, ob ich dieses Großereignis nicht doch verpasst hätte. Obwohl… Spätestens am Sonntagmittag wusste ganz Pempelfort, dass es im Eisstadion Live-Musik gab, denn die Lautstärke war groß genug halb Düsseldorf zu beschallen.

Das (theoretische) Programm für den Pfingstmontag...

Das (theoretische) Programm für den Pfingstmontag…

Und an dieser Stelle stimmen meine Erinnerung und die offizielle Geschichtsschreibung nicht überein. Denn ich bin ziemlich sicher, dass das Eisstadion im Mai 1970 noch nicht überdacht war, während die Wikipedia das Jahr 1969 als die Zeit angibt, in der man dem 10.500 Zuschauer fassenden Stadion einen Deckel verpasste. Weil eben noch keine Platte obenauf lag, konnte man die meisten Gigs bis hoch zur Grunerstraße hören als wäre man dabei. Zum Beispiel am Pfingstmontag, an dem Family mit Roger Chapman mittags das Programm eröffneten. Ich bog in die Kühlwetterstraße ein und konnte da schon jedes Wort, jeden Akkord hören.

Euphorisch war die Stimmung durchweg nicht, dafür war die Organisation aber auch zu chaotisch. Man munkelt bis heute, die Veranstalter seien samt und sonders von Beruf Söhne gewesen, und Geld habe keine Rolle gespielt. Jedenfalls hatten die Bands nach dem Prinzip angekündigt „Die hätten wir gern“, wobei sich das Setup je nach Plakat auch noch deutlich unterschied. Um ehrlich zu sein: Ich war vorwiegend so benebelt, dass ich mich nur an etwas mehr als eine Handvoll Auftritte erinnere. Immerhin hatten die Macher die Firma Aral als Sponsor gewinnen können – möglicherweise dank familiärer Verbindungen.

Teile des Status-Quo-Gigs auf einem Bootleg-Album

Teile des Status-Quo-Gigs auf einem Bootleg-Album

Schwer beeindruckt hatte mich vor allem Colosseum, die zum Abschluss auftraten. Grandios auch Rory Gallagher mit The Taste (hier eine Tonaufnahme des kompletten Gigs), deren Drummer ein ungefähr zwanzig Minuten langes Solo trommelte bis ihm buchstäblich die Stöcke aus den Händen fielen – und er ärztlich versorgt werden musste. Mit Arthur Brown konnten wir allen nichts anfange, auch weil die Truppe seinen Hit „Fire“ völlig verhunzte. Dafür war „Alright now“ von Free das absolute Highlight des Festivals. Ginger Baker machte wie üblich Zoff, weil er nicht so lange spielen durfte wie er wollte, und die belgische Gruppe The Wallace Collection wurde von der Bühne gebuht. Dafür überzeugten Status Quo auf ganzer Linie (hier eine Tonaufzeichnung vom Gig).

Ansonsten gehen die Tage und Nächte sowie die Auftritte in der Erinnerungsabteilung meines Hirns aus verschiedenen Gründen durcheinander. Sicher bin ich nur, dass wir Edgar Broughton viele Minuten lang mit seinem „Out, demons, out!“ folgten. Die vollmundig angekündigten Eric Clapton mit Blind Faith tauchten jedenfalls ebenso wenig auf wie Vanilla Fudge. Dafür aber die holländischen Jungs von Livin Blues und Cuby & The Blizzards, die aber sowieso alle paar Monate in Düsseldorf aufspielten.

Kurios: Ein Werbefilm im Beiprogramm

Kurios: Ein Werbefilm im Beiprogramm

Das Joint Meeting blieb in jener Zeit merkwürdig folgenlos. Niemand fühlte sich berufen, weitere Rockfestivals dieser Größe in Düsseldorf zu veranstalten. Es ging kein Ruck durch die Jugend. Man nahm die drei Pfingsttage voller Musik einfach so mit. Dafür war aber auch die Stimmung durchgehend einfach zu diffus – überhaupt nicht Woodstock, kein bisschen Isle of Wight und zum Glück auch nicht Altamont. Und weil dieses Ding ein Solitär blieb, der nichts auslöste, geriet das Festival auch schon nach kurzer Zeit beinahe in Vergessenheit, und erst zum vierzigsten Jubiläum gab es in den Lokalmedien erste Erinnerungsstücke.

Hier Free mit „Alright Now“ – im selben Jahr auf der Isle of Wight:

[Hinweis: Die Abbildungen sind Netzfundstücke mit unklaren Rechten – vor allem von der Rockzirkus-Website.]

5 Kommentare

  1. Das Line-up war, trotz einiger Absagen, aus heutiger Sicht einfach sensationell. Nur vergleichbar mit den Essener Songtagen, bei denen ich 1969 war, sonst aber mit keinem anderen „Festival“ in Deutschland. Darum heute noch ein Riesendankeschön an die „Berufssöhne“! Trotz Dauerstonedzustand kann ich mich noch an viele Gigs/Bands gut erinnern. Schlafsacklager im Innenraum mit der damaligen Gang, und erste Bekanntschaft mit den Comics von Robert Crumb:-))!! Wow! Nach dem Kehraus trippen und pennen im Zoopark und bei Wiedereröffnung gleich wieder rein. Kein und niemals Alkohol in der Gang, aber nächtliche psychedelische Flugreisen im Zoo. Einfach eine geile und unbeschwerte Zeit. Das ganze aus heutiger Sicht für mich ohne Wehmut und Nostalgie, aber als freudige Erinnerung.

  2. Der Bootleg von TASTE hat für einem Mitschnitt von vor 50 Jahren eine superbe Tonqualität. Bzgl. der damaligen Qualität der Mics & Tapes incl. Bandmaterial würde ich beim Aufnahme-Typ auf SOUNDBOARD wetten und wurde meinem Bootleg-Palast einverleibt. Danke !!!

    Das Ding von STATUS QUO entspricht der minderen Qualität damaliger Aufnahmen des Typs AUDIENCE.

  3. Peter der Starke am

    Die Eishalle war damals schon überdacht, aber sie war nicht komplett geschlossen, sondern seitlich obenrum offen. Deshalb musste abends um 10.00 Uhr die Musik beendet werden. Die ganze Veranstaltung war superchaotisch, was aber dazu geführt hat, dass wir keinen Eintritt bezahlt haben, sondern über den hohen Metallzaun geklettert sind.
    Security gab’s seinerzeit auch, aber das waren nur ein paar wenige Leute. Die hatten keine Chance. Und ab Sonntagnachmittag hat dann teilweise sogar der Malteser-Hilfsdienst (!) die Ticketkontrolle an den Eingangen übernommen. Da konnte dann quasi jeder rein.
    An die einzelnen Gigs kann ich mich nicht mehr so richtig erinnern. Denn die Luft in der Halle war komplett grün vernebelt. Man brauchte eigentlich keinen Joint, tief Einatmen hat völlig ausgereicht.
    Es war kein Meilenstein in der Musikgeschichte, aber trotzdem ein tolles Ereignis, an das ich mich gerne erinnere.

  4. PETER DER STARKE hat völlig recht: Das Eisstadion war überdacht und an den Seiten offen. Im Haupttext von Rainer Bartel steht, dass FAMILY am Pfingstmontag den Festivaltag eröffnet hätten. Nach meiner Erinnerung stimmt das nicht. Ich bin sicher, dass sie am Pfingstsamstag den Festivaltag beendet haben. Und das mit einem Eklat: Es durfte nur bis 22 Uhr Musik gemacht werden und da Family erst um 21.40 Uhr beginnen konnten, konnten sie also nur noch 20 Minuten spielen. Roger Chapman war so sauer, dass er mehrere Tambourine zerschlug.
    Man kann auf http://www.setlist.fm erkunden, welche Band an welchem Tag gespielt hat, einfach ‚Joint Meeting‘ ins Suchfeld eingeben.
    Mich haben am meisten GINGER BAKER’S AIRFORCE beeindruckt, die auf diesem Festival eines ihrer wenigen Konzerte spielte. Um Punkt 20 Uhr begannen sie ihren Set, obwohl HUMBLE PIE auf der Gegenbühne noch spielten. Und Ginger Baker und seine saustarken Mitspieler spielten dann auch ein langes Set bis 22 Uhr. Amazing.
    Auch beeindruckend waren FREE, EDGAR BROUGHTON BAND, TASTE, LOVE SCULPTURE mit einem furiosen Dave Edmunds, COLOSSEUM, CRAZY WORLD OF ARTHUR BROWN und die fast unbekannte Band HEAVY JELLY mit einem großartigen Gitarristen namens John Moorshead (Ex-Aynsley Dunbar Retaliation) und dem Sänger Jackie Lomax.