Bevor mit der weltweit berühmten Gruppe Kraftwerk ein völlig neue Populärmusik entstand, die später unter dem Begriff „Düsseldorfer Schule“ bekannt wurde, gab es in den Sechzigerjahren in der Stadt eine höchst lebendige Beatmusik-Szene. Die Bands, allen voran die Beathovens und die Spirits of Sound, bespielten vor allem die legendären Schulfeste, bei denen in den Aulen der Gymnasien zu Livemusik gefeiert und auch getanzt wurde. Die beiden genannten Gruppen kann man aus heutiger Sicht als die Keimzelle des typischen Düsseldorfer Musik betrachten, die blöderweise dem sogenannten „Krautrock“ zugerechnet wird.

Die bekanntesten Protagonisten, die aus der Beatmusik in die Düsseldorfer Schule wechselten, waren sicher die Drummer Wolfgang Flür und Klaus Dinger sowie die Gitarristen Michael Rother, Houschäng Nejadepur und Bodo Staiger, die bei Kraftwerk oder Neu! bzw. Guru-Guru ihre Spuren hinterlassen haben. Bei Berichten über diese Zeit und den Wandel von den Sechziger- und Siebzigerjahren wird oft einer vergessen, der musikalisch mindestens ebenso wichtig war: Wolfgang Riechmann.

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Wolfgang Riechmann  1977 (Foto: Heinz Riechmann via buero-b.com)

Wolfgang Riechmann 1977 (Foto: Heinz Riechmann via buero-b.com)

Der war Mitglied bei den Spirits of Sound, deren größer Erfolg es war, als Vorgruppe von Humble Pie während der Teenage Fair von 1969 in Düsseldorf gespielt zu haben. Nachdem Rother und Flür zu Kraftwerk gewechselt waren, kam das Ende der Spirits. Anders alsWie auch der Spirits-Sänger Uwe Frisch (ein hervorragender Handballer, übrigens…) war Riechmann Schüler des Rethel-Gymnasiums, aus dem später die Heinrich-Heine-Gesamtschule hervorging der Freiherr-vom-Stein-Realschule. Nach dem Abitur lernte er Chemiker, bevor er ab etwa 1972 als Sozialarbeiter tätig wurde.

Wann genau die Gruppe Streetmark gegründet wurde, lässt sich nicht mehr eindeutig festhalten. Sicher ist nicht einmal, ob es sich überhaupt um eine Band handelte, denn bekannt ist, dass Wolfgang Riechmann alle Instrumente – bis auf das Schlagzeug – selbst spielen konnte. Jedenfalls kam 1977 das Album „Eileen“ auf dem damals ziemlich angesagten Sky-Label heraus, das heute als Soloprojekt des Musikers gilt. Produziert hatte die Platte der legendäre Conny Plank, der für so viele wunderbare Werke steht. So richtig erfolgreich war das Album nicht, aber Wolfgang Riechmann war von seiner Musik überzeugt, und Conny Plank sah das Potenzial.

Promofoto für das Album "Wunderbar" (via buero-b.com)

Promofoto für das Album „Wunderbar“ (via buero-b.com)

Also nahmen die beiden im Jahr 1978 ein Album namens „Wunderbar“ auf, das viele Elemente und Strömungen der Düsseldorfer Schule aufgriff und aus heutiger Sicht gleichwertig neben Michael Rothers LP „Flammende Herzen“ steht. Lange galt „Wunderbar“ als verschollen, aber 2009 kam es zu einem Re-Release durch das engagierte Label „Büro-B„. Da war Wolfgang Riechmann sogar in Düsseldorf beinahe schon vergessen. Und wenn jemand an ihn dachte, dann nur wegen seines dramatischen Todes.

In der Nacht vom 20. August 1978 kam Wolfgang mit seiner Freundin aus der Altstadt. Sie befanden sich auf dem Weg nachhause und überquerten den Carlsplatz. Aus heiterem Himmel und ohne Grund fielen zwei schwer betrunkene Typen über ihn her schlugen und traten ihn. Dann zog einer von denen ein Messer und stach auf Wolfgang Riechmann ein. Drei Tage später starb er im Marienhospital an seinen Verletzungen. Man sagt, die mangelhafte medizinische Versorgung habe letztlich zu seinem Tod geführt. Die Veröffentlichung von „Wunderbar“ erlebte er nicht mehr.

Riechmann - Himmelblau

3 Kommentare

  1. Nach seinem gewaltsamen Ableben war sein ‚Ladenhüter‘ für einige Monate eine der meistverkauften LPs in Düsseldorf.

  2. Heinz (Heino) Riechmann am

    Sehr geehrtes TD-Team,
    da sind Euch wohl leider falsche Informationen zugetragen worden.

    Korrektur: Wolfgang Riechmann war nie Schüler des Rethel-Gymnasiums, sondern er war, so wie ich, Schüler an der Freiherr-vom-Stein-Realschule an der Färberstraße.

    Bleibt weiterhin gesund in der momentanen aufregenden und wirren CO-VID19-Zeit.

    Liebe Grüße
    H.R. aus M.