Ja, Düsseldorf war einmal eine Handball-Hochburg. Als vor ziemlich genau drei Jahren ein Projekt namens „HC Rhein Vikings“ mit der Lizenz des Neusser Handball Vereins (NHV) in der zweiten Bundesliga antrat und seine Heimspiele im Reisholzer Castello austrug, waren manche Handballfreunde freudig erregt, weil sie dachten, jetzt könne es wieder losgehen mit Spitzenhandball, jetzt könne an die rauschenden Zeiten der TuRU, genauer: der TuRU der Ära Hotte Bredemeier angeknüpft werden. Aber, auch im Sport wiederholt sich Geschichte nicht. So bleibt die Erinnerung an die goldene Zeit mit dem Gewinn des IHF-Pokals im Jahre 1989.

Schulhandball in den 60ern: Hier die Mannschaft des Rethel-Gymnasiums von 1967

Schulhandball in den 60ern: Hier die Mannschaft des Rethel-Gymnasiums von 1967

Wie gesagt: Handball hat in Düsseldorf Tradition. Die prägte sich massiv in den Sechzigerjahren aus, in denen sich die Jungengmynasium sportlich nicht etwa auf dem Fußballfeld um die Stadtkrone stritten, sondern auf der Platte in einer der Sporthallen. Legendär die Duelle zwischen dem Rethel- und dem Leibniz-Gynasium, groß und breit die Zahl der aktiven Herrenmannschaften – vom TV Angermund über den ART und Eller 04 bis runter nach Benrath. In jeder Halle eines Gymnasiums, die für Hallenhandball geeignet war, trainierten die Kerle mit de klebrigen Händen. Aber während die Handballer der Fortuna noch in den Fünfzigerjahren führend waren, übernahm die TuRU ab 1983 die Rolle.

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Düsseldorfer Handballgeschichte im Nebel

Und das aus verschiedenen Gründen, die teilweise im Nebel der Erinnerung verschwimmen. So ist kaum noch nachzuvollziehen, warum F95 sich aus dem Herrenhandball zurückzog, und auch um den rasanten Aufstieg der TuRU ranken sich Legenden. Sicher aber ist, dass auch in den höheren Klassen jede Menge Düsseldorfer (und auch Neusser) Jungs in den Spitzenmannschaften Dienst taten. Wir wissen ja, dass der Handball seine Heimat weniger in den Metropolen, als vielmehr in den Klein- und Vorstädten seine Heimat hat. So spielte bis 1983 eine HSG Wülfrath/Ratingen in der zweiten Bundesliga. Das „Handballspielgemeinschaft“-, also HSG-Prinzip war und ist im deutschen Hallenball aus verschiedenen Gründen sehr verbreitet – manchmal werfen Vereine ihre Spitzenteams zusammen, weil es nicht genug Trainingsmöglichkeiten gibt, manchmal schwingt sich ein Provinzfürst zum Mäzen auf und will, dass sein Örtchen – notfalls im Verbund mit einem anderen – ganz oben mittut.

Die TuRU-Mannschaft, die 1989 den IHF-Cup holte

Die TuRU-Mannschaft, die 1989 den IHF-Cup holte

Wie genau das bei den Wülfrathinger war, müsste mal jemand berichten der dabei war. Der könnte dann auch erzählen, weshalb die erste Mannschaft dieser HSG geschlossen aus- und bei der TuRU in Düsseldorf eintrat. Dass dabei Geld eine Rolle gespielt haben könnte, liegt innerhalb der Wahrscheinlichkeit. Ob die Jungs vorher zu wenig oder hinterher (dank dem ewigen TuRU-Sponsor Telefonbau Schneider?) mehr bekommen haben, liegt im Dunklen. Sicher ist, dass sie auf ein Trainerwunderkind trafen, einen, der schon als Spieler bei Grün-Weiß Dankersen ein Unikum war und genau dort 1978 mit 26 Jahren zum jüngsten Handballbundesligatrainer aller Zeiten wurde. Den hatte es nach einem Jahr beim VfB Lemgo zur TuRU verschlagen.

Hotte Bredemeier, der Mann, der Handball lebt

Ja, Hotte Bredemeier ist eine der Ikonen des deutschen Handballs, ein Typ, der Handball lebt, atmet, isst und trinkt. Einer, der alle kennt und den alle kennen. Der Mann, der möglicherweise der erfolgloseste Nationaltrainer war, der aber bis auf den heutigen Tag seine Finger im deutschen Handballsport hat. Der formte in nur einer Saison ein Team, dass sofort in die erste Bundesliga aufstieg und dort auf Anhieb Sechster wurde. Während der Aufstieg noch vorwiegend von altgedienten Handballfans wahrgenommen wurde, ging auch das Publikumsinteresse rasant hoch. Anfangs spielte die TuRU noch in der Halle an der Färberstraße, in die kaum 200 Zuschauer passten, später wechselte man dann in die Halle des Rethel-Gymnasiums an der Graf-Recke-Straße.

Hotte Bredemeier, der Trainer, der die TuRU an die Spitze brachte

Hotte Bredemeier, der Trainer, der die TuRU an die Spitze brachte

Und weil etwa ab 1986 die HSG TuRU Düsseldorf (Ja, auch hier handelte es sich um eine Spielgemeinschaft), fast so populär war wie die Fortuna und die DEG, wurden die ersten Partien gegen die Großen der Zunft (Gummersbach, Kiel, Essen…) in die Philipshalle verlegt. Und es ging immer nur aufwärts: 1987 erreichte der Verein das DHB-Pokalfinale und 1988 wurde die Mannschaft deutscher Vizemeister. Den absoluten Höhepunkt und – wie wir in der Rückschau wissen – Wendepunkt Richtung unten bildeten die Spielen gegen Frankfurt/Oder um den IHF-Pokal, also quasi den Pokal der Pokalsieger im Handball. Im Mai 1989 schaffte eine Mannschaft, deren Aufstellung Fans noch heute herbeten können, das Wunder und holte sich den Pott.

IHF-Pokal: Höhepunkt und Wendepunkt

Allerdings hielt das Team nicht. Es mag auch am Geld gelegen haben, aber der Knackpunkt dürfte gewesen sein, dass Bredemeier die TuRU verließ, um beim DHB als Nationaltrainer aufzulaufen. Gleich in der nächsten Saison kam der Abstieg in die zweite Liga. Aber umgehend, wenn auch mit Hängen und Würgen und unter mäßigem Interesse der Düsseldorfer Sportgemeinde, gelang der Wiederaufstieg in die damals zweigeteilte Bundesliga. Kenner meinen, die Jahre 1990 und 1991 markierten aber auch eine Wende im deutschen Männerhandball, einen Strukturwandel, bei dem die Finanzen eine wichtige Rolle spielten. Und wie man am Beispiel der Rhein Vikings gesehen hat, geht Spitzenhandball nur, wenn jemand Geld zuschießt, denn aus Zuschauereinnahmen und Werbeerlösen lässt sich kein Team finanzieren, das oben mitspielen soll.

Es kam wie es kommen musste. Die HSG wurde 1993 aufgelöst, der HSV Düsseldorf (ohne TuRU) übernahm. Dann tat man sich im Jahr 2000 mit dem ART zu einer HSG zusammen, die mal in der ersten, mal in der zweiten Liga mitspielte. 2011/12 musste der HSV Düsseldorf Insolvenz anmelden, dann natürlich auch die Spielgemeinschaft, und so nahm die Geschichte der goldenen Ära des Düsseldorfer Hallenhandballs rund um die TuRU 2012 ein trauriges Ende. Die Handballabteilung des ART übernahm die Lizenz, musste aber 2017 auch die Waffen strecken. Wer angesichts dessen und der ziemlich blöden Geschichte der Rhein Vikings meint, Düsseldorf sei einfach keine Handballstadt, irrt gewaltig. Es müsste einfach nochmal….

[Alle Fotos (bis auf das von der Rethel-Mannschaft, das aus eine privaten Sammlung kommt) stammen von der Facebook-Seite, die zum 30. Jubiläum des IHF-Pokalgewinns unter dem Titel „Das Wunder der Düsseldorfer TuRU-Handballer“ angelegt wurde, wo sie ohne Quellenangaben gepostet wurden.]

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