Fußball ist ein Phrasenspocht. Offensichtlich ist das Gesamtphänomen rund um den getretenen Ball nicht anders zu beschrieben als unter Zuhilfenahme einer großen Tonne Floskeln. Das Blöde ist nur, dass diejenigen, die diese runde Welt mit abgedroschenen Binsen erklären, an deren Wahrheitsgehalt glauben. Nehmen wir ein akutes Beispiel: Gefühlte 99 Prozent aller Fortuna-Freunde beschwören zurzeit Einigkeit und Frieden, ruhige Fahrwasser und ähnlichen Schmonzes. Immer mit der phrasierten Begründung, es müsse Ruhe im Verein herrschen, sonst stelle sich kein spochtlicher Erfolg ein. Und was war das dann gestern? Richtig, der prächtige Gegenbeweis. Nein, jeder, der auch nur ein bisschen mit Unternehmen und Organisationen zu tun hatte, weiß, dass es auch eine fruchtbare Unruhe gibt – das ist nämlich diejenigen, die einem Neuanfang (Managerdeutsch: Change-Prozess) vorangeht. Apropos: Wer gröberen Polemiken gegenüber dem ewigen Jäger im Stadion erwartet hatte, sah sich getäuscht: Über dem Block 42 prangte stattdessen ein konstruktives Banner namens „Neuanfang“.

Überhaupt überschätzen viele engagierte Fortuna-Anhänger – genau wie die Anhänger fast aller anderen Clubs – den Einfluss des vereinspolitischen Geschehens auf die spielende Truppe. Denen geht in der Regel am Arsch vorbei, wer da gerade im Vorstand oder Aufsichtsrat hockt. Solange sie ihre Arbeit machen können, also keiner aus dem Trainer- und Betreuerstab geschasst wird. Und in welchem Maße den aktuellen Söldner (die Eigengewächse inkl. Axel ausgenommen) die Vita des ewigen Jägers bekannt ist, dürfte unterhalb der Messbarkeitsschwelle liegen. Einigkeit macht stark, sagt man, aber Unruhe kann auch beflügeln. Wenn man aber als Fan mit großer Ehrlichkeit auf das gestrige Gesamtgeschehen blickt, muss man sagen: Hat alles keinen Einfluss auf die Spielerei auf dem grünen Gras.

Oder doch: Wenn die sich „Ultras“ nennenden Jungspunde im 42er (wie leider inzwischen oft üblich) in der zweiten Halbzeit auf den Schlaflied-Modus umschalten und kaum den Windeln entwachsen von „bis zum Tod“ schwafeln, dann überträgt sich das anscheinend auf die Kicker, die passend dazu in eine Art Schlafwagen-Zustand verfallen. Kann sein, dass das so ist, muss aber nicht. Aber bashen wir die Ultras nicht, denn darauf reagieren sie ungelassen und mit gelegentlichen Drohungen („Eskalation!“). Bashen sollten wir die verschiedenen Ultra-Gruppierungen aber für ihre gestrige „Stellungnahme„. Und zwar nicht für deren Inhalt – darüber wird später noch zu reden sein -, sondern für Form und Zeitpunkt. Derartige Verlautbarungen im Stil von K-Gruppen-Kadern der Siebzigerjahre kämpferisch ins Internet zu kloppen, ist einfach nur das Eingeständnis völliger Kommunikationsunfähigkeit und Ausweis heilloser Selbstüberschätzung. In einem Moment, in dem sich die Gemengelange der gesamten aktiven Fanszene in Richtung Zusammenhalt verschiebt, solch ein Ding rauszuhauen, riecht nach Spaltpilz. Hintergrund ist der unbedingte Wunsch weiter Ultrakreise, den ewigen Jäger loszuwerden. „Der muss weg“, heißt es, und weil es so formuliert nicht einmal Jäger-Kritiker überzeigen würde, verbrämt man diesen trotzigen Wunsch mit allerlei Fakten und Scheinfakten. Das ist dumm und kontraproduktiv.

Das Problem ist nicht die Existenz von Paul Jäger als Vorstand, das Problem ist die kommunikative Windstille zwischen Jäger und allen Teilen der organisierten Fanszene. Und die hat sich der Mann, den die befreundete Presse bisweilen „Mister Fortuna“ nennt, selbst eingebrockt. Wir haben seinerzeit Wolf Werner Stippvisiten bei den jungen Leuten im Block 42 machen sehen. Wir wissen, dass der geschasste Dirk Kall sich bei den verschiedenen Gruppen hat blicken lassen, und die engen Verbindungen einiger Aufsichtsräte zu verschiedenen Fan-Clubs und den Dachverbänden sind bekannt. Nur Paul Jäger hat diese Beziehungen seit seinem Eintritt in den Vorstand nie gepflegt. Kein Wunder dass man ihm nachsagt, ihm sei die Fanszene egal, ja, eher lästig. Mit dieser Sicht und seinem verhalten hat er das Kind in den Brunnen geschubst und wird es sobald nicht wieder rausholen können.

Fußball wurde auch gespielt. Nach dem Motto „Der liebe Gott erschuf im Zorn Bielefeld und Paderborn“ hat Ex-Aufstiegstrainerheld Norbert Meier da in Ostwestfalen eine tierisch unangenehme Truppe zusammengebastelt, die sich als Aufsteiger in die zweite Liga prächtig schlägt und irgendwie immer ein Unentschieden hinkriegt. Nein, guten Fußball wird man bei den arminischen Söldnern kaum finden, obwohl die Mannschaft mit einigen ehemaligen Wunderkindern gespickt ist. Was dieses Team so unangenehm macht ist die straffe Disziplin und die hohe Konzentration über die gesamte Spieldauer – beides übrigens Eigenschaften, die den Herren in Rot derzeit noch abgehen. Dafür spielten sie phasenweise richtigen Fußball, also mit Plan und Verstand nach eingeübten Spielzügen und mit geringer Fehlerquote. Ausgehend natürlich von der neuformierten Defensive, bei der sich der Bodze als IV prima schlug, auch weil er seinen Nebenmann, Käpt’n Haggui nicht so nervös machte wie der hölzerne Herr Strohdiek das bisher tat. Herr Koch auf Rechtsaußen ist offensichtlich eine gute Lösung, und wenn der Herr Schauerte von der ungewohnten linken Seite aus nicht immer nach innen zöge, würde auch er ein Lob kassieren.

Trainer Kramer bot zwei Stürmer auf, wobei man sich beim Herrn Ya Konan fragt, ob man ihn wirklich als Stürmer sehen sollte, wo er doch eine Art Defensivmann inmitten der gegnerischen Viererkette gibt. Und beim Herrn Pohjanpalo freut man sich inzwischen immer, wenn er ein engagiertes Spiel wie gestern abliefert und nicht nur seine schöngefönte Frisur in den Fahrtwind hält. Und was sagen wir zum sehr unauffällig agierenden Herrn Sobottka? Der spielte sauber, trug aber wenig zum Offensivspiel bei. Vielleicht war das auch so geplant. Was mit dem Herrn Bolly – der immerhin 60 volle Minuten verletzungsfrei blieb! – geplant war, war von Beginn an offensichtlich: er gab einen klassischen Rechtsaußen und düpierte mit seinem Speed mehr als einmal seinen Blödefelder Gegenspieler. Aber Speed kills ja bisweilen, und so passiert es ihm immer und immer wieder, dass er schneller ist als der Ball. Und das ist irgendwie nicht gut. Kommen wir zu den Helden der Partie, den Herren Demirbay und Sararer. Ersterer ist ein ideenreicher, beweglicher und extrem engagierter Offensivmann, der allerdings oft im Spielzug die Konzentration verliert und dann Fehler macht. Aber der rotiert und verschiebt und tut und macht und hat sich gestern sogar zwei ordentliche Torschüsse zugetraut. Ganz Ähnliches kann man auch über den Herrn Sararer sagen, der sich mit dem Herrn Demirbay übrigens prächtig versteht. Dieser Herr Sararer ist ein dermaßen guter Fußballer, dass er an einem guten Tag jeden Verteidiger in den Wahnsinn spielen kann – der ist schnell, wendig und kreativ. Aber – denn es gibt bekanntlich immer ein Aber – wenn das nicht fruchtet, verkriecht er sich im Frust und ward nicht mehr gesehen. Gestern schob er null Frust, weil ihm so vieles gelang. Unter anderem ein Tor, das leider als Eigentor gewertet wird, obwohl jeder auf der Süd gesehen hat, dass der Torschütze den gegnerischen Keeper mit der vollen Absicht angeschossen hat, den Ball so in die Hütte zu befördern.

Leider blieb es bei diesem einen Tor, und so wurde es dann etwa ab der sechzigsten Minute ganz schön zittrig, weil die Arminen auf Angriff umschalteten und die Fortunen sich das gefallen ließen. Ab Minute 75 drehte sich das Ding wieder. Insgesamt aber gaben die Blödefelder mehr Torschüsse ab und hatten in der zweiten Halbzeit auch mehr Chancen als die Unsrigen. Der doofe Kicker, das ehemalige Sportmagazin, titelt seinen Spielbericht mit „Die Fortuna stößt den Bock um„, einer der bescheuertsten Phrasen, zu denen die vorwiegend verblödeten Spochtrepochter fähig sind, und liegt damit vollkommen falsch. Nein, das ist gestern kein Bock umgefallen, kein Knoten geplatzt und auch kein Durchbruch erzielt worden – der Sieg gegen den Aufsteiger war ein Schritt in die positiven Richtung, mehr nicht. Und wer dann von einem „dreckigen Sieg“ faselt, hat diese Phrase schon mal überhaupt gar nicht verstanden.

10 Kommentare

  1. Alberich am

    Wieder ein klasse Bericht dem ich nur zustimmen kann!

    Zu Paul Jäger: Ja das ist sein Fehler Grande früher war eher näher an der Basis und das sollte er mal überdenken.

    Zu den Ultras bzw. Block 42: Der Block wird auch immer leerer und ja dieser Schlafwagensingsang wirkt sich m.E. auf die Mannschaft aus!
    Solange die gegnerischen Fans ihr „Sch… Fortuna minutenlang schmettern dürfen und derweil weiter geleiert wird um dann Minuten später zu kontern! Sorry, aber ich hab´s ihm auch schon persönlich gesagt, aber unser Cappo ist keiner ! Stehts bemüht wie zur Zeit unser Team!

  2. Wie immer gut analysiert und vor allem das Ultra Thema gut rübergebracht. Ich bin da mit dem Herrn Bartel komplett auf einer Linie, das es absoluter Schwachsinn war gestern so ein Statement abzugeben, sowohl was den Zeitpunkt, als auch den Inhalt angeht.
    Immer nur draufkloppen, aber keine eigene Strategie, oder Alternativen aufzeigen ist sowas von selbstdisqualifizierend, da darf man sich auch nicht wundern wenn man nicht ernst genommen wird.

    Was das Spiel angeht, sehe ich das genauso wie der Herr Bartel, möchte aber noch ergänzen dass ich es extrem wichtig finde das die „0“ hinten gehalten wurde, auch wenn es die eine oder andere brenzlige Situation gegeben hat. Aber der Gegner konnte halt auch Fussball spielen und somit kann man auf diese Abwehrleistung aufbauen.
    Ausserdem sollten die Düsseldorfer Aussenspieler langsam mal kapieren den Herrn Ya Konan nicht immer wieder hoch anzuspielen, das bringt bei seiner Körpergröße rein gar nichts, aber irgendwann kapieren die Herren auf dem Feld das auch noch.

    Die Vorausschau auf Leipzig stimmt mich insofern positiv, als dass das Trainerteam wohl nun endlich erkannt hat Herrn Strohdiek am besten auf der Bank zu lassen. Somit könnte das in Leipzig vielleicht sogar etwas geben, ein Punkt wäre m.E. schon ein Erfolg.

  3. Rainer Bartel am

    Es sind genau solche Typen, die seit Jahren durch ihr dumpfes und egozentrisches Konsumverhalten am Tod des Fußballs mitarbeiten. Und es sind auch solche Typen, die dann immer so überheblich tun, als ob sie von irgendwas Ahnung hätten. Bitte halten Sie sich in Zukunft fern von The Düsseldorfer – auf solche Leser verzichten wir gern.

  4. Rainer Bartel am

    Genau das ist das Problem rund um die Fortuna seit dem Aufstieg in die zweite Liga: Dass so Typen wie Sie sich nicht entblöden, von der „Fortunafamilie“ zu faseln.

  5. Rainer Bartel am

    Die Auffassung, Fortuna „funktioniere“ nicht, ist ja an sich schon dummes Zeug. Wann „funktioniert“ denn ein Fußballverein? Oder: Welcher Fußballverein „funktioniert“ und woran erkennt man das? Es ist doch von maximaler Verborhtheit zu glauben, man wüsste wie ein Fußballverein zu sein habe – vor allem, wenn man sich mit dem sozialen Kosmos rund um den Verein nicht auskennt – was bei Ihnen ganz offensichtlich der Fall ist.

  6. Graf Horst am

    Ein paar Punkte sind gut und richtig in deinem Artikel, andere sehr ich absolut konträr, aber wusch, es gilt ja die Meinungsfreiheit! Was mich nur mal interessiert ist, warum dies denn bitteschön kein „dreckiger Sieg“ War? Wenn Du da schon die begriffliche Deutungshoheit beanspruchst, würde mich schon mal interessieren was das denn bitte sonst sein soll? Für mich War das nämlich ganz klar „dreckig“; weil als Team erkämpft, ohne spielerischen Glanz aber bis zum Abpfiff den richtigen Willen gezeigt! Bitte erläutert mich mit Deiner Weisheit! 😉

    • Rainer Bartel am

      Mmh, ich verstehe unter einem „dreckigen Sieg“ (ein Ausdruck, den ich übrigens gar nicht mag) einen Sieg, der am Rande von ungerecht durch Kratzen, Beißen und eigentlich nicht ganz verdient errungen wurde. Zum Beispiel das 1:0 der 96er beim Äff-Zeh durch einen irregulären Elfer – und das danach.

      Weil ich das Tor vom Herrn Sararer definitiv als sein Tor sehe und ich zwar das kämpferische Element bei den Spielern in Rot mir Freude wahrgenommen habe, aber denke, dass das spielerische Moment überwogen und letztlich zum Gewinn geführt hat, sehe ich dieses 1:0 absolut nicht als „nicht ganz verdient“ oder „glücklich“ oder so – im Gegenteil: ein 2:0 wäre dem Spielverlauf angemessen gewesen.

      • Nun gut, dann ist das mit dem Begriff wohl eher Ansichtssache! Dreckig heißt in diesem Zusammenhang meiner Meinung nach nicht unbedingt unfair oder glücklich sondern eher „glanzlos erkämpft“! 🙂 Bei Sararers Tor geb ich Dir dafür aber vollkommen recht! Dat war seins!

        Besten Gruß,
        Ingo

        (Zu meinem obrigen Eintrag: verdammter Autokorrektur-Driss! 😉 )

        • Rainer Bartel am

          Okay, dann sind wir ja nicht weit voneinander entfernt ;–))