Als der ordentliche Jungschiri Brand die Partie abpfiff, breitete sich in der Arena ein altbekannter, fortuna-typischer Stimmungsmix aus: Die einen sonderten gellende Pfiffe ab, die anderen kamen aus dem Kopfschütteln nicht mehr aus; manche gaben Schauerte die Schuld, einige waren kurz vorm Trainer-raus-Gebell und eigentlich waren alles am nörgeln, granteln und rumpesten. Immerhin gab niemand dem Schiedsrichter die Schuld an der Niederlage – und das ist auch schon fast die einzige gute Nachricht vom gestrigen Abend. Denn aufsummiert sind Trainer und Mannschaft schlicht und einfach und recht erbärmlich gescheitert.

Wenn man zwei Lehren aus dem Spiel gegen Dresden ziehen will, dann diese: Ohne Marcel Sobottka und Florian Neuhaus ist eine F95-Elf auf dem Rasen nur halb so viel wert. Zweitens: Das verrückte Experiment, Kaan Ayhan und Lukas Schmitz diese Rollen übernehmen zu lassen, ist einer der größten Flops in der Funkel-Ära. Während Schmitz eigentlich durchgehend falsch postiert war, fiel Ayhan vor allem durch einen Auftritt auf, den man früher „pomadig“ genannt hätte. Und weil sich beide viel zu weit nach vorne orientierten, war die Lücke zur Viererkette von Beginn an zu groß, und die beiden Innenverteidiger mussten diesen Quatsch ausbaden. Womit wir bei der zweiten guten Nachricht von diesem nasskalten Novembertag kommen: Robin Bormuth und Andre Hoffmann löste ihre, durch die Kollegen erschwerte Aufgabe insgesamt sehr gut.

Und noch etwas könnte man konstatieren: Ein Käpt’n Fink, der nicht auf seinem üblichen Leistungsniveau fliegt, bringt die Mannschaft kein bisschen nach vorne. Der gute Olli versuchte gestern, so zu spielen wie sonst auch und dabei die gewohnt langen Wege zu gehen. Nur, wenn er die mit gefühlten 60 Prozent seiner üblichen Geschwindigkeit rennt, dann fehlt er eben an beiden Positionen. Auch das Experiment, Benito Raman als zweite Vollspitze neben Rouwen Hennings antreten zu lassen, ging insgesamt daneben – der rasante Belgier fehlt dann eben auf Außen, wo er bekanntlich wertvoll wie Gold ist. Schön wenigstens, dass ihm nach frechen Störmanövern der hintersten Dynamos das Alibitor gelang.

Was genau Takashi Usami bis zu seiner Auswechslung in der Halbzeit spielen sollte, war von der Tribüne aus nicht zu erkennen. Was er dagegen spielen wollte, konnte man Zuschauer öfters sehen; seine Kollegen sahen es praktisch nie. Denn der torgefährliche Japaner lief ein ums andere Mal von Rechtsaußen in die Schnittstelle zwischen AV und IV der Dresdner; jeder Pass hätte zu einer Chance führen können – er wurde aber so gut wie nie angespielt. Vor allem das Zusammenspiel zwischen Julian Schauerte und ihm fand praktisch nicht statt. Weil aber das Funkel’sche Offensivspiel genau darauf basiert, dass ein Team aus nominellen Außenverteidiger und offensivem Mittelfeldler an der Außenlinie die Verteidigungsketten des Gegners überläuft und im richtigen Zeitpunkt zu flanken, lag die Anzahl der gefährlichen Hereingaben von rechts auf einem drastisch unterdurchschnittlichen Wert.

Auf links hatte Außenverteidiger Niko Gießelmann einen schlechten Tag und blieb offensiv völlig wirkungslos. Und weil eben so wenig von außen kam, wäre der gute Rouwen Hennings verhungert und reagierte darauf wie immer: Er begann im vorderen Mittelfeld zu wühlen, verwickelte sich ständig in Kopfballduelle gegen Dynamos, die ihn deutlich überragten und lief teilweise herum wie Falschgeld. Selbst Raphael Wolf, dieser Spitzenkeeper, nahm sich gleich zu Anfang eine Schwäche – und zwar eine, für die er in seiner Bremer Zeit berüchtigt war. Aus einem Ball, den er nicht richtig zu fassen bekam, entstand eine Ecke. Die erwischte ein völlig ungedeckter Dresdner perfekt und beförderte das Ei in die Maschen.

Das fand in der 4. Spielminute statt. Sagen wir so: So etwas soll nicht passieren, aber es kommt vor. Kaum eine Minute später leistete sich Fink – forciert durch scharfes Pressing der Gelbschwarzen – einen blöden Ballverlust. Der Torschütze hatte dann aus gut sechzehn Metern allen Raum der Welt zu zielen und abzuziehen. Die Pille passte perfekt in die Hütte: 0:2. Und als ob das ganz allgemein und unter den speziellen Bedingungen der merkwürdigen F95-Aufstellung nicht schon schlimm genug wäre, kam ein Dynamo wieder frei von außen nach innen in eine prima Schussposition und versenkte die Kugel im Giebel über Wolf. Zum Mitschreiben: Das Team des TSV Fortuna Düsseldorf 1895 lag in seinem Heimspiel gegen Dynamo Dresden nach zehn Minuten mit 0:3 zurück. Dies in einer Begegnung zwischen dem zweiten und dem fünfzehnten in der Tabelle.

Beim Betrachten der Szenen, die zu den Toren führten, in der TV-Wiederholung wird deutlich, dass die Fortunen in dieser Phase noch nicht einmal annähernd sortiert waren. Eigentlich liefen außer Hennings und Wolf alle herum auf der Suche nach der ihnen zugedachten Positionen. Bei aller Freude über Funkel’sche Experimente, seine Lust an der Rotation und die sich ergebenden Überraschungsmomente: Gestern ist die Sache total schiefgelaufen. Diese Unsicherheit in Bezug auf den Spielauftrag, der bei neun Akteuren in Weiß anfangs vorlag, führte dann auch zu einer erhöhten Fehlerquote. Nachdem man sich so etwa ab Minute 30(!) eingerüttelt hatte, sah die Angelegenheit schon besser aus.

Natürlich keimte bei den Fortuna-Anhängern nach dem Anschlusstreffer zur Pause Hoffnung auf, und die Wagemutigen im Publikum machten Anspielungen auf ein gewisses 4:4 in einem gewissen Derby. Aber weil das Trainerteam nichts am System änderte und nur den nie eingebundenen Usami durch den jungen Davor Lovren ersetze, wurde nichts besser. Im Gegenteil: Dynamo setzte ganz auf zwei Fünferketten, die nicht allzu tief standen, sich perfekt verschoben, und auf Konterchancen. Die Fortuna spielte unentwegt hintenrum, weil es auf den Flügel nicht spürbar gefährlicher lief. Das Duo aus Schauerte und Lovren war sogar noch weniger effizient als die Kombi aus Schauerte und Usami zuvor. Alles erstarrte im Gewürge, und passend dazu gingen die Ultras auf der Süd in den Schlafwagenmodus über.

Bleibt die Frage, ob diese Heimniederlage ein Solitär ist, ob die Mannschaftsleistung sukzessive abnimmt, ob Fortuna in Kiel überhaupt eine Chance hat, ob Friedhelm Funkel zur Vernunft kommt und ob die Fortuna der Saison 2017/18 überhaupt eine Spitzenmannschaft ist. Wir werden sehen…

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