Manchmal muss man sich auch als Experte was von jemand anderem erklären lassen, was man selbst nicht oder nicht richtig gesehen hat. So hatte Ihr sehr ergebener Berichterstatter noch in der Halbzeitpause verlautet, der SC aus Freiburg habe gar keinen Spielplan und sei außerdem ziemlich schwach. So war das nicht, sagte ein fortunabegeisterter Nachbar abends, tatsächlich habe die Fortuna defensiv so perfekt gestanden, dass der Gegner keine Chance hatte, seinen Plan durchzusetzen. Nach Betrachten der Fernsehbilder muss man zustimmen: Defensiv hat die Truppe unter Rentner Funkel in den ersten 45 Minuten annähernd perfekt agiert. Woran das lag? Ganz klar: An Marcin Kaminski und vor allem an Kaan Ayhan. Dass der Junge sein Glanzleistung auch noch mit zwei Toren vergoldete, ist mehr als gerecht – er war in jeder Hinsicht der Spieler des Tages.

Was aber die Leistung der anderen 13 Kollegen nicht schmälert. Natürlich zeigte der eine oder andere seine (immer schon vorhandenen) Schwächen, mancher machte seine (üblichen) Fehler, nur einen Vollbock, den schoss keiner. Wie sensationell das aktuelle Trainer-Team der glorreichen Fortuna arbeitet, erwies sich nach der Pause. Lange standen die Herren Funkel, Kleine und Bellinghausen am Spielfeldrand beisammen und diskutierten, berieten sich vermutlich über die notwendigen kleinen Änderungen an der Taktik. Nicht immer sind solche Anpassungen zwischen den Halbzeiten so gravierend wie beim Spiel gegen Mainz; gestern drehten die Coaches nur an zwei kleinen Schrauben. Das betraf am stärksten Adam Bodzek und ein wenig auch Benito Raman. Während der Ersatzkäpt’n nun ein bisschen weiter hinten spielte, sollte der kleine Belgier dagegen mehr auf den Flügel gehen. Das führte dazu, dass die Freiburger gar nicht mehr durch die Mitte kamen und so das wichtigste Element ihrer Planung aufgeben mussten. Denn offensichtlich war deren Trainer (der sich ja vorm Spiel a) sehr lobend über die Fortuna ausgelassen und b) seine Einschätzung der zu erwartenden Taktik öffentlich erklärt hatte) klar, dass ein Offensiv-Feuerwerk über Außen gegen F95 nicht funktionieren würde.

Den Gegner zurechtgelegt

Viele Auguren schrieben, in der ersten Halbzeit hätten beide Mannschaften „keine Fehler machen“ wollen. Oder, sie hätten „sich neutralisiert“. Beides der Versuch, die Zähflüssigkeit der Partie zwischen etwa der 10. und der 40. Minute zu erklären. Auf dem Hintergrund der zu vermutenden Spielpläne ist beides nicht richtig. Mit einer Spur von Arroganz kann man über diese Phase nämlich sagen, Fortuna habe sich den Gegner mit viel Geduld zurechtgelegt. Nach dem ersten großen Ansturm, der einen Superschuss von Taka Usami beinhaltete, nahm sich das Team in Rot ein bisschen zurück und hielt die Ketten geschlossen. Weil aber heftiges Anrennen in der SCF-Taktik nicht vorgesehen war, passierte einfach nicht viel. Dass in Sachen Chancen für den Gegner Nullkommanullnix geschah, stärkte die Spielsicherheit der Fortunen.

Und das zahlte sich in den zweiten 45 Minuten aus. Volle 20 (in Worten: ZWANZIG!) Torschüsse verzeichnet die offizielle Statistik, und es war beileibe nicht so, dass die alle nur aus Kontern entstanden. Oft war es die pure Geschwindigkeit – zunächst von Raman, später von Jean Zimmer – die zu Möglichkeiten führte. Je sicherer die F95-Mannschaft wurde, desto ungenauer agierte der Gegner in der Defensive. Dass beide Tore nach Ecken fielen, ist dabei nur eine ironische Fußnote der Partie. Womit wir aber wieder bei Usami sind, der sein vielleicht bestes Spiel für die Fortuna machte. Natürlich waren seine insgesamt vier Schüsse auf den Kasten das auffälligste Indiz für diese Behauptung. Aber es gibt zwei andere Aspekte, die zu einem Sonderfleißkärtchen für den Japaner führen. Erstens: Noch nie hat Usami derart konsequent und erfolgreich seine Arbeit in der Defensive zelebriert. Zweitens: Durch kluge Läufe riss er immer wieder Räume für das Stürmerduo aus Rouwen Hennings und Kenan Karaman auf – beides Faktoren, die letztlich zum hochverdienten Sieg führten.

Stöger läuft mehr als 13 Kilometer

Reden wir auch von Kevin Stöger, der ebenfalls von Spiel zu Spiel wertvoller wird. Der Ösi ist gestern in der Nachmittagskälte der Arena sage-und-schreibe 13,26 Kilometer gerannt – ein Wert, den gestern kein anderer Spieler in den Partien der oberen beiden Ligen auch nur annähernd erreichte. Der Durchschnittswert liegt übrigens bei knapp 11 Kilometern, Strecken von mehr als 13 Kilometern sind in der Bundesliga sehr, sehr selten. Trotz der Rumrennerei blieb unserer Nr. 22 genug Zeit, 51 Pässe zu spielen, von denen 41 da ankamen, wo er sie hinhaben wollte. Dabei agierte Stöger extrem variabel, bediente beide Flanken gleichermaßen und streute auch Pässe in die Tiefe ein. Da darf man den guten Kevin auch zu den Helden in Rot beim achten Heimspiel zählen. Aber, es gibt noch mehr Helden. Nehmen wir Matthias Zimmermann, der mal wieder rechtsaußen in der Viererkette antrat. Auf seiner Seite ging für die Freiburger gar nichts, und weil sie irgendwann so um die 50. Minute herum aufgaben, dort angreifen zu wollen, konnte sich der frisch Vermählte mehr und mehr in die Offensive einschalten.

Sein Mittel war das dicke B, das beim Spiel gegen die Kicker aus der Ökostadt überhaupt DAS Erfolgsrezept war: Balleroberung. Wenn du dem Gegner immer und immer wieder die Pille wegholst, wenn du jedes Mal, wenn sich auch nur der Hauch einer Chance ergibt, zwischen die Füße des Ballführenden gehst, wenn du gern auch mal ein Foul riskierst, um das Ei zu erobern, dann ist das die halbe Miete für eine erfolgreiche Partie. Jeder, der gestern das Trikot mit dem F95 auf dem Herzen tragen durfte, trug das dicke B der Balleroberung im Herzen – der eine mehr, der andere weniger. Niko Gießelmann macht das traditionell eher weniger, was auch dazu führte, dass seine Seite die verletzliche war und er kaum je an der Offensive teilnahm. Nicht dass der gute Niko schlecht gespielt hätte, aber man wäre doch froh, hätten die Trainer auf dieser Position eine Alternative – ob Diego Contento dort in der Rückrunde wird eingreifen können, ist offen.

Brandneue Doppelspitze

Brandneu war die Doppelspitze mit Hennings und Karaman von Beginn an. Schwierig zu bewerten, diese Variante. Beide sind sich vom Spielstil ähnlich, beide sind Wühler, die gern und oft ihre Körper einsetzen, um den Ball zu erobern und zu behaupten. Aber beide kommen vor lauter Wühlerei auch zu selten zum Abschluss. An dieser Stelle könnte aber die Aufstellung von beiden ein Rezept sein, weil sie beide gegnerische Defensivspieler auf sich ziehen, sodass immer einer von beiden mehr Platz hat. Das zahlte sich in der zweiten Spielhälfte in Form von drei vielversprechenden Torschüssen durch Hennings aus. Und der gute Kenan, der hätte in Hälfte 1 beinahe noch einen schicken Ball über den SCF-Keeper zum Treffer gelupft, aber irgendein Knochen fälschte das feinfühlige Ding dann doch noch ab. Man kann davon ausgehen, dass sich Herr Karaman in dieser Mannschaft weiterentwickeln und immer wertvoller werden wird.

In der 70. Minute kam Käpt’n Oliver Fink für ihn und spielte sein Spiel. Nein, den Olli möchte man nicht als Gegenspieler haben, so humorlos scharf der auf den Ball ist. In Ruhe gelassen wird man da nicht. Die Fink’sche Spielweise war exakt das, was die Mannschaft mit der knappen 1:0-Führung brauchte, einer Phase, in der sie sich nicht so recht zwischen Ergebnissicherung und Sackzuschnürung entscheiden konnte. Denn der Käpt’n brachte Offensivschwung. Noch mehr Schwung aber kippte Jean Zimmer in die rotweiße Mannschaft – er kam kurz nach Fink für Raman. Letzterer fiel im Wesentlichen durch enorm schnelle Spurts auf und dadurch, dass er nicht wirklich mit seiner Position zurechtkam. Aufs Tor schoss er genau zweimal, wobei er in beiden Fällen nicht genug Druck hinter das Ei bekam. Zimmer aber legte los wie die Feuerwehr, und fürderhin brannte es auf der linken Abwehrseite der Freiburger. Bemerkenswert, dass er der Spieler ist, der verstanden hat, dass ein Ball scharf an der Grundlinie entlang vors Tor getreten die große Chance mit sich bringt, dass irgendwer den in die Hütte drückt – am liebsten natürlich ein Gegner…

Der schlecht gelaunte Dodi

Auch Dodi kam und hatte sichtbar schlechte Laune. Ist ja immer eine subtile Form der Bestrafung, so drei, vier Minuten vor Schluss eingewechselt zu werden. Aber das hat sich der Schlaks auch redlich verdient. Sich – wie in Bremen geschehen – kreischend am Boden zu wälzen, um kurz danach aufzuspringen wie ein munteres Rehlein, ist einfach unsportlich. Das wollen wir bei der Fortuna nicht sehen, das ist nicht professionell, das ist einfach nur blöd. Überflüssig auch seine Aktion nach dem Elfer, wo er den Ball nicht mehr herausgeben wollte und alle gegen sich aufbrachte. Dem Vernehmen nach haben ihm nicht nur die Trainer, sondern vor allem die Mannschaftskollegen in dieser Hinsicht ordentlich die Meinung gegeigt. Nach dem Schlusspfiff, als jeder jeden abklatschte, stand der junge Belgier ein bisschen verloren daneben. Aber dann kam Kollege auf Kollege, um ihn ein bisschen zu drücken und zu trösten. Letzteres vor allem, weil er in der allerletzten Minute beinahe das 3:0 eingetütet hätte, der Ball aber nur an den Pfosten ging.

Insgesamt war das eine sehr reife Leistung der roten Heldentruppe, die immer mehr zur Mannschaft wird. Dass der Sieg nur zum Sprung auf den 16. Platz gereicht hat, ist bisschen schade, aber wenn Oma Gomez meint, für den VfB mal eben zwei Tore schießen zu müssen, dann kommt man an denen mal eben nicht vorbei. Das wird dann aber am kommenden Dienstag mit dem klaren Sieg über den amtierenden Herbstmeister gelingen. Und wenn das Team die Schwatzgelben nicht weghaut, dann muss am letzten Spieltag der Hinrunde eben Hanoi 96 dran glauben. Überwintert wird überm Strich, so viel steht fest.

Ein Kommentar

  1. Volle Zustimmung, das war wieder eine tolle Leistung unserer Truppe. Sie hat wieder mal gezeigt, dass sie spielerisch und kämpferisch in der Liga mehr als nur mithalten kann. Also ähnlich wie gegen Mainz, in Stuttgart und Leipzig und in Teilen des Spiels auch gegen Schlacke o4 und Vizekusen.

    In all diesen Spielen zeigte sich, wie gestern, das Manko der Chancenverwertung. Gestern haben sich die Jungs trotzdem drei Punkte geholt (gab es schon mal einen IV mit einem Doppelpack?), aber ein 4:0 wäre dem Spiel eher angemessen gewesen. Es wird noch einige Spiele geben, wo man deutlich weniger Chancen bekommt (wie z.B. in Bremen und wahrscheinlich auch am Dienstag gegen die Dortmunder), da muss man dann einfach die Chancen nutzen.

    Gestern jedenfalls hatten wir alle auf der Tribüne immer die Befürchtung, „… wenn das sich nicht mal rächt.“ Hat es aber nicht und das war pure Erleichterung und Freude. :-).