Analyse · Liebe Fortuna-Fans, nun lasst uns bloß aus dieser 1:0-Mücke keinen Aufstiegskandidaten-Elefanten machen. Angesichts der manisch-depressiven Grundkonstitution des F95-Anhangs könnte das gut passieren. Deshalb sei gesagt: Heidenheim war schwach, ja, der bisher schwächste Gegner der Saison. Das soll aber nicht schmälern, was der Rest vom Kaderschützenfest heute auf den Platz gebracht hat. Das war kämpferisch stark, und die Konzentration haben die Jungs auch gehalten. Jammerschade, dass die Videogrotte in Köln noch nicht zu Bett war und dem armen Rouwen dieses freche Tor aberkannt hat. Es wäre der Beweis gewesen, dass nicht nur Flo Kastenmeier Deppenhütten kassieren kann. [Lesezeit ca. 6 min]

Unterstützt TD!
Dir gefällt, was The Düsseldorfer über die Fortuna schreibt? Und vielleicht auch die Artikel zu anderen Themen? Du möchtest unsere Arbeit unterstützen? Nichts leichter als das! Unterstütze uns durch ein Abschließen eines Abos oder durch den Kauf einer Lesebeteiligung – und zeige damit, dass The Düsseldorfer dir etwas wert ist.

Von Anfang an war klar, dass es trotz aller Dementis um Uwe Röslers Posten ging. Es war auch klar, dass es dabei nicht um seinen Spielplan, das gewählte System oder die Aufstellung ging, sondern darum, ob er es im Verbund mit seinen Co-Jungs schaffen würde, die Kicker zu motivieren und im Spiel bei der Stange zu halten. Man muss sagen: Ja, das hat Uwe Rösler bravourös geschafft. Beispiel gefällig: Er und sein informeller Spielertrainer Kastenmeier hatten einen Namen, den sie am häufigsten riefen: Kuba! Gemeint war Jakub Piotrowski, der ein bisschen überraschend in der Startelf stand, with a little help from the Seitenlinie aber eine blitzsaubere Partie ablieferte.

Und alle riefen „Kuba!“

Wo Rösler ihn kreativ und offensiv anleitete, da teilte ihm der lautstarke Flo mit, wie und wo er seine Defensivarbeit verrichten sollte. Überhaupt wurde auch unter den Spielern deutlich mehr miteinander gesprochen als zuletzt in den Gruselspielen. Ob es das war, was letztlich den Sieg einbrachte … man weißet nich. Was man weiß, weil es die Statistiken hergeben, ist, dass die Rotweißen die bisher beste kollektive Zweikampfleistung boten. Dies aber auch mit freundlicher Unterstützung von Schiri Stegemann, der viel laufen ließ und nur zwei gelbe Karten gegen die Fortunen zeigte – eine davon ging an Jean Zimmer, der sich, na ja, eine Art Schwalbe zuschulden kommen ließ.

Die zweitgrößte Überraschung neben der Anwesenheit von Kuba ab Minute Null war sicher ein Cello Sobottka als linker Außenverteidiger. Hatten wir, glaubt Ihr sehr ergebener Berichterstatter, noch nicht. Dieser Kniff machte es möglich, Käpt’n Bodze aus der Viererkette zu lassen, um gemeinsam mit Piotrowski, Peterson und Pledl das Mittelfeld zu bilden und dort den Part eines Ausputzers zu spielen. Ob Kenan Karaman zweite Spitze spielte? Wurde nie ganz klar. Wenn der Bursche, der nun doch zu Galatasaray wechseln wird, stürmte, dann waren es versuchte Alleingänge. Ansonsten warf er sich mit Verve in jedes Kopfballduell.

Laufwege unbekannt

Überhaupt war das ganze Angriffsspiel etwas merkwürdig angelegt. So wich Hennings in der ersten Halbzeit oft nach Linksaußen aus, wo er dann auch angespielt wurde, aber meistens den Ball verlor oder fehlpasste. Bei den immer noch viel zu wenigen Versuchen, ihn in der Mitte direkt vorm gegnerischen Keeper zu finden, stand er wie geplant, war aber dann in der Regel von Blauen umringt. Nein, spielerisch war das keine Sahnetorte, was die Jungs uns auf den Tisch stellten. Überdeutlich wurde, dass sie einfach untereinander die typischen Laufwege nicht kennen – wie auch, wo sie doch nie oder selten zusammen im Wettkampf auf der Wiese standen.

So gingen viele gutgemeinte Pässe ins Leere, und aus dem Klein-Klein entstanden selten brauchbare Doppelpässe. Apropos: Beim Warmmachen ließen die Coaches minutenlang One-Touch-Kick üben, das sah gut aus, hatte aber fürs Spiel keine Folgen. Das Bemühen war besonders bei Tony Pledl überdeutlich zu sehen, bei Jean Zimmer auch. Als Pledl dann in der 84. Minute raus durfte, war er schlicht platt, und eigentlich hätten die Trainer gut daran getan, Kelvin Ofori fünf bis zehn Minuten früher für den Tony zu bringen. Der brachte wieder Unruhe in die blauen Reihen, fand aber seine Leute nicht. Dafür half er äußerst diszipliniert beim Verteidigen, wenn er dort ran musste.

Hoffmann wieder da

Ein Highlight des Abends war das Auflaufen von Andre Hoffmann in der 71. Minute, allerdings aus einem möglicherweise traurigen Anlass. Runter ging Kevin Danso, der nach einem eher harmlosen Foul von den Doktoren behandelt werden musste. Der hatte bis dahin sehr aufmerksam gespielt, auch wenn es natürlich auf Dauer langweilig wird, wenn ein Innenverteidiger die Bälle immer hoch und weit nach vorne köpft oder drischt. Anbrennen ließ der Junge aber gar nix. Die eine Entdeckung des Tages war sicher Christoph Klarer als zweiter IV, der seinen Job auf unglaublich humorlose Weise erledigte. Die beiden Youngster – man bedenke: 20 und 22 Jahre alt – agierten fehlerfrei. Was will man mehr?

Wie gewohnt durfte Jean Zimmer seine Außenverteidigerrolle wieder mit erheblichem Offensivschmalz gestalten. Interessant: Ging der kleine Schang nach vorne, rückte Klarer auf die Außenposition, während Bodzek wieder den hängenden Sechser, quasi als Aushilfs-IV spielte. Das ist ein taktisch feines Instrument, was wir da haben. Sobottka tat weniger für den Angriff als seine Vorgänger auf der linken AV-Position, hatte aber mit Kristoffer Peterson vor sich einen Kerl, der die Außenbahn wie ein Linksaußen alter Schule beackert und bestens mit dem Mittelfeld kooperiert. Ansonsten zog Cello dem kultigen Schnatterer derart viele Zähne, dass der sich freiwillig auswechseln ließ.

Keine Trainerdiskussion – wirklich?

Das alles beobachtete übrigens ein gewisser André B., seines Zeichens arbeitsloser Fußballlehrer, von einem Platz oberhalb der Presse aus, gut getarnt mit einem Mundnaseschutz. Aber, wir haben ja keine Trainerdiskussion… Wer’s glaubt, wird selig. Wär ja auch blöd von den Verantwortlichen sich nicht nach einem anderen Übungsleiter umzuschauen, wenn der aktuelle Posteninhaber schwächelt. Wobei: Um es noch einmal ganz klar zu stellen, mit seinem Anteil am Sieg hat Uwe Rösler sich zu einem nicht unerheblichen Teil rehabilitiert, denn es ist doch das, was einen guten Trainer ausmacht, dass er seine Schützlinge dazu bringt ihr Bestes zu zeigen – und zwar mit der Kraft seiner Worte. Und, ja, es war ein Sieg des Willens – so drückte UR es in der Pressekonferenz aus – des kollektiven Willens, den der gesamte „Staff“ (O-Ton Rösler) vom Chefcoach, den Ko-Trainern und den Spielern bis zu den Medizinern und Betreuern. Die Auswechselspieler feuerten an, und auch die verletzten Kicker, die im Stadion sein durften.

Und das, liebe BILD-Zeitung, ist es, worum es geht: die fortunistische Einheit. Also hört auf mit euren Versuchen, Spaltkeile zwischen die Bestandteile des ganzen Kollektivs zu treiben. Wo wir gerade bei den Medien sind. Ihr höchst Ergebener wird nie verstehen, weshalb ein Reporter seinen Spielbericht noch im Stadion fertigstellen muss. Ist es der Wunsch „Erster“ rufen zu dürfen oder ist es der Redaktionsschluss, der in den Zeiten des Internets und der Parole „Online first!“ irgendwie albern daherkommt. Das Ergebnis dieser Textprügelei noch auf der Pressetribüne sind Berichte, die alles bis etwa zur 70. Minute schön schildern, dann aber ins Galoppieren geraten, um die letzten fünf Minuten und die Nachspielzeit in einem Halbsatz zu verstecken. Wenn bei einem Bericht übers gestrige Spiel das nicht gegebene 2:0 fehlt, wird jeder erkennen, was Ihr Ergebener meint.

Ja, das Temperament…

Die Heidenheimer hatten Chancen, die meisten davon in Form von Schüssen von außerhalb „der Box“. Flo Kastenmeier musste sich genau zweimal ernsthaft bemühen; bei dem Ding kurz nach der Pause, als ein Blauer das leere Tor vor sich hatte und über die eigenen Füße stolperte, war er machtlos. Dafür bewies der gute Flo, dass ihm das Deppentor von Hannover nicht einen Hauch Selbstvertrauen gekostet hat. Einmal wehrte er im Stil von Neuer einen Ball außerhalb des Sechzehners per Kopfball ab, einmal umspielte er einen pressenden Gast elegant, und mehrfach ermöglichten seine präzisen Abschläge den Spielaufbau. Wirklich beeindruckend ist aber, wie er lautstark und mit dem nötigen Ernst seine Vorderleute dirigiert – so geht Torwart heute.

Reden wir noch einmal kurz über Kevin Danso, der mit seinem Ösi-Kollegen Klarer wunderbar harmonierte. Die Deppenaktion, die ihm einen Platzverweis eingetragen hatte, scheint kein Einzelfall zu sein. Offensichtlich geht das Temperament manchmal mit dem guten Kevin durch. Nach dem Foul, das ihn letztlich vom Platz holte, fluchte er hörbar auf den Schiri und zeigte körpersprachlich überdeutlich, dass er seine Auswechslung für falsch hielt. Trainer Rösler kommentierte das in der PK nur knapp, seinen Unmut sah man dem Coach aber an. Aber, hey, die Burschen sind jung, den kocht manchmal das Blut, die müssen noch viel lernen, vor allem, was ihr Benehmen angeht.

Wieso nicht immer so?

Die meistgestellte Frage unter den interessierten Fans an den Social-Media-Empfängern draußen im Land lautete: Wieso spielen die nicht immer mit dieser Einstellung? Warum muss der Druck durch Verletzungspech erst auf ein Niveau kurz vorm Implodieren anwachsen? Darauf gibt es sicher keine eindeutige Einzelantwort. Vermutlich haben die Insassen des Restkaders einzeln und zusammen gemerkt, dass was passieren muss, und erkannt, dass sie über die Mittel verfügen, die Dinge auch unter den üblen Rahmenbedingungen zu ändern. In diesem Sinne muss man aber noch einmal die leitenden Angestellten auf dem Platz besonders hervorheben, deren Anteil an der Motivation der Kollegen mindestens so hoch war wie der des Cheftrainers: Florian Kastenmeier, Adam Bodzek, Marcel Sobottka, Rouwen Hennings. Wir verneigen uns vor ihnen.

Wie hieß es in der Vorschau? Optimismus ist der Realismus der Fröhlichen. Also lasst uns fröhlich sein. Und ganz realistisch einen Sieg in Nürnberg ins Auge fassen. In der Hoffnung, dass jeder Kicker, der aus dem Lazarett zurückkehrt, das Team besser und erfolgreicher macht.

[In eigener Sache: Ihr Ergebener ist wirklich immer erheblich dankbar, wenn ihn Leserinnen und Leser auf Fehler im Text aufmerksam machen und wird die nötigen Korrekturen umgehend einarbeiten. Danke für Ihr Engagement!]

3 Kommentare

  1. Beeindruckend war für mich gestern Klarer, saubere Leistung mit Entschlossenheit, Selbstvertrauen und Mut. An ihm und an Peterson werden wir noch viel Freude haben (sofern die Verletzungs- und Krankheitsseuche uns auch mal in Ruhe lässt). Gaaanz soo schlecht, wie in den sozialen Medien behauptet wird, ist Uwe Klein wohl doch nicht in seinem Job. Ebenfalls ganz stark, der ewige Bodzek, so oft zu Unrecht verflucht.

    Und nicht zu vergessen, Sobottka, nicht nur wegen des Siegtores. Ihn könnte ich mir glatt öfter als LV vorstellen. Jedenfalls solange, bis Hartherz wieder gesund ist und falls er mal seine Normalform erreicht. Aber es gibt ja noch Koutris, der wird ja hoffentlich auch mal gesund bzw. hat seinen Trainigsrückstand aufgeholt.

    Es ist aber auch eine merkwürdige Saison, nicht ganz unerwartet. Zerklüftete Vorbereitung, immer wieder neue Verletzte oder Kranke. Ist also nicht einfach unter diesen Umständen ein Team zu formen. Auch wenn das sicher auf alle Mannschaften zutrifft, ist es auch Glücksache, wie häufig und heftig man betroffen ist. Gefühlt hat es uns bisher ziemlich heftig erwischt.

  2. B.Lockwart am

    „ Überdeutlich wurde, dass sie einfach untereinander die typischen Laufwege nicht kennen – wie auch, wo sie doch nie oder selten zusammen im Wettkampf auf der Wiese standen.“
    Deshalb sollten die typischen Laufwege ja auch im Training einzustudieren werden.

    Seien wir mal ehrlich zu uns selbst. Wenn das beste was der Trainer zu diesen Punkten beitrug, die lautstarken Anweisungen an erwachsene Spieler war, dann ist das zu wenig.
    Wenn es keine ordentliche Vorbereitung und zu viele Unterbrechungen im Training gibt, dann nimmt man die bekannten Abläufe und variiert darum herum.

    Das war Not gegen Elend. Not hat gewonnen, weil das Elend bei Not nicht ganz so groß ist. Aber selbst gegen Elend war das Angriffsverhalten von Not elendig, für einen „Befreiungsversuch“ sogar bitter elendig.
    Das waren, wie befürchtet, drei Punkte die das Leiden nur verlängern.

  3. Ein Lob an den Autor, den ergeben Ergebenen.
    Ich mag seinen Sachverstand, der sich in einer Art äußeren darf, der ich nur zu gerne lausche. Der fortunistische Nerv wird getroffen. Kein Eventy fühlt sich angesprochen wenn es unsere Diva mal wieder schlecht mit uns meint. Aber jeder wahre Freud der Fortuna. Insbesondere die Freunde, die (wie ich bereits 50 Jahre) schon länger der Göttin des Glücks verfallen sind. Dankeschön.