Urlaub hat Vor- und Nachteile. Der Nachteil ist, dass man ein Heimspiel der glorreichen Fortuna irgendwo in Frankreich mutterseelenallein per Skyticket anschauen muss. Dass man danach den Abend dauergrinsend bei einem Sonnenuntergang und einem passenden Getränk verbringen kann, ist dagegen vorteilhaft. Nur hätte Ihr sehr ergebener Berichterstatter viel, viel, viel lieber im Kreis
e seines Fortuna-Dorfes im Block 41 dabei sein mögen wie ein wunderbares Team einen Haufen Talente schlägt. Denn mit dieser einfachen Formel lässt sich der Sieg zusammenfassen.

Der beste Spieler in Rot auf dem Platz war eindeutig RenseMarcinBodzeKaanNicoJeanMarcelMatthiasAlfredoRouwenMarvinRobinDodiKenan. Wobei man natürlich über jedes einzelne Mitglied dieses unglaublich geschlossenen Teams etwas Gutes sagen kann: Michael Rensing pflückte ein halbes Dutzend Pillen, die sonst genetzt hätten. Adam Bodzek trat auf wie der sprichwörtliche Fels in der Brandung. Kaan Ayhan kämpfte sich trotz Doppelverletzung durch und war eine Bank. Marcin Kaminski – unauffällig, aber sicher. Nico Gießelmann war defensiv stark und brachte Manches nach vorne. Jean Zimmer hatte mit diesem A-Nationalspieler im SAP-Hemdchen den schwersten Job und zauberte die zuckrigste Zuckerflanke auf die Birne von Alfredo Morales, der sein allerbestes Spiel im F95-Trikot machte.

Jeder kämpft an seinem Platz

Marcel Sobottka und Matthias Zimmermann hielten in der Mitte den Laden zusammen und kämpften durchgehend intensiv. So wie Rouwen Hennings, der den Gegner durch seine Wühlarbeit entnervte und durch eine wüste Balleroberung das Führungstor ermöglichte. Marvin Ducksch dieses Mal sehr stark, sehr gefährlich; er hätte mehr Torchancen verdient. Robin Bormuth, der für den wirklich angeschlagenen Ayhan kam, fügte sich nahtlos ein und war nach dem Schlusspfiff der Lustigste auf dem Platz. Dodi Lukebakio zeigte a) sein unglaubliches Talent und b) sein überlebensgroßes Selbstbewusstsein, mit dem er sich das Ei griff, auf den Punkt legte und in die Hoffenheimer Bude ballerte. Kenan Karaman gab die kämpferische Kante, setzte einen starken Konter und wurde von einem SAP-Angestellten im Sechzehner umgerannt – wär wohl auch ohne Elfer ein Tor geworden.

Nun wissen wir alle, dass man beim Alleinegucken doch stark durch die Sky-Regie beeinflusst wird. So zeigten die Bezahldeppen anfangs permanent „Fans“ des Hopp-Projekts, sodass man meinen könnte, die wären scharenweise angereist, dabei waren es bloß 700. Wenn, wie der Milliardär immer glauben machen will, sein Projekt für eine ganze Region mit gut einer Million Bewohner steht, dann ist diese Zahl Auswärtsfahrer an einem Samstag einfach nur erbärmlich. Und da meckert der faltige Neusser seit Wochen, die Düsseldorfer kämen nicht zahlreich genug in die Arena. Gestern waren es keine 41.000, aber wenn man einmal hochrechnet, wie es bei einem Spiel gegen einen richtigen Fußballverein mit richtigen Fans aussähe, der vielleicht 5.000 oder 6.000 Leute mitbringt, dann wäre man schon nahe an ausverkauft.

Der kluge Funkel

Immerhin war der sky’sche Tonmann auf dem richtigen Dampfer, indem er die Mikros in Richtung Süd drehte und man am Empfänger sehr schön die Gesänge hören (und mitgrölen) konnte. Auch der Kommentator konnte nach einem Haufen dummen Zeugs in der ersten Halbzeit durch seine wieder und wieder geäußerte Bewunderung für die fortunistische Leistung überzeugen. Dass auch der Bezahlfunk mit ermüdender Intensität versuchte, die Partie zum Trainerduelle zu stilisieren – geschenkt, zumal beide Coaches dies in ihren Statements verneinten und der Jüngling im weißen Poloshirt den schönen Satz sagte: „Fußball ist kein ‚coaches game“, sondern ein ‚team game'“. Funkel übersetzte das dann in Normalsprache.

Wie klug dieser Friedhelm F. ist, zeigte er mit der Überraschung des Tages: Bodzek in der Startelf als zentraler Verteidiger. Ja, Bodze, immer wieder Bodze… Das ist ja ein Vorteil der Dreier-/Fünferkette, dass man da einen Abräumer in die Mitte stellen kann, der sich null um den Spielaufbau kümmern muss. Und dafür ist dieser ewige Bodze genau der richtige Mann. Außerdem: Hatte man vor Saisonbeginn auf das Pärchen Sobottka-Stöger als Mittelachse gesetzt, agiert jetzt ein Dreieck der Kreativität aus Sobottka, Morales und Zimmermann im Mittelfeld.

Sturheil statt Systemwechsel

Dieser Zimmermann war wieder richtig gut, konnte aber nicht so glänzen wie in den ersten beiden Spielen der Saison. Dafür war Morales gestern top – nicht nur wegen seines perfekten Kopfballs in die Hoffenheimer Maschen, sondern weil er die perfekte Nahtstelle zu den beiden Spitzen bildete. Während der Hoffenheimer Konzepttrainer – der wie immer nach einer Niederlage überhaupt nicht mehr sympathisch rüberkommt – dauernd mit den Fingern irgendwelche Systemwechsel signalisierte, die seine Untergebenen treu und brav umsetzten, ließ Funkel seine Jungs sturheil das 5-3-2 runterspielen, dass sogar nach der Einwechslung von Dodi bestehen blieb, wobei der aber immer auch die Flügel suchte.

Das Geheimnis des Erfolgs liegt aber neben der geschlossenen, leidenschaftlichen Mannschaftsleistung in der Power der Außen, also Zimmer und Gießelmann, die genau diesen unbedingten Wunsch, den Gegner zu besiegen, jederzeit zeigen. Bei Zimmer äußert sich das in Kilometern, bei Gießelmann in den Emotionen, wenn es einem seiner Kollegen irgendwie an den Kragen ging. Dass der Schiri mit den starken Gefühlen der Fortunen ganz gut umging, spricht für ihn. Überhaupt ermöglichte dieser Referee es, dass nach einiger zerfahrenen Bolzerei in der zweiten Hälfte der ersten Halbzeit dann ein richtig gutes, spannendes Fußballspiel wurde.

Kopfbälle und Standards besser

Drei Dinge fielen bei diesem wunderbaren Team in Rot auf: Man hat Kopfballduelle geübt, damit nicht das wieder passieren konnte, was gegen Augsburg die Punkte kostete. Man hat Freistöße und Eckbälle geübt, denn – völlig ungewohnt für die Fortuna – die Standarddinger kommen gefährlich. Punkt 3 beinhaltet die einzig wirklich ernsthafte Kritik: Die Quote an Fehlpässen und Ballverlusten in Zweikämpfen ist schlecht – blöd, wenn man dem Gegner mit Biss die Pille geklaut hat und beim Nachdenken darüber, auf wenn man passt, das Ei wieder verliert.

Es war ein merkwürdiger Nachmittag hier in einem Ferienhaus in Frankreich. Nach einem solchen, ja, unerwarteten Sieg möchte man rauslaufen und seine Freude mit anderen rotweißen Menschen teilen. Geht aber nicht, und die Nachbarn haben auch so schon ganz schön komisch geguckt.

[Foto: Matthias Neugebauer]

4 Kommentare

  1. Hallo Rainer,
    na wat musst du auch im Urlaub fahren. Das Spiel war vor einfach Gänsehaut pur und deine Kommentare sind wie immer Goldrichtig.
    95 Ole
    Michael vom Block 41

  2. Lieber Herr Bartels,
    wie Michael oben schreibt, eins der emotional positivsten Spiele in der Arena der letzten Jahre.
    Ansonsten stimme ich auch dieses Mal wieder mit Ihrem Kommentar überein, habe aber eine wichtige Anmerkung:
    Da standen in der Startelf 7 Jungs vom letzten Jahr auf dem Platz! Und das vor allem in der Verteidigung!
    Und das früher oft kritisierte „Wühlen“ von Rouwwen macht jetzt plötzlich viel mehr Sinn, nicht nur durch seine klasse Vorbereitung des 1:0.
    Denkt jetzt noch jemand an Peter Hermann? Ich bin bass erstaunt über Friedhelm mit seinen völlig unerfahrenen Co-Trainern, was die aus dem Kader zaubern.
    Schöne Zeit in Frankreich, nächste Woche Mittwoch sollten Sie aber wieder zurück sein.
    Buzz95

  3. Alles unterschrieben – nur den Duksch haben sie nach Frankreich falsch übertragen 😉
    Ist doch ein bisschen überfordert, das Jüngelchen, so arg er sich auch abstrampelt.
    Kann janoch werden …
    LG