Es ist an der Zeit mal ein allgemein gültiges Rezept für Krisen von Fußballvereinen zu fomulieren. Da eignet sich die Saison 2015/16 des TSV Fortuna Düsseldorf 1895 besonders gut, denn in den wenigen Monaten seit Dezember 2013 durchlaufen Verein, Mannschaft und Fans die bekannten Phasen geradezu beispielhaft. Seit dem asozialen Rausschmiss des Trainers Marco Kurz durch die Versager Jäger und Azzouzi befinden wir uns in der Phase 5 namens „Beschwörungen und Appelle“. Es ist der Abschnitt der Krise, in dem jeder, der eine Tastatur fehlerfrei betippen oder verständliche Laute aus seiner Fressöffnung zwingen kann, alles Mögliche beschwört, und sich jeder berufen fühlt, den einen oder anderen Appell abzusondern. Bezeichnend für die fünfte Phase ist, dass sich plötzlich Personen äußern, denen der betroffene Verein ansonsten weit am Arsch vorbeigeht und/oder die null Ahnung davon haben wie es zur Krise kam. Gern genommen wird auch das Beschwören der Einheit von ansonsten kaum miteinander kommunizierenden Entitäten. Konkret: Plötzlich finden die Fortuna-Fans, die noch vor wenigen Monaten die DEG als Idioten-Club in einer Plastikliga herabgewürdigt haben, es unheimlich putzig, dass die DEG der Fortuna die Daumen drückt. Wenn dann diese völlige Banane-Institution namens „Sportstadt Düsseldorf“, eine Arbeitsplatzbeschaffungsmaßnahme aus der Ära der Erwinista, beschwörende Appelle verzapft, unter der dann die Namen aller nennenswerten Verein stehen, ist das quasi schlagender Beweis für den Aufenthalt in Phase 5.

Wenn man sich die an Krisen extrem reiche Historie des FC Scheiße 05 anschaut, dann geht der Beschwörungs-Phase die der Kassandrarufe voraus. Es handelt sich um eine Phase, die unter den Erfolgsfans beginnt und von den Medien gern aufgenommen und befeuert wird. In dieser Phase wird 24*7 das Abstiegsgespenst an die Wand gesprayt, ein Menetekel jagt das andere, und die Intelektuellen ziehen Parallelen zu früheren Krisen und deren Ausgang. Ist Trotz die vorherrschende Gefühlshaltung in Abschnitt 5, kennzeichnet grassierende Hysterie die Phase 4. In der aktuellen F95-Krise war diese Phase auf geradezu idealtypische Weise präsent.

Die dritte Phase beginnt, wenn alle Trainerrauswürfe, Geldstrafen und Zwangsversetzungen von Spielern in die Trainingsgruppe II, die U23 oder auf die VIP-Tribüne wirkungslos verpufft sind und wird mit dem Wort „Durchhalteparolen“ etikettiert. Treibende Kraft ist zunächst ein gealterter Spieler, der von sich glaubt bei den Fans (die er nur in Form der Sitzplatzfurzer und VIP-Schmarotzer kennt) beliebt zu sein. Er spricht – heutzutage besonders gern über die sogenannten „sozialen“ Medien – die Öffentlichkeit an und für sich an und gibt Durchhalteparolen an sich selbst aus. Diese Selbstbefriedigung wird von den Spochtrepochtern gern aufgenommen und verbreitet, während die echten Fans stöhnen und massenhaft „OMG“ ins Facebook tackern. Bezeichnend für diese Phase ist auch, dass sich noch keiner so richtig Sorgen macht, dass was Schlimmes passieren könnte. Bei der Fortuna war diese Phase spätestens mit der erbärmlichen Pokalniederlage beim Glubb beendet.

Ebenfalls gern von den Medien aufgenommen und zum Zwecke der Quote ausgeschlachtet wird die Phase 2, die das Etikett „Wut und Protest“ trägt. Sie beginnt damit, dass das erste Ultra-Splittergrüppchen „Wir ham die Schnauze voll“ anstimmt, führt über das obligatorische Aufhängen motivierender Banner beim Training (z.B. betextet à la „Wenn ihr absteigt, schlagen wir euch tot“) bis hin zu gellenden Pfeifkonzerten, die von den geklonten Sprechpüppchen des Fernsehen immer als „Ausdruck von Unmut“ bezeichnet werden. In dieser Phase verhalten sich die Funktionäre und Verantwortlichen in der Regel relativ still. Die Medien schimpfen auf die Fans, die Fans auf die Erfolgsfans, und alle sind dafür, die Ultras endlich abzuschaffen.

Und die Phase 1? Das ist die lang, lang andauernde Phase, in der die Funktionäre, die Präsidenten und Vorstände, die Aufsichts- und Beiräte, kurz: alle die was zu entscheiden haben, genau die Fehlentscheidungen treffen, aus der sich die weiteren Phasen der Krise ergeben. Und bevor die ersten Anzeichen der Krise deutlich werden, verfällt die genannte Gruppe Unsportlicher in den Zustand der Schönrednerei und des Erstmalabwartens. Dieser Teil der Fortuna-Krise begann bekanntlich mit der aberwitzigen Bestellung des Dr. Dirk Kall zum Vorstandsvorsitzenden („Wart doch erstmal ab, was der macht!“), die total bescheuerte Verpflichtung von Helmut Schulte zum Sportmanager („Der hat viiieeel Erfahrung und ein grooooßes Netzwerk“) und die Zusammenstellung eines Kaders („Alles erfahrene und vielversprechende Spieler, nicht teuer, fast geschenkt…), mit dem Frank Kramer keine Chance hatte („Wir glauben an Kramer und sehen keinen Anlass…“).

Bleibt die Frage, was auf die fünfte Phase folgt? Nun, an dieser Stelle sind zwei Szenarien denkbar, mit beiden hat die Fortuna Erfahrung. Phase 6 kann heißen „Heulen und Zähneklappern“ und umschließt den Abstieg in die nächsttiefere Liga sowie einen kompletten Umsturz im Verein. Danach folgen dann acht bis zwölf Jahre Trümmerräumung und Wiederaufbau. Oder sie wird „Alles richtig gemacht“ genannt und tritt ein, wenn der letzte Trainerrauswurf zwar asozial und feige war, aber erfolgreich. Dann klopfen sich alle verbliebenen tagelang gegenseitig auf die Schultern, die Fans strahlen und die Journalisten schreiben irgendwas mit „Sommermärchen“ oder so…

[Foto geklaut bei: Universum der mächtigen ALTsTARS – damals nannte man das Beschwören der Vereinsfahne noch „Allahen“, ein politisch völlig unkorrekter Begriff für ein Ritual, das besonders gern vor Anpfiff im Mittelkreis zelebriert wurde, was heute ungefähr genauso dolle verboten ist wie Pro; im konkreten Fall fand das Allahen vor dem legendären Endspiel um den ARAG-Pokal 2003 in der Velberter Sonnenblume statt, ein Ereignis, von dem sich weite Teil des Kaffs bis heute nicht erholt haben…]

Ein Kommentar

  1. Wolfgang Uhlmann am

    Wenn Fortuna die letzten spiele so spielt wie gegen Lautern . Dann bleiben wir in liga 2 ich drücke die Daumen. Und ich stehe mit meinem Sohn hinter unserer Fortuna 95 Olé