Wie jetzt, was hat denn seine Hüftsteifigkeit Emir mit unserem flinken Flügelflitzer Benito zu kriegen? Ganz einfach: Beide sind (Kujovic = immer noch / Raman = nicht mehr lange) Angestellte des Düsseldorfer Turn- und Sportverein Fortuna 1895 e.V., also Arbeitnehmer. Wie du und ich in manchen Phasen meines Lebens auch. Bekanntlich handelt es sich bei der Bundesrepublik Deutschland um ein Staatswesen, das – im Gegensatz zum Beispiel zu den Vereinigten Staaten von Amerika – über einen erheblichen Katalog an Arbeitnehmerrechten verfügt, mit dessen Hilfe Arbeiter und Angestellte vor der Willkür ihrer Vorgesetzten geschützt werden. Das gilt immer, wird aber manchmal zu einer juristischen Angelegenheit, die nicht selten vor dem Arbeitsgericht endet. Dass also der Emir und der Benito schützenswerte Arbeitnehmer sind, wird in den kaum erträglichen Transferdebatten in den sogenannten „sozialen“ Medien gern vergessen.

Eines der Arbeitnehmergrundrechte redet von der „Selbstbestimmtheit“ von Lohn- und Gehaltsempfängern. Aus diesen Paragrafen ergibt sich übrigens, dass ein Profifußballer einem Verein nicht „gehört“. Insofern ist es auch Schwachsinn, wenn irgendwelche Schreib- oder Sprechfinken immer noch blubbern, dieser oder jener Club habe diesen oder jenen Kicker „gekauft“. Gibt’s nicht. Sklavenhandel und -haltung sind in der BRD aber sowas von grundsätzlich verboten. Worum geht also bei einem Transfertheater wie das, was sich rund um den belgischen Herzchenwerfer entfacht hat? Fassen wir es mal als arbeitsrechtlichen Ablauf zusammen. Fortuna hat mit dem jungen Benito einen Angestelltenvertrag mit einer Laufzeit bis zum 30. Juni 2022 geschlossen. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer Raman sich verpflichtet hat, seinem Arbeitgeber seine kickende Arbeitskraft bis zu diesem Zeitpunkt vollumfänglich zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug hat sich der Verein verpflichtet, seinem Ballarbeiter ein monatliches Gehalt in der vertraglich vereinbarten Höhe zu zahlen.

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Die fiesen Berater des Frittenflitzers

Nun haben die fiesen Berater, denen der arme Frittenflitzer in die schmuddeligen Hände gefallen ist, ihm massiv folgendes eingeflüstert: „Hey, Benitochen, du bist so ein grandioser Fußballer, du müsstest viel, viel mehr verdienen als die Fortuna zahlen kann. Außerdem musst du an deine Karriere denken. Weißt schon: europäischer Spitzenclub und dann Nationalmannschaft, Werbeverträge, Kohle in Massen. Dann musst du nicht mehr mit so nem schibbeligen BMW M4 rumkutschieren und kannst deiner Familie regelmäßig goldene Steaks auf die Teller werfen.“ Nun hat Mijnherr Raman schon mit sieben, acht Jahren abwechselnd in ManU-, Chelsea- und anderer englischer Wäsche gepennt und seinen Liverpool-FC-Bärchenschlafanzug bis auf den letzten Faden abgetragen. Da will er hin, in die Premier League – denn da wird man sogar als Bankdrücker überdimensional vergütet. Und dann haben ihnseine Berater noch gebrieft, was er den Medien zu erzählen habe. Dass er ja an seine Familie denken müssen, an seine Zukunft und die seiner Kinder und Kindeskinder – da müsse er schon schauen, dass er nicht bloß mit 400.000 in der Jahreslohntüte heimkäme.

Aus irgendeinem Grund, den kein vernunftbegabter Fußballfreund in nüchternem Zustand nachvollziehen kann, haben ihm dann diese bösen Zungen eingeflüstert, der FC Schalke 04, das wäre doch was für ihn. Ein in Europa seit Jahrhunderten weltberühmter Verein mit endloser Geldquelle in den russischen Gasfeldern. Denen käme es auf ein Milliönchen mehr oder weniger Gehalt nicht an. Und wer da mal gekickt habe, dessen internationale Karriere sei vorgezeichnet. Möglicherweise hat die ewige Fußballerei den lieben Benito doch ein bisschen zu oft von der Schule ferngehalten, sonst hätte er seinen Beratern vielleicht gesagt: „Ey, Alter, bist du blöd oder was? Schalke war doch schlechter als Fortuna. Und waren doch seit hundert Jahren nicht mehr Meister. Das ist doch Sackgasse, Mann!“ Nein, er gab keine Widerworte, sondern fing da an, das Vorgesagte gebetsmühlenmäßig in die Reportersmartphones zu diktieren: Er wolle un-be-dingt und jetzt sofort für Schalke spielen. Und Fortuna müsse jetzt aber mal so was von dankbar sein, dass er sich zwei Jahre lang heftig den Allerwertesten gespalten habe für den Verein.

Kein Arbeitgeber muss dankbar sein

Und da kommt schon wieder das Arbeitsrecht ins Spiel. Nein, kein Arbeitgeber muss einem Arbeitnehmer dafür dankbar sein, dass der seinen Job so gut wie nur möglich erledigt hat. Nein, nein und nochmal nein. Dafür hat er schließlich den ganzen Schotter abgesahnt. Im Gegenteil: Möglicherweise ist es das Verdienst seines Vorgesetzten – in diesem Fall eines gewissen Herrn Funkel -, dass er überhaupt so viel Leistung aus seinem schmächtigen Körper rauspressen konnte. Man erinnere sich an die massiven Konditionsprobleme des Herrn Raman in der Hinrunde 2018… Man könnte vielleicht sogar sagen: Fortuna & Funkel haben erst das aus ihm gemacht, was ihn für andere Vereine so attraktiv erscheinen lässt. Schwamm drüber. Denn natürlich ist es das verbriefte Recht eines Arbeitnehmers, sich zu wünschen, in einem anderen Laden malochen zu dürfen. Ja, gibt es einen befristeten Vertrag zwischen ihm und seiner Company, kann er am Tag nach dem Vertragende einfach so und fröhlich pfeifend zu einer anderen Firma wechseln – er muss noch nicht mal kündigen!

Was aber, wenn ein solcher Gehaltsknecht mittendrin wegwill. Dann muss er zu seinem Chef gehen und sagen: Du, Boss, hömma, ich will jetzt doch lieber für Gazprom Gelsenkirchen wulacken. Lass mich doch einfach mal aus dem Vertrag raus. In der real existierenden Berufswelt würde ein solcher Vorturner vielleicht nörgeln und auch sauer sein, aber dann doch irgendwann sagen: Ja, gut, hat dann ja eh keinen Zweck mit uns beiden Hübschen. Also, addios zum nächsten Monatsende. Nun gibt es im bezahlten europäischen und bundesdeutschen Fußball aber eine Ebene, die rechtlich einigermaßen umstritten ist, aber an die sich alle Beteiligten inklusive der Fans gewöhnt haben: den Transfermarkt. Ja, es soll Menschenkinder geben, die diesen Menschenhandel für das Normalste von der Welt halten. Dieser Markt (ganz im Sinne des neoliberalen Turbokapitalismusses) funktioniert so, dass ein Verein von einem anderen eine sogenannte Ablösesumme verlangt, damit ein wechselwilliger Spieler von seinem ehemaligen Arbeitgeber zu ihm kommt. Ja, ich weiß, Ähnliches fällt in der Wirtschaftswelt auch bei Top-Managern an, wenn sie von einem Konzern zum anderen abgeworben werden – und da ist es genauso bizarr. Die Absurdität dieser Transferkasperei besteht doch darin, dass wenn ein Kicker seinen Vertrag erfüllt hat und dann wechselt, dieser Wechsel das Etikett „ablösefrei“ und nicht „stinknormal“ trägt.

Benitos Recht auf Selbstbestimmung

Weil in dieser modernen Zeit ja der Markt das höchste vorstellbare Wesen ist, nennt man die zu erwartende Ablösesumme, die ein Club für einen seiner noch vertragspflichtigen Spieler kriegen könnte, „Marktwert“. Also laberten in den vergangenen Wochen Leute mit und ohne Ahnung ständig davon, dass der bei Fortuna Düsseldorf unter Vertrag stehende Spieler Benito Raman diesen oder jenen Marktwert in Millionenhöhe habe. Und nur wenige redeten davon, dass der Arbeitnehmer Raman einfach – unabhängig davon, ob er gute oder schlechte Gründe hat – sein Recht auf Selbstbestimmung wahrnehmen wollte. Es ist sein gutes Recht, seinen Arbeitgeber um vorzeitige Vertragsbeendigung zu bitten. Es ist aber auch das gute Recht des Arbeitgebers, ihm diese Bitte abzuschlagen. Nur, was dann?

Womit wir beim schwedischen Topscorer vergangener Jahre namens Emir Kujovic sind. Der hat zwar mit zwei wahnsinnig wichtigen Treffern aktiv am Aufstieg der Fortuna in die erste Bundesliga mitgewirkt, hatte aber spätestens zu Beginn der Rückrunde 2017/18 keine Schnitte mehr beim F95-Trainerteam. Ergo wurde er nicht mal mehr auf die Bank gesetzt und durfte sich die Spiele bequem von der Tribüne aus angucken. Nun ist der Mann mit dem eigenwilligen Bewegungsstil seit einigen Tagen 31 Jahre alt und damit in der Dämmerung seiner Fußballkarriere. Da muss man als Profi schon sehen, wo man bleibt. Und weil schon im Sommer 2018 die Aussichten, irgendwo noch ein paar Euros mit dem Kicken zu verdienen, (zumindest in den oberen drei Ligen in Deutschland) ziemlich schlecht waren, sagte sich der Emir (oder sagten die Berater dem Emir), nö, ich bleibe einfach bis zum 30. Juni 2020 – egal, ob ich nochmal spielen darf oder nicht. Es ist sein gutes Recht, auf Erfüllung seines Vertrages durch den Arbeitgeber zu bestehen. Bumms, und dieser Arbeitgeber kann dagegen wenig tun, wenn der Emir keine Medizinbälle klaut oder dem Konditionstrainer paar vor’n Latz haut.

Schade um die Romantik…

So sieht’s aus, wenn man die Fälle Raman und Kujovic mal aus arbeitsrechtlicher Sicht betrachtet. Nun sind ja gerade die diskutierfreudigen Fans in den „sozialen“ Medien doch erheblich romantisch gestimmt. Deren Bild vom Fußballer ist immer noch das eines Freundes einer verschworenen Elferbande, der sein Herzblut für den Verein verspritzt, dessen Wappen auf der Brust zu tragen er die Ehre hat. Ach, wäre das schön, wäre Fußballland noch so wie früher in der guten, alten Zeit! Aber, da ist dem romantischen Freund des getretenen Rundballs dann eben doch der neoliberale Turbokapitalismus in die Quere gekommen, also, der mit den Ablösesummen, den Transfermärkten und den Marktwerten. Verrückt genug, dass dieselben Nasen, die es scheiße finden, dass ein Kicker woanders mehr Asche abgreifen und/oder seiner Karriere einen Schub verpassen will, wie die Blöden über genau diese Ablösesummen und Marktwerte debattieren als seien sie das Normalste von der Welt.

9 Kommentare

  1. unser Verein heißt nicht TSV Fortuna Düsseldorf 1895 e.V., sondern
    Düsseldorfer Turn- und Sportverein Fortuna 1895 e.V. ….

    • Rainer Bartel am

      Danke für den Hinweis – das stimmt natürlich und wird geändert.

  2. Dieser ganze Berufsstand gehört aus dem Bereich ‚Arbeitnehmer‘ ausgegliedert !!!

    Sie sollten sozialtechnisch wie Künstler als ‚Freischaffende‘ behandelt werden und die soziale Versorgung (Berufsgenossenschaft, Krankenkasse, Arbeitslosengeld, Rente) auf eigene Rechnung finanzieren.

    Sich mit vergoldeten Steaks füttern zu lassen aber bei Bedarf immer schön das einfordern, was für ’normale‘ Arbeitnehmer gedacht ist.

    • Rainer Bartel am

      Das ist ein wirklich interessanter und vernünftiger Ansatz, bedingt aber zunächst eine grundlegende Änderung der DFB-Statuten in Sachen „Lizenzspieler“. Profifußballer den „freien Berufen“ zuzuordnen würde mit sich bringen, dass zwischen Kicker und Club ein Dienstvertrag geschlossen würde, der dann in viel größerem Maße flexibel gestaltet werden könnte als die jetzigen Angestelltenverträge. Nur der letzte Satz enthält eine Fehleinschätzung: Es gab und gibt nur wenige Fälle, in denen ein Profifußballer seine Arbietnehmerrechte „eingefordert“ hätte und auch nur in Fällen, in denen sich der Arbeitgeber unkorrekt und/oder arschig verhalten hat.

      • Das Einklagen in den Trainingsbetrieb (mittelweile regeln die Vereine es präventiv mit ‚Versetzungen‘ in die Zweitvertretungen – wenn noch vorhanden) …

        … als ‚Freischaffende‘ müssten sie für den Erhalt ihrer Arbeitskraft in Eigenregie sorgen.

  3. Gäbe es dieses Transferfenster nicht, hätten die Vereine, übertrieben gesagt, jeden Monat so ein Theater, wie das derzeitige mit Raman. Sklavenmarkt hin oder her, so ganz hinkt der Vergleich mit einem normalen Arbeitnehmer schon. Da bin ich bei 42NA95.

    Was Raman, dessen Berater und (wenn auch nicht bewiesen) Schlacke 04 da abziehen, ist einfach nur mies. Fußball-Romantik hin oder her, man kann auch in der heutigen Zeit so etwas anständig regeln. Das Gelaber vom absichern der Familie der Familie ist gequirlte Scheiße. Niemand hat ihn vor einem Jahr gezwungen, den Vertrag bei Fortuna zu verlängern. 2 Jahre mehr Vertrag und eine deutliche Gehaltserhöhung hätte er bei F95 sicher auch jetzt noch bekommen können. Hätte das aus seiner Sicht nicht gereicht, okay, dann wird halt verhandelt. Aber öffentlich zu erklären, für ihn gibt es nur noch Scheiße 04, zeigt nur eins: der Typ hat einen miesen Charakter.-

    Und Schlacke? Die ködern ihn und seine(n) Berater mit einem sehr hohen Gehalt, was sie bei der Fortuna wieder über die Ablöse einsparen wollen. Ich hoffe, unser Verein bleibt konsequent. Bei seinem gewünschten neuen Verein der Herzen wird er das spätestens in zwei Jahren genauso wieder abziehen, falls er seine Leistung der abgelaufenen Rückrunde bestätigen kann. Dann lockt vielleicht England, da muss er sich erneut absichern.

    Scheiß egal, jeder ist zu ersetzen. Ich bin sicher, F95 hat schon einen Plan B für Raman. Außerdem wäre er, wenn er bleibt, eher eine Gefahr für das Klima in der Mannschaft. Das ist aktuell das höchste Gut für Fortuna und sollte nicht gefährdet werden.

    Für Kujovic habe ich da sogar Verständnis. Irgend jemand hat ihm einen gut dotierten Vertrag bei uns gegeben, den er bei einem Vereinswechsel wohl nicht mehr bekommen würde. Das würde auch ein normaler Arbeitnehmer aussitzen ;-).

    • Christian Albert Otto am

      Fussballerisch muss man kein Fan des Mitarbeiters Kujuvic sein, charakterlich ist ihm nichts vorzuwerfen. Ich hatte bei seiner Verpflichtung zumindest Hoffnungen/Erwartungen die leider nicht erfüllt wurde. Passiert.

      Etwas verwunderlich fand ich, dass beim angeblichen „Fachblatt“ kicker zu lesen war Davor Lovren (der mit dem Bruder) dürfe Fortuna verlassen. Er ist ja noch ein sehr Junger Spieler dem ich es noch zutraue seinen Platz bei der Fortuna zu finden.

      • Ja, ganz meine Meinung. Lovren wird nur ausgeliehen, Funkel hat ihn wohl noch nicht abgeschrieben. Ich traue ihm eigentlich auch etwas zu, aber FF sieht ihn halt täglich und kann das sicher besser einschätzen, als ich.

  4. Christian Albert Otto am

    Wie sieht es arbeitsrechtlich eigentlich bei den Leihspielern aus? Ist es eine normale Arbeitnehmerüberlassung oder gibt es da besondere Regel?

    Beispiel: 2018 musste noch eine Stelle „Innenverteidiger“ in der Abteilung „Defensive“ besetzt werden. Somit einigte man sich mit der Zeitarbeitsfirma „VfB Stuttgart“ auf eine Arbeitnehmerüberlassung für ein Jahr des „Mitarbeiters“ Kaminski.