Ihr enorm ergebene Berichterstatter hat sich angesichts seines Spielberichts von der Auftaktpartie beim HSV erhebliche Kritik eingehandelt. In einigen Punkten völlig zu Recht. Aber, er muss sich ja auch erst einmal auf die neue Saison einstellen. Natürlich war viel Pauschalschelte dabei, die nicht sonderlich ernstzunehmen ist. Tatsächlich haben aber viele Kommentatoren den Finger auf eine Wunde gelegt, die der Ergebene nicht erkannt hat: die Zusammensetzung des Kaders. Darüber ist zu reden.

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In den Jahren seit dem Erstligaabstieg 2013 hat sich der Teil des Fußballs, den alle „Geschäft“ nennen, kolossal verändert, vor allem in Sachen Transfers. Erstens sind Transfererlöse für die kleineren Vereine zu einem lebenswichtigen Umsatzbringer geworden, zweitens ist die Rolle der Berater um ein Vielfaches gewachsen und drittens wollen sich Kicker nicht mehr nach Lust und Laune verschieben lassen. Kurz gesagt: Drei Faktoren, die nicht miteinander harmonieren. Dass die Berater inzwischen bei den erwähnten kleineren Vereinen die schlimmsten Unruhestifter sind, ist eine Binse. Deren Interessen liegen aber auch völlig anders als die der Clubs, oft sogar als die der von ihnen vertretenen Spieler.

Von klugen und gierigen Beratern

Es ist ja ganz einfach: In der Regel beziehen die Berater einen festen Anteil an den Einnahmen eines Profikickers (manchmal übrigens nicht nur an dessen Gehalt und Prämien, sondern an allem, was der Kerl mit seinem Namen reinholt). Als gute Geschäftsleute in den Zeiten des galoppierenden Kapitalismus‘ sind sie bestrebt, ihre Umsätze stetig zu erhöhen. Bei den großen Beratungsagenturen sind es vor allem die Investoren, die Wachstum und steigende Profite fordern. Nun gibt es kluge Berater und gierige. Die klugen Spielervertreter entwickeln gemeinsam mit ihrem Klienten einen mittel- bis langfristigen Karriereplan. Die gierigen – nicht selten Beratungsamateure, die aus dem familiären Umfeld stammen – sehen nur Kohle, Kohle, Kohle.

Die Fans haben – in vielen Fällen völlig berechtigt – die Berater zu Lieblingsfeinden erkoren, weil sie genau die Typen sind, die das romantische Bild vom Herzblutfußballer, der komme-was-wolle zu seinem Verein hält und nicht wie irgendein x-beliebiger Karrieremensch aus der sogenannten „freien“ Wirtschaft auf sein persönliches Fortkommen aus ist. Sagen wir es klar: Jeder Profi hat das absolute Recht auf Selbstbestimmung, also darauf, den Verein zu wechseln, wenn er sich dadurch einen Karriereschritt erhofft. Punkt. Auch der oldschooligste Fan muss einfach anerkennen, dass solch ein Berufskicker eben nicht 40 Berufsjahre vor sich hat, wenn er mit 17, 18 oder 20 Stammspieler eines Erst-, Zweit- oder Drittliga-Teams wird. Karrieren, die in diesem Alter beginnen und dann bis zum 35., 36. Lebensjahr laufen, sind äußerst selten.

Von klugen und gierigen Spielern

Nun gibt es wie unter normalen Menschen auch bei den Fußballer kluge und gierige Jungs. Wobei: Wenn einer annimmt, dass ihm vielleicht nur zehn, zwölf Jahre zum Absahnen bleiben, und er entsprechend versucht, bei jedem Wechsel das Maximum rauszuholen, sollte es ihm niemand vorwerfen. Die klugen Kicker planen mittelfristig, und wenn sie besonders schlau und auf der Höhe der Zeit sind, handeln sie nachhaltig. Das kann dazu führen, dass einer mit 27 sagt: Nö, ich bleib bei diesem Club, solange es geht, am liebsten bis zum Karriereende, und dann würd ich gern einen Job im Verein übernehmen.

Das alles als Vorrede. Im Falle des Kaan Ayhan haben die Fortuna-Anhänger überwiegend korrekt reagiert, seinen Wechsel nach Italien verstanden und ihm alles Gute gewünscht. Bei manchen Jungs, die nach dem Abstieg wegwollten, waren die Fans sogar froh. In einigen Fällen von Ausleihen blutete manchem das Herz, dass die goldige Diva nicht genug auf Tasche hat, um Kaufoptionen zu ziehen. Und bei dem, was Ihr Ergebener immer „Achse der Alten“ nennt, haben sich die meisten gefreut. Und nun die Causa Karaman.

Die Causa Karaman

Dessen Leistungen in der vergangenen Saison hatte sonnige und schattige Seiten, aber in mancher Partie hat er es rausgerissen mit seiner Kompromisslosigkeit. Und neben Rouwen Hennings hat er meistens eine gute Figur gemacht. Der gute Kenan aber möchte woanders mehr verdienen. Von einem Karriereplan kann angesichts der möglichen Ziele keine Rede sein, am ehesten noch von mehr Asche für ihn und seinen Berater. Wobei er selbst (oder sein Berater?) ja glaubt, seine Chancen, im nächsten Jahr als Nationalspieler bei der EM mittun zu können, würden steigen, wenn er in der türkischen Süperlig antritt. Kann sein oder auch nicht.

Momentan sieht es aus, als könnten ihn Uwe Klein und auch Uwe Rösler bequatschen, doch ordentlich am Training teilzunehmen und auch als Spieler bei den kommenden Zweitligapartien bereitzustehen. Sagen wir klar: Ein motivierter Kenan Karaman als zweiter Stürmer neben Rouwen Hennings könnte den Unterschied machen. Weil aber viele Fans auf das Spiel gegen den HSV schauen, die Karaman-Geschichte im Kopf haben und die fehlende zweite Spitze bemerkt haben, rufen sie laut nach der Verpflichtung eines weiteren Stürmers. Während ein Dawid Kownacki gleichzeitig darum bittet, bei der Zwoten mitspielen zu dürfen, um Spielpraxis zu bekommen, weil er sich als Spitze (mit oder ohne Rouwen) sieht.

Wen holen und wie?

An diesem komplexen Beispiel sieht man auch schon, dass es in verschiedener Hinsicht schwierig ist, jetzt den richtigen Kicker auf die richtige Weise zu holen. Kommt ein gestandener Zweitligamann, gibt’s Konkurrenz, bei der möglicherweise der gute Rouwen oder der ebenfalls gute Dawid verbrannt werden. Holt man ein Talent, muss das erst aufgebaut werden. Optimal wäre vielleicht ein klassischer Knipser am Abend seiner Karriere, der entweder mit einem Ein-Jahres-Vertrag zufrieden ist oder gar nur auf Leihbasis kommt.

Betrachten wir das ominöse kreative Mittelfeld, nach dem Ausfall von Eddie Prib eine ziemliche Leerstelle, die der noch junge Kuba Piotrowski nicht füllen konnte. Fragt sich aber überhaupt, ob er einen echten Regisseur geben kann – vermutlich nicht. Nehmen wir noch den hochbegabten Kelvin Ofori dazu, dem es an Kreativität nicht mangelt, eher an Kooperationsbereitschaft. Das sind drei völlig unterschiedliche Spielertypen. Jetzt heißt es, man solle auf dieser Position nachlegen, also einen Kicker holen. Dabei denken die meisten Fans natürlich an Kevin Stöger in seinen guten Tagen, wenn er tatsächlich eine komplette Partie dirigiert hat.

Künstler sind schwer zu finden

Solche Künstler sind rar gesät, und ob ausgerechnet die Fortuna mit ihren erheblich beschränkten Mitteln einen passenden Spieler verpflichten und bezahlen kann, ist unwahrscheinlich. Aber, es gibt eine andere Möglichkeit, solche Leerstellen zu füllen – man ändert das Spielsystem, denn die Vorstellung vom alles regelnden Dirigenten ist ja inzwischen auch ein wenig altmodisch. Die Funktion eines offensiven Sechsers ist erst einmal nur, die Verbindung zwischen Defensive und Offensive so anzugehen, dass Chancen entstehen. Diese Rolle kann man aber auch auf mehrere Köpfe verteilen. Dann dürfen aber neben dem „Regisseur“ aber nicht zwei defensiv orientiere Kollegen (z.B. eine Auswahl aus Bodzek, Sobottka und Morales) im Mittelfeld rumturnen. Und wenn Eddie P. fit ist, dass kann er ganz sicher die gewünschte Kreativrolle spielen.

Dass die Position des linken Außenverteidigers zur Baustelle würde, war schon weit vor Beginn der Saison klar. Und dann kam Florian Hartherz, ein Mann mit Erfahrung, aber ein Kicker, dem das Label „solide“ am besten passt. Solide Spieler haben die unangenehme Eigenschaft, dass sie an schlechten Tagen Niederlagen herbeiführen. Solide Linksverteidiger, die außerdem kein Händchen für Spieleröffnung und Konter haben, passen nicht in moderne Systeme. Heißt ganz klar: Auf dieser Position hat die Fortuna Bedarf, eigentlich sogar für zwei Mann. Hier wäre vorstellbar, einen eher jungen Kollegen, der nicht viel Ablöse kostet, zu holen, oder einen gestandenen AV auf Leihbasis.

Fehlende Backup-Spieler

Diese drei Schwachstellen im Kader hat eine Mehrheit der Fans, die hier mitlesen und kommentieren, ebenfalls ausgemacht. Weniger oft wurde erwähnt, dass es auf einigen Positionen keinen annähernd gleichwertigen Backup-Kicker gibt – z.B. auf der rechten AV-Seite, im rechten Mittelfeld und beim defensiven Sechser. Die Innenverteidigung, das hat sich in Hamburg gezeigt, kann auch zum Sorgenkind werden, wenn sich Andre Hoffmann und Kevin Danso nicht darüber einigen können, wer die Viererkette dirigiert. Und weil Hoffmann aus Gründen der Sozialhydraulik fast unverzichtbar ist, MUSS Jamil Siebert schleunigst davon überzeugt werden, einen Profivertrag bei F95 zu unterschreiben.

Noch einmal als grundsätzliche Anmerkung: Das Nichtvorhandensein ausreichend guter Spieler auf der einen oder anderen Position kann im modernen Fußball teilweise durch Anpassung der taktischen Systeme kompensiert werden. Große Flexibilität bei den Systemen erfordert aber einen größeren Kader, damit auch immer die Spieler abrufbar sind, die am besten passen. Übrigens ein Grund dafür, dass einige der führenden europäischen Teams immer noch Kader mit über 30 Mann durchfüttern, von denen oft fast alle irgendwann in der Saison zum Zuge kommen. So etwas kann aber die arme Diva sich einfach nicht leisten…

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