Es ist ja so ein Kreuz mit dem Hass und der Liebe, diesen zwei ungleichen Gefühlsgeschwistern. Die einen zitieren gern Martin Luther King, der meinte, Hass vervielfältige Hass, und da sei böse, weil es zu Gewalt führt. Andere sind der Auffassung, dass keine Liebe möglich, wo kein Hass. Dabei übersehen beide, dass es gerade rund um den Fußball so etwas wie symbolischen Hass gibt, also einen Hass, den man lauthals posaunt, ohne dem gehassten Personenkreis je etwas zu leide tun zu wollen. Zumal: Wenn es im berühmt-berüchtigten -F95Fan-Shout „Wir alle singen jetzt ein Lied…“ heißt „Wir hassen Köln und RWE“ sich die Frage stellt, wer oder was ist denn da gemeint – die jeweilige Stadt, der jeweilige Verein, die Bürger der genannten Städte, die Mitglieder der Vereine? So unspezifisch richtet sich der Hass also gegen etwas Symbolisches.

Zugegeben: Bei machen vom Testosteron gebeutelten Kreaturen schwappt der Hass dann schon mal uns Kleinhirn und führt zum Ballen von Fäusten und dem Versuch, irgendwelche Personen, die irgendwie mit dem gehassten Objekt verbunden sind, aufs Maul zu hauen. Das ist die Ausnahme und nicht die Regel. Und bei den bösen, bösen Hooligans spielt der Hass im Vergleich zur sportlichen Motivation sich mit Gegner zu boxen, eine eher untergeordnete Rolle. Was ist also dran am Hass der Fortuna-Fans auf Köln und den RWE, der gern und vollmundig quer durchs Stadion gebrüllt wird. Da muss man dann doch mal differenzieren.

Rot-Weiß Essen, f***n und vergessen

Während es quasi ein Naturgesetz ist, als Düsseldorfer das Domdorf und alles, was es da gibt – den Äff-Zeh (auch „Hundmithrönerverein“ genannt) eingeschlossen – zu verabscheuen, liegen die Dinge bei Rot-Weiss Essen (RWE) anders. Und weit in der Vergangenheit, in der – man glaubt es kaum – beide Vereine gemeinsam in der ersten Bundesliga kickten. Das war in den Spielzeiten 1973/74 bis 1976/77 der Fall. In diese Ära fallen eine Reihe Duelle der beiden Teams mit den Vereinsfarben Rot und Weiß, die man mit „erbittert“ beschreiben kann. Unter anderem das 5:3 des RWE im Heimspiel, bei dem Horst Hrubesch drei Hütten produzierte.

Die Älteren werden sich erinnern, dass seinerzeit Fußball noch gearbeitet, ja, gekämpft wurde, und das Kaputttreten eines Gegners noch an der Tagesordnung war. Und wenn dem RWE jener Jahre eines zueigen war, dann eine besondere Leidenschaft fürs Kaputttreten. In welcher Partie genau welcher Essener welchen Düsseldorfer kaputtgetreten hat, ist Ihrem sehr Ergebenen entfallen. Dass es aber regelmäßig zu Tumulten und Massenboxereien zwischen den Anhängern kam, weiß er allerdings aus eigener Anschauung genau. Die Liebe zum eigenen Club und die damit verbundene innere Fürsorge für die eigenen Spieler, die vom Gegner böse behandelt wurden, begründete den Hass der F95er auf die RWEler – der auch in all den langen Jahren, in denen sich die jeweiligen Team selten oder gar nicht über den Weg liefen, erhalten blieb.

Was wirklich in der DNA geprägt ist

Nun ist es wie bei so vielen Dingen im Fußball: Rituale, Rituale. Irgendwann passiert etwas, das positive oder auch negative Emotionen auslöst, und das wird dann als historisches Erbe weitergetragen. Ja, es gräbt sich praktisch in die DNA eines Vereins ein – so wie eben die Aversion auf den Verein Rot-Weiß Essen, dessen Funktionäre, Spieler und Fans. Halt, DMA? Da war doch was… Genau: Mehrere Jahre gruben mehrere Fortuna-Mitarbeiter tief in den Herzen von F95-Fans und brachten dann ein Dokument zu Tage, das sie die „Fortuna-DNA“ nannten. Dieses Dokument, so der Anspruch, sollte der geneigte Leser als „Leitlinie und Handlungsmaxime“ verstehen, und weil zig Gespräche mit Fans Ausgangspunkt waren, sollten die sich nun auch danach richten.

Vielleicht ist es ja nur der völlig unpassende Begriff DNA, der nicht wenige Fortuna-Anhängern bei der Lektüre schaudern lässt, vielleicht aber auch, dass in diesem Dokument der Hass, die Aversion, der Abscheu gegen gegnerische Clubs völlig fehlt. Weil – siehe oben – Hass ja was Böses ist und laut MLK zur Gewalt führt. Wer’s glaubt, wird selig.

Ein Kommentar

  1. Ich komm‘ jetzt mal mit dem platten Spruch, Hass hat im Sport nichts zu suchen. Ich singe da auch nicht mit beim dem „Lied“.

    Ich habe in den 70ern in Essen mal eine Fahrradkette auf die Schulter bekommen, dafür dem Schläger auf die Nase gehauen und bin dann mit meinem jüngeren Bruder abgehauen. Trotzdem hasse ich weder RWE noch Köln. Ich kann sie aber auch nicht besonders leiden (die Fans von denen).

    Ich habe da noch einen ganz anderen Aspekt. Es gibt bei jedem Spiel viele Kinder, teilweise sehr junge, im Stadion. Was vermittele ich denen mit solchen Gesängen? Wie erkläre ich dann hinterher, dass man Konflikte anders löst. Und dass es nur Sport ist und kein Krieg. Mir persönlich reicht es schon, wenn ich meine Schimpfworte im Moment der Emotion erklären muss. Die Hassgesänge finde ich daher fehl am Plat. Tradition hin oder her … ;-).