Wo in anderen Städten zwischen der Bevölkerung und dem führenden Fußballclub kein Blatt Papier passt, ist es bei der Fortuna und den Düsseldorfern kompliziert.

Lesestück · Keine Ahnung, wie das bei anderen Vereinen ist, aber bei der Fortuna heißt es von Fans oft „War schon immer so“ oder „Typisch Fortuna“. Das gilt auch für die (Liebes)Beziehung zwischen der glorreichen Diva und den Düsseldorfer Bürger:innen. Die gängigste Theorie lautet: „Wenn’s gut läuft, kommen die Leute in Scharen. Wenn’s mies läuft, kehren sie der Fortuna den Rücken zu.“ Rein statistisch gesehen ist diese These halbwegs haltbar. Nur: Bei welchen Vereinen ist das anders? Genau, bei den Clubs mit den gigantischen Mitgliederzahlen aus Städten (Gelsenkirchen, Dortmund, Köln), die ja sonst nichts haben, an dem man Freude haben könnte. Schaut man sich die Zuschauerbilanzen der 36 Bundesligavereine über die Jahre an, ist es bei einigen anderen Clubs auch nicht anders. [Lesezeit ca. 5 min]

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Und bei den Mitgliederzahlen sieht es für unsere Fortuna über die vergangenen 20 Jahre betrachtet sogar ziemlich gut aus. Waren es in der dunklen Zeit bis 2004 nur noch 2.500 bis 3.000 Menschen, die dem Verein mit ihrem Beitrag die Treue hielten, steht F95 aktuell mit mehr als 27.000 Personen auf Platz 15 der Mitgliederrangliste aller deutschen Fußballclubs. Selbst nach den Abstiegen aus der ersten Liga 2013 und 2020 gingen diese Zahlen nicht signifikant zurück. Schwankend war dagegen in Relation zu den sportlichen Resultaten die Anzahl der verkauften Dauerkarten – aber auch das ist bei der Mehrzahl der anderen Vereinen nicht anders.

Paul-Janes-Stadion (Foto: TD)

Trotzdem – und das ebenfalls im Vergleich mit der Konkurrenz – ist die Fortuna in den Herzen der Bürger:innen dieser schönen Stadt nicht in dem Maße verankert wie anderswo, vor allem, wenn man sich die Situation bei den anderen rheinischen Clubs anschaut. Vor allem der Äff-Zeh mit seinen rund 120.000 Mitgliedern spielt in der Stadtgesellschaft Kölns eine wesentlich größere Rolle als die Fortuna in Düsseldorf. Die Querverbindungen zwischen den Äff-Zeh-Mitgliedern und -Fans zur lokalen Wirtschaft, zur dortigen Politik und vor allem zum Brauchtum reichen erheblich tiefer als bei uns.

Das muss kein Nachteil sein, denn das führt dazu, dass bei uns weniger geklüngelt wird, dass sich viel seltener irgendwelche Großkopferten aktiv in die Vereinspolitik einmischen – der 2008 verstorbene Oberbürgermeister Erwin war in dieser Hinsicht eine große Ausnahme. Und der hat – wie wir heute in der Rückschau wissen – weniger deshalb an der Fortuna herumgeschraubt, weil er ein großer Fußballfreund oder gar F95-Fan war, sondern weil er eine gewisse politische Agenda vorantreiben wollte.

Aufstieg 2009 (Foto: TD)

Aber es gab in der Historie der vergangenen 50, 60 Jahre Phasen, in denen die Fortuna erheblich mehr Rückhalt aus öffentlichen Kreisen genoss – vor allem aus dem Kulturbereich. Legendär die tätige Liebe des Schauspielhaus-Intendanten Karl-Heinz Stroux (1955 bis 1972), der nicht nur kaum ein Heimspiel im Rheinstadion versäumte, sondern sein Ensemble teilweise dazu zwang, anfeuernd mitzukommen und dafür auf eigene Kosten Busse charterte. Später outete sich Filmregisseur Sönke Wortmann („Das Wunder von Bern“) als F95-Fan, genau wie der Schauspieler Moritz Führmann und natürlich der Regiegigant Wim Wenders.

In den Siebzigern begann es dann, dass sich Populärmusikanten zur Fortuna bekannten. Der blonde Barde Heino, selbst ehemals aktiver Kicker, war einer der ersten. Auch Hardrock-Königin Doro Pesch steht zu den Rotweißen. Und mit der Ankunft des Punk, der sein deutsches Zentrum ab etwa 1978 in Düsseldorf hatte, entstand eine tiefe Beziehung zwischen den Punk-Musikern und den Anhängern dieser harten Musik und der launischen Diva. Über das besondere Verhältnis zwischen den Toten Hosen und der Fortuna, das nun schon seit mehr als 30 Jahren existiert und auch die dunkle Zeit überlebt hat, könnte man ein eigenes Buch schreiben.

12.11.2010: Niko in seinem Element beim 3:0 der Fortuna über Oberhausen (Foto: TD)

12.11.2010: Niko in seinem Element beim 3:0 der Fortuna über Oberhausen (Foto: TD)

Merkwürdig verhalten war und ist dagegen über all die Jahre die Begeisterung von Wirtschaftsgrößen der Stadt zum Verein. Albrecht Woeste, der langjährige Henkel-Boss, ist da beinahe schon eine Ausnahme. Genau wie der Mittelstandsunternehmer Bruno Recht, der zwischen 1960 und 1980 verschiedene Ämter im Verein bekleidete und den Club als Präsident teils mit sehr harter Hand führte. Tatsächlich aber war es in der langen Geschichte des Düsseldorfer Turn- und Sportvereins Fortuna 1895 nie so, dass „man“ zur Fortuna ging, was in anderen Städten immer schon so galt. Gerade die „High Society“, also die Reichen und Neureichen, die Schickimickis, die ja angeblich so typisch für die Landeshauptstadt sind, hatten es nie wirklich mit unserem Verein.

Schaut man sich heute im VIP-Bereich und in den Logen um, dann dominiert dort die Handwerkerschaft und der Mittelstand. Das hat viele Fans immer wieder zu der Klage verleitet, warum denn die vielen nationalen und internationalen Großkonzerne, die ihren Sitz in Düsseldorf haben, so selten als Sponsoren so richtig tief in die Kassen gegriffen haben, um die Fortuna nach vorne zu bringen. Mal ehrlich: Mäzene, also Unternehmer:innen, die ihren lokalen Fußballverein jenseits eigener wirtschaftlicher Interessen massiv finanziell unterstützen, gibt es in Großstädten eigentlich nie (Kühne und der HSV sind da eine große Ausnahme). Versuche, die vielen japanischen Firmen vor Ort zu größeren Sponsoring-Aktivitäten zu überreden, haben auch nie so recht gefruchtet.

Anfeuern trotz Konflikt mit dem Vorstand

Anfeuern trotz Konflikt mit dem Vorstand (Foto: TD)

Und Otto und Lise Normalanhänger:in? Wie die Entwicklung der Mitgliederzahlen zeigt, sind die der Fortuna schon in den schwierigen Neunzigerjahren abhandengekommen. Um 2002 war es gang und gäbe, dass man, wenn man in F95-Klamotten durch die Stadt lief, gefragt wurde, ob es die Fortuna noch gäbe und in welcher Liga sie anträten. In der Zeit, als die Heimspiele im Paul-Janes-Stadion ausgetragen wurden, verirrten sich in der Oberliga manchmal keine 2.000 Nasen auf den Rängen. Aber es war auch die Zeit, in der eine Fanszene entstand, die sich hinter keiner anderen in Deutschland verstecken muss. Vielleicht nicht, was die schiere Anzahl Insassen angeht, aber sicher, was das Engagement betrifft.

Leider hat dies bei uns – wieder in Relation zu anderen Clubs – zu einer nicht endenden wollenden Debatte zum Thema „Fans vs Eventies“ geführt. Das ist das Paradoxe: Die sogenannten „Eventies“, die angeblich immer nur kommen, wenn die Fortuna im Aufwind segelt, sind es, die über die Jahre das Fundament für die gewachsenen Mitglieder- und die ordentlichen Zuschauerzahlen gelegt haben; die Menge an aktiven und engagierten Fans ist seit dem Aufstieg in die zweite Liga im Jahr 2009 nicht wirklich stark gewachsen.

Fazit: Ja, die Fortuna ist in punkto Verhältnis Stadt zu Verein schon ein bisschen besonders, das hat hauptsächlich historische Gründe. Aber ganz so schwankend wie oft behaupttet sind die Düsseldorfer:innen in ihrer Liebe zur Diva dann doch nicht.

2 Kommentare

  1. Ich find’s immer schade, wenn unser nicht ausverkauftes Stadion mit den „Schicki-Micki Düsseldorfern“ begründet wird, die nur zu Spielen gegen Top-Clubs gehen.

    Ein wesentlicher Grund dafür ist m. E., dass Fortuna einfach das drittgrößte Stadion in NRW hat. Außerdem ist Düsseldorf eingekesselt von den langjährig auch international erfolgreichen Bundesligisten Gladbach, Leverkusen, Schalke und Dortmund. Kein anderer BuLi-Verein in NRW wird derartig im Einzugsgebiet beschränkt. Zu dem Vergleich mit Köln: dort bin ich aufgewachsen, hier gibt es auch viele Fans, die nur zu den Top-Spielen gehen. Das Stadion ist ebenfalls nicht immer ausverkauft. Und es handelt sich um eine deutlich größere Stadt mit einem viel größeren Einzugsgebiet im Süden (Eifel etc., wo sonst kein einziger Club in der Nähe ist).

    Insofern müssen wir uns eher mit Vereinen wie Bochum vergleichen, also mit ähnlichen Voraussetzungen.