Beim Spiel der glorreichen Fortuna gegen die Lauterer hatten wir bei uns im Block vor Anpfiff eine Diskussion rund um Flüchtlinge, die zu uns kommen. Da ergriff einer aus einem Neusser Vorort das Wort, von dem ich das folgende nie erwartet hatte. Er erzählte, dass es im Dorf erheblichen Widerstand gegen die Ansiedlung von Flüchtlingen gäbe. Und da habe er in der örtlichen Gaststätte laut gefragt (Zitat) „Ob ihr Bauernköppe eigentlich noch alle ganz dicht seid? Meint ihr wirklich, jemand verlässt freiwillig seine Heimat oder gar seine Familie, um möglicherweise zu ersaufen?“ Er werde jedenfalls mit seinen Jungs (die Söhne und Freunde) demnächst mal abends beim nahegelegenen Flüchtlingsheim vorbeischauen, paar Fußbälle im Gepäck, um die dort Wohnenden zu fragen, ob sie nicht Lust auf ein bisschen Bolzen hätten – „wenn ich die Bälle zeigen, muss ich deren Sprache gar nicht können.“ Ihren sehr ergebenen Fortunafreund und Berichterstatter rührte die Sache so, dass er dem Neusser Vorortsburschen die Hand drücken musste. Bei all dem Hass, der quer durch Deutschland Kriegs- und auch Armutsflüchtlingen entgegenschlägt, bei allen Brandanschlägen auf Wohnheimen für Flüchtlinge, machen so etwas Hoffnung. Und vielleicht ist ja gerade der Fußball die Kraft der Integration. Dafür spricht auch, was sich die Leute von den Sportfreunden Gerresheim ausgedacht haben. Die veranstalteten am 11.04.2015 ein Freundschaftsspiel zwischen einer Auswahl der SF und einer Mannschaft aus Bewohnern des Flüchtlingsheims.

Entstanden war die Idee bei einem Treffen von Vertretrn der Sportvereine mit der BV des Stadtbezirks 7 zum Thema „Integration der Flüchtlinge“. Aus dem Freundschaftsspiel entstand eine beispiellose Kampagne für den jungen Enzu Conde aus Guinea, der nach eigenem Bekunden seit drei Jahren keinen Ball mehr getreten hat – so lange dauerte seine Flucht übers Meer sowie seine Zeit in Spanien. Am 16.04.2015 veröffentlichte dann der Geschäftsführer der Fußballabteilung der SF Gerresheim auf Facebook folgendes Schreiben:

Hallo Sportfreunde, liebe Fans des Fußballs,
leider musste ich am Montag erfahren, dass Enzu, der Auslöser unseres erfolgreichen Freundschaftsspiels, was Samstag stattgefunden hat, nach Dublin III in das europäische Land abgeschoben werden soll, in das er als erstes eingereist ist. Hier in diesem Fall wäre es Spanien. Es ist bekannt, dass in Spanien die Versorgung von Flüchtlingen miserabel bis katastrophal ist. Flüchtlinge kämpfen ums Überleben und das Sozialsystel gibt es nicht wirklich. Enzu ist 17 Jahre alt (Jahrgang 1998) und wurde lediglich durch eine fragwürdige Methode (Interview) des Jugendamts Dortmund auf volljährigkeit geschätzt. Eine Mitarbeiterin des Jugendamtes Dortmund hat mir telefonisch bestätigt, dass es ein Interview gibt, und an Hand diesem wird dann das Alter festgelegt. Eine sehr fragwürdige vorgehensweise.

Ich habe ein 4-seitiges Protestschreiben versendet. Natürlich ist dann auf einmal kein Bundesamt mehr zuständig und schiebt dies alles auf die Länder und Kommunen ab. Enzu hat eine 3 jährige Flucht hinter sich, hat nachweislich keine Eltern mehr (beide verstorben) und wenn man sein richtiges Alter zu Grunde legt, ist er mit 14 Jahren geflohen. Dies verändert einen Jungen Menschen massiv. Ich möchte mir nicht vorstellen, was er erlebt hat. Hier geht er zur Schule und integriert sich bestens. Er kann auch immer besser deutsch. Das Schreiben mit Ihm über bekannte Messenger oder SMS funktioniert einwandfrei! Fakt ist, Deutschland kann nach Artikel 17 Abs. 1 Dublin-III-VO das Selbsteintrittsrecht ausüben. Dies habe ich in meinem Schreiben gefordert.

Leider kann es jeder Zeit passieren, dass die kommunale Ausländerbehörde der Landeshauptstadt Düsseldorf im Morgengrauen in der Unterkunft einfliegt und die Abschiebung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Außenstelle Düsseldorf) vollstrecken möchte. Zwar ist diese Vorgehensweise absolut umstritten, aber sie wird dennoch immer wieder praktiziert und ich habe es selbst schon gesehen als ich nachts nicht schlafen konnte. Daher bitte ich euch, diesen Post so oft es nur geht zu teilen, damit wir Enzu ermöglichen hier in Gerresheim sich heimisch fühlen zu können. Wir müssen uns mit Enzu solidarisieren – er gehört nunmal jetzt zu Sportfreunde Gerresheim!!
Ralf Borufka
Geschäftsführer

Dieser Text wurde von Düsseldorfer Fußballfreunden zigfach geteilt. Jetzt kam eine gute Nachricht: Aus Guinea kam nun der Altersnachweis für Enzu. Danach ist er – wie er selbst immer gesagt hat b- 17 Jahre alt, also minderjährig. Damit wäre eine Abschiebung nach Spanien vorerst verhindert. Trotzdem ist der Fall noch nicht ausgestanden. Noch ist Enzu kein Neu-Gerresheimer. Alle Düsseldorfer, die Flüchtlinge willkommen heißen, sind aufgefordert, die Augen offen zu halten.

Am wichtigsten aber ist, dass Fußballvereine die Möglichkeit besitzen, bei der – wünschenswerten und notwendigen – Integration von Flüchtlingen aktiv zu sein. Das gilt natürlich auch für alle anderen Sportvereine, für Vereine überhaupt – in Düsseldorf sind in dieser Hinsicht auch die Brauchtumsvereine gefragt, die sich bisher zu diesem Thema sehr zurückhalten.

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