Bauzäune, Plastikplanen, provisorische Holzverkleidungen. Das Düsseldorfer Schauspielhaus ist noch eine Baustelle. Aber das Foyer füllt sich schnell. Vor den improvisierten Bars bilden sich lange Schlangen. Das Publikum: erstaunlich jung und ganz offensichtlich in freudiger Erwartung. Es verspricht, ein unterhaltsamer Abend zu werden. Mitglieder „Der Partei“ https://www.die-partei.de/ mischen sich unter die Gäste. Manche von ihnen in undefinierbarer Uniform, am Oberarm eine weiße Binde, deren schwarze Aufschrift für einen Moment den kollektiven deutschen Alptraum wach werden lässt.

An Büchertischen wird „Parteipropaganda“ in Form von Aufklebern und Plakaten angeboten. Die Botschaften: irritierend, provozierend und immer wieder belustigend. Auch hier wird mit fast penetranter Regelmäßigkeit an Deutschlands dunkle Vergangenheit erinnert. So heißt die Jugendorganisation Der Partei z.B. „Hintner Jugend“. Ihr Gruß: „Hey Hintner“, was immer mal wieder, wie Sonneborn einräumt, zu Verwirrungen führe.

Herr Sonneborn macht den Parteigruß

Herr Sonneborn macht den Parteigruß

Die Veranstaltung findet im großen Saal statt und ist bis auf den letzten Platz ausgebucht. „Ich begrüße Sie sehr herzlich hier in (ääem…) Dings!“ Martin Sonneborn betritt die Bühne mit Parteigruß und nimmt hinter einem kleinen, fast unscheinbar wirkenden Tisch in der Mitte der Bühne Platz. Über ihm eine Leinwand, auf der in roter Leuchtbuchstaben folgende Worte flimmern: Titanic – das endgültige Satiremagazin. Er wird mit freundigem Beifall begrüßt und geht – wie erwartet – sehr bald zum Angriff über.

Ein Highlight seines Programms: Die Vergabe der Spitzenpositionen im Europa Parlament. Martin Sonneborn spricht von Interessenkollisionen, Insiderhandel und Vorstrafenregistern bei EU-Kommissaren. Namentlich erwähnt er Josef Borell, 72 Jahre alt, Spanier und Multimillionär; gezwungen zur Amtsniederlegung wegen einer Zuwendung in Höhe von 300.000 Euro por Jahr, die er vergaß anzugeben. Christine Lagarde, verurteilt wegen eines Schadens von 400 Millionen Euro, den sie dem französischen Staat im Rahmen ihrer Tätigkeit als Finanzministerin zufügte. Charles Michel, ein Belgier, der zurücktrat, weil er im eigenen Lande mit der Regierungsbildung scheiterte. „(…) eine Parade von Inkompetenz und Wurstigkeit.“

„Frau von der (ääem…) Leyen!“ Auf der Leinwand über Sonneborn läuft jetzt seine Rede vom 16.7.2019 vor dem Europa-Parlament. Die Redezeit beträgt gerade mal eine Minute. Hoch konzentriert und mit ernster Miene wendet er sich direkt an von der Leyen. Er bezeichnet sie als eine „(…) europa-politisch völlig kenntnisfreie Ministerin, die sich in Deutschland lediglich durch einen irren Hang zu überteuerten Beratern und Missmanagement (…)“ einen Namen gemacht habe. Die Kamera macht einen Schwenk; Ursula von der Leyen lächelt. Ein wenig verkrampft vielleicht.

Herr Sonneborn und TD-Reporterin Maria

Herr Sonneborn und TD-Reporterin Maria

Eine weitere Einspielung über die Leinwand: diesmal Stern-TV vom 27.9.2019: Martin Sonneborn prangert als Mitglied des Rechtsausschusses das EU-Kommissionsteam um Frau von der Leyen an. Der Vorwurf: Von den 26 EU-Kommissaren sind mehrere in korrupte Interessenskonflikte verwickelt. Die daraufhin erfolgte Befragung habe, so Sonneborn, ein „unvollständiges, verdächtiges, zum Teil sogar schockierendes“ Bild zu Tage gebracht. Es lege den Verdacht nahe, dass einzelne Kommissare als Lobbyisten tätig wären. Sonneborns Forderung: Sofortige Einstellung der Diskussion über eine Frauenquote im EU-Parlament. Was stattdessen unbedingt eingeführt werden müsse, sei eine Quote für gesetzliche Unbedenklichkeit. Mindesten 50 Prozent aller EU-Kommissare dürften weder vorbestraft, noch in laufende Untersuchungsverfahren verwickelt sein.

Der Abend ist schnell vergangen. Es ist 23 Uhr. An einem Stehtisch im Foyer signiert Sonneborn Bücher und steht Parteimitgliedern und Besuchern für ein kurzes Gespräch zur Verfügung. Der Andrang ist groß. Immer wieder lässt er sich gemeinsam mit seinen Fans fotografieren, selbstverständlich mit Parteigruß: ineinander gelegte Hände rechts oder links neben dem Kopf erhoben. Als ich schließlich an die Reihe komme, habe ich Zeit für eine Frage: „Wenn man so etwas wie in Brüssel mit ansehen muss, wie schafft man es an ein Weiterbestehen der Menschheit zu glauben?“ Es dauert einen Moment bis er antwortet. „Ich glaube erst wieder an die Zukunft der Menschheit, seitdem es Fridays for future gibt.“

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