Wedekinds wahres Weiberbild – ein modernes Mysterium…

Bericht · Das ewig Weibliche zog ihn bekanntlich an, den großen Dramatiker Frank Wedekind. Als er Gefahr lief, an der Differenz der Geschlechter zu verzweifeln, schuf er sich (s)einen eigenen Faust, einen weiblichen: Franziska. Sebastian Baumgarten inszeniert nun das 110 Jahre alte Stück als modernes Mysterium gespaltener Persönlichkeiten: Sonja Beißwenger ist Franziska, Franz, gar Autor Frank? Über den verrät Franziskas Mutter gleich zu Beginn: „Frank war ein bedeutender Künstler. Nur für Gespräche über Herzenssachen war er nicht zu haben.“ Auch die übrigen Darsteller sind das, was Wedekind fordert: elastisch, und das in unterschiedlichen Rollen. [Lesezeit ca. 3 min]

Unterstützt TD! Dir gefällt, was wir schreiben? Du möchtest unsere Arbeit unterstützen? Nichts leichter als das! Unterstütze uns mit dem Kauf einer Lesebeteiligung – und zeige damit, dass The Düsseldorfer dir etwas wert ist.

Die Franziska-Frage: Anpassung oder Emanzipierung? – ist eine ewig weibliche. Früh schließt die Aufmüpfige eine Schwangerschafts-Versicherung ab, fordert für sich Freiheit, Gleichheit, Selbstbestimmung, Lebensgenuss, verschmäht den bereits gehabten braven Hermann und lässt sich lieber ein auf den teuflischen Deal eines zwielichtigen „Sternenlenkers“ (leicht mephistophelisch: Florian Claudius Steffens als Veiz Kunz): Zwei Jahre Mannsein auskosten gegen anschließende lebenslange Leibeigenschaft.

Manchmal versteckt: Franziska (Foto: Thomas Rabsch)

Manchmal versteckt: Franziska (Foto: Thomas Rabsch)

Mann, Franziska! Das kann nicht gut gehen. Aber laut und bunt ist es, kunstvoll zerstört und verstörend wie das Dreh-Bühnenbild vom renommierten Atelier Van Lieshout. Darin kann man sogar Fäkal-Wörter in Sitzhockergröße würfeln. Im Hintergrund flackern zusätzlich und eigentlich überflüssig Bilder und Videos, sodass der Zuschauer streckenweise kaum noch weiß, ob er und, wenn ja, wie viele Männchen oder Weibchen er wahrnehmen soll.

Franziska – ein modernes Mysterium, Schauspielhaus, Großes Haus.
Nächste Vorstellungen: 13. und 30. Oktober, 15. November und 15. Dezember, jeweils 19.30 Uhr

Die fantasievollen Kostüme (Christina Schmitt spielt mit den Geschlechterrollen) helfen da nur wenig, sie sind schrill, teils überladen, aber dann doch wieder gschamig, wenn’s um geile Nacktheit geht, die in einer Art fleischfarbenem Ganzkörper-Kondom eher albern wirkt.

Die Bühne eine Manege (Foto: Thomas Rabsch)

Die Bühne eine Manege (Foto: Thomas Rabsch)

Ziemlich Zirkus (eine Welt, in der Frank Wedekind bekanntlich auch gearbeitet hat, so wie er als Student für Maggi textete). Da wird die Bühne zur Manege, zum Cabaret, in der Sonja Beißwenger ihre Wandlungsfähigkeit auslebt: immer auf dem Sprung zwischen Lulu und Sally Bowles, Ehemann mit Schnäuzer und alleinerziehender Mutter. Da sieht man, wie Frauen schuften können! „Ich bin ja auch kein Ichtier“ bekennt sie in ihrer Rolle. Auch die übrigen Frauentypen changieren schön in ihren Doppel- und Dreifachrollen, bieten den männlichen Männern patzig Paroli – aber sie überleben’s nicht. Auch Wedekinds Texte tun sich schwer in dem Getümmel.

Das ewig Weibliche – es wird zum Schluss sogar in den Himmel gehoben. Allerdings angeschirrt und festgezurrt. Wahrscheinlich war’s Wedekinds wahres Weiberbild.

2 Kommentare

  1. Wieder Antisemitische Propaganda – statt Drachen – Schweinehund und die abgebaute Wand von Dokumenta