Immer wieder denke ich darüber nach, welche Persönlichkeiten in meinem Leben am meisten Einfluss auf mein Denken und Handeln hatten. Und weil das möglicherweise den Lesern dieses wunderbaren Online-Magazins ähnlich geht, starte ich hiermit eine Umfrage zu diesem Thema. Gemeint sind vordringlich Personen der Zeitgeschichte, vor allem solche, denen man persönlich begegnet sind. Und: Es geht nicht um Idole, die man einfach bloß wegen ihrer Lebensleistung bewundert hat, sondern um Menschen, deren Positionen und deren Tun man im eigenen Leben wiederfindet. Also um Persönlichkeiten, die einen ernsthaft und nachhaltig geprägt haben. Meistens sind das höchstens vier oder fünf Menschen; mir fallen auf Anhieb fünf ein – aus ganz verschiedenen Bereichen. Die möchte ich als Anregung vorstellen und darum bitten, dass Sie, liebe Leser, in den Kommentaren Ihre Top 5 der für Sie bedeutendsten Personen mit jeweils kurzen Begründungen preisgeben. Ich bin gespannt.

Chronologisch betrachtet ist Dr. Reinhold Feuerstein meine Nummer 1. Der Biologie- und Mathematiklehrer am Düsseldorfer Leibniz-Gymnasium hat uns Jungs schon in den mittleren sechziger Jahren das Verständnis für die Ökologie nahegebracht. Und das nicht nur im Unterricht, sondern vor allem während der vielen Wandertage, die immer auch Naturkundeexkursionen waren. Durch ihn habe ich mein Verhältnis zu Tieren bezogen. Er brachte mich auf Konrad Lorenz und er war der erste humanistische Realist, dem ich begegnete.

Auch ohne ihm je persönlich begegnet zu sein ist Muhammed Ali eines der größten Idole meines Lebens. Nicht wegen seiner Boxerei oder der Eleganz, mit der er diesen Sport betrieb, sondern weil er sich mit maximaler Arroganz und höchstem Selbstbewusstsein gegen alle Kräfte gestellt hat, die ihn wegen seiner Hautfarbe, seiner Religion und seinen politischen Überzeugungen fertigmachen wollten. Seit vielen Jahren bewundere ich auch seinen Umgang mit der Parkinson-Erkrankung, die ihn nicht davon abhält, immer weiter und immer wieder Menschen ohne Besitz und Macht zu ermutigen, ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen.

Als kürzlich irgendeine Dumpfbratze von Rudi Dutschke als „linker F***e“ schrieb, war ich so wütend, dass ich versucht habe, das feige anonyme Schwein ausfindig zu machen, um mit ihm mal, ähem, zu diskutieren. Es waren die TV-Auftritte des Rudi Dutschke, die mich zu einem Linken gemacht haben. Auch wenn ich als 15-, 16-Jähriger kaum etwas verstanden habe, war mir intuitiv klar, dass er Recht hatte. Dass die real existierenden Besitz- und Machtverhältnisse auf der Erde unter der Fuchtel des Kapitalismus‘ zutiefst ungerecht und inhuman sind. Das Attentat auf ihn Ostern 1967 hat mich mehr schockiert als alle Anschläge auf alle Präsidenten und Politiker. Und als er in den Siebzigern zu den Grünen stieß, war ich nahezu euphorisch, denn – so dachte ich – jetzt kommt der undogmatische Sozialismus zur Ökö-Pax-Bewegung. War leider nicht so…

Vielleicht der wichtigste Lehrer in meinem Leben war Joseph Beuys. Ich begegnete ihm an meinem allerersten Tag als Student der Kunstakademie Düsseldorf, indem ich spontan an der Besetzung des Sekretariats durch ihn und seine Schüler teilnahm. Damit sollte dagegen protestiert werden, dass Beuys nicht mehr alle Bewerber in seine Klasse aufnehmen durfte. Dann erlebte ich ihn einige Male beim Unterricht, bei Diskussionen und Präsentationen. Natürlich schaute ich regelmäßig im Laden der „Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung“ vorbei, die er mit gegründet hatte und wo er regelmäßig anzutreffen war. Als er mit Studenten den Wald fegte, um gegen die Ausdehnung des Bonzentennisvereins in den Grafenberg Wald zu protestieren, war ich dabei. Und dann habe ich drei Jahre in der Gründungsphase der Grünen in stetigem Kontakt mit ihm verbracht. Beuys war ein warmherziger, humorvoller Mensch, der nach Möglichkeiten suchte, die Menschheit zu sich selbst zu bringen.

Spät entdeckt, aber dann tief bewundert habe ich Frank Zappa. Auf der Bühne habe ich ihn leider nur einmal erlebt, aber seine gesamte Musik steckt tief in mir drin. Ja, alle Ansprüche, die ich an Musik habe, stammen von ihm: Komplexität, Eigenständigkeit, Emotion, Humor und vieles mehr. Was mich ihm aber auch näherbringt ist die Gewissheit, dass er von ungefähr 95 Prozent derjenigen, die seinen Namen und sein Werk zumindest ansatzweise kennen, missverstanden wird. Ich bin sicher: Frank Zappa hat die Musik als genialer Komponist – ähnlich wie Miles Davis – ein paar Male neu erfunden. Dass er einen wunderbaren Humor hatte und einer der besten E-Gitarristen aller Zeiten war, trägt zur Bewunderung bei.

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