Auf den ersten Blick scheint es, als habe das Open Source Festival, das die Fans liebevoll „OSF“ nennen, seine Form gefunden, denn rein äußerlich unterschied sich die Ausgabe 2018 nicht von den Vorgängern der letzten fünf Jahre. Warum sollten die Veranstalter auch etwas ändern, wo es doch gut so ist wie es ist? Aber im Inneren, konzeptionell, da geht es immer weiter mit diesem Festival, das in Deutschland einzigartig ist. Was man schon an dem ambitionierten Versuch ablesen kann, dem eigentlichen Event einen Kongress vorzulagern. Es geht um die Zukunft, soviel ist klar, und die soll aus Sicht der OSFler friedlich sein, freundlich, kreativ und liebevoll. Und wer das kooperative Nebeneinander von engagierten Foodtruckern, NGO-Aktivisten, Sponsoren und der bunten Vielfalt der Besucher erlebt, der weiß: Von den Hippies lernen, heißt die Welt verbessern lernen.

Damit das nicht in einem allseits bekömmlichen Musik-Cocktail versinkt, wird geboten, was mindestens knapp neben dem Mainstream schwimmt, was entweder sehr neu, sehr ungewöhnlich oder sehr klug ist. In diesem Sinne Tocotronic als Headliner zu verpflichten (zum zweiten Mal beim OSF, übrigens), war ein ebenso schlauer Schachzug wie das komplette Programm auf der Carhartt-Bühne oben beim Eingang und auf der Young-Talent-Stage hinter der neuen Tribüne – die leider dieses Jahr viel zu wenig Zuhörer anzog. Wobei: Die Musik steht beim OSF definitiv nicht im Zentrum, und wer nur wegen der Bands und Acts herkommt, verpasst das Eigentliche.

Das findet sich im Bereich zwischen dem Eingang und den Tribünen und kumuliert am Führring, der die Open Squares beherbergt; Plätze für Menschen, die etwas zu zeigen und zu sagen haben. Oder Stände der Welthungerhilfe, Viva con Aqua und den SOS-Kinderdörfer. Wunderbar ausbalanciert mit Sponsoren-Buden von Jägermeister und Fritz-Kola, dem Wacom-Pavillon und vielen kleinen Ecken, an denen Unternehmen Sachen verschenken, Dinge demonstrieren, informieren und einfach dabei sind. Friedliche Kooperation ist also das Konzept – und die Leute? So viel Freundlichkeit und Rücksichtnahme wie in diesem Gewusel von 7.000 Menschen findet sich selten. Auf den Picknick-Wiesen, wo Tausende lagern, gibt es Pfade von oben nach unten; niemand moppert, wenn man seine Decke berührt. Kinder spielen wild, aber keiner regt sich auf. Schwer gebräunte Privatiers, die mal eben von Formentera hergejettet sind, treffen auf junge Menschen auf der dringenden Suche nach einem eigenen Stil, und wenn Opa und Oma mit den Enkeln auf dem Gras spielen, können Papa und Mama vor der Bühne der Band zujubeln.

Zu den Headlinern zählen aber auch die vielen Essstände, Imbisswagen und Foodtrucks. Keine gute Idee, so um 20 Uhr herum das Dinner einnehmen zu wollen, weil es vielen so geht und man beispielsweise bei einem der Hamburger-Anbieter bis zu 45 Minuten auf sein Klopsbrötchen warten muss, oder gern auch eine halbe Stunde auf eine Tüte Pommes. Die Qualität ist – mit wenigen Ausreißern – hoch, und wer sich in den Essgarten zwischen Führring und alter Tribüne schleicht, kann Exotisches probieren. Vegetarisches und veganes Essen gibt es natürlich auch in breiter Auswahl.

Irgendwann wird aus diesem Sommerfest mit Picknick-Atmosphäre dann doch noch ein Festival. Die Sonne ist hinter den Hügeln des Aaper Waldes untergegangen, ein feiner Nachthimmel aufgezogen, und auf der Hauptbühne nehmen die Herren von Tocotronic das Volk mit auf die Reisen durch ihre Gefühls- und Denkwelten mit. Da sind aber schon gut die Hälfte der Besucher woanders, haben sich mit einem der Shuttle-Busse (eine geniale Einrichtung!) zum Staufenplatz schaukeln lassen, um die Nacht dann doch noch auf der Kirmes, in der Altstadt oder dem Lieblings-Club zu vollenden.

Kommentare sind gesperrt.