Schaut man sich die beiden prächtigen Bürgerhäuser an, in denen zur Zeit das Intercity Hotel untergebracht ist, kann man erahnen, dass die Graf-Adolf-Straße früher nicht bloß „Bahnhofsviertel“ war. Tatsächlich war sie über Jahrzehnte eine bedeutende Verkehrsachse, weil sie die alten Bahnhöfe mit dem neuen Hautbahnhof verband. Ja, genau: Ursprünglich gab es am Graf-Adolf-Platz, ungefähr da wo heute das GAP-15-Hochhaus steht und auf der Freifläche nebenan, die ersten Stationen der Eisenbahnlinien des 19. Jahrhunderts. Ältere Düsseldorfer berichten, dass die Graf-Adolf-Straße eigentlich erst nach dem zweiten Weltkrieg zum Schmuddelkind geworden ist, was auch mit vielen zerstörten Häusern zu tun hat.

Mehr als Rotlichtviertel

Überhaupt ist Düsseldorf ja eine der ganz wenigen Großstädte ohne nennenswertes Rotlichtviertel. Das bestand einige Jahre – etwa zwischen 1960 und 2000 – aus dem Dreieck zwischen Mintrop-, Harkort- und eben Graf-Adolf-Straße und hatte außer ein paar Strip-Lokalen und klandestinen Bordells wenig Anstößiges zu bieten. Dafür siedelten sich damals aber die ersten Sex-Kinos und -Shops an der Graf-Adolf-Straße zwischen dem Hauptbahnhof und dem Stresemannplatz an. Eine Zeitlang gab es neben dem immer noch existierenden Globus und dem berühmten Pam-Kino mit einem richtig großen Saal sowie der Beate-Uhse-Filiale ein rundes Dutzend Betriebe der sogenannten „Erotik-Branche“. In den anderen Ladenlokalen dieser Ecke fanden regelmäßig Wechsel statt.

Google-Map: Graf-Adolf-Straße

Google-Map: Graf-Adolf-Straße

Dass das El Dorado aller Tabakfreunde, Linzbach, schon ewig dort residiert, ist die Ausnahme von der Regel. Tatsächlich war der Laden, in dem Zigarren-Afficionados und Pfeifen-Liebhaber alles bekommen, was das Raucherherz begehrt, so etwas wie ein Leuchtturm in der eher schmuddeligen Gegend. Dabei war der Stresemannplatz einmal als pulsierender Verkehrsknotenpunkt angelegt, der sogar eine eigene Tankstelle aufwies. Die gammelte vor dem ebenfalls gammelnden Hochhaus vor sich hin.

Inzwischen hat gerade der erste halbe Kilometer ab dem Konrad-Adenauer-Platz kulinarisch einiges zu bieten – vor allem, ja, fast ausschließlich türkischer Provenienz. Das Anadolu hat Kultstatus, weil man hier bis tief in die Nacht frisch zubereitete Spezialitäten bekommt. Das gegenüberliegende Antalya Restaurant hat einen ziemlich guten Ruf. Dazu ein paar Cafés mit entspannenden Sitzplätzen unter den herrlichen Alleebäumen. Auffällig aber die wirklich massenhafte Ansiedlung von Handy-Shops hier – ein paar Jahre lang versorgten die vor allem Bürger marokkanischer oder türkischer Herkunft, mittlerweile gibt es für jede ethnische Gruppe einen eigenen Prepaid-Store.

Die ehemalige Kino-Meile

Jenseits des Stresemannplatzes verändert sich die Graf-Adolf-Straße nur wenig. Mutig, hier „Hagi’s Barber Shop“ (direkt neben Linzbach) anzusiedeln. Aber der Mut wurde belohnt, denn dieser Frisiersalon für Männer (und auch Frauen) ist inzwischen schwer angesagt. Eine Konstante in diesem Teil der Straße ist die Niederlassung des Marokko-Fremdenverkehrsamtes an der Ecke zur Pionierstraße, das schon seit Jahren eine Mischung aus Tourismus und Folkloreprodukten anbietet und immer ein wenig geheimnisvoll wirkt. Lange gab es ein paar Häuser weiter einen der am besten sortierten Eiswarenladen der Stadt. Dafür hat „Licht im Raum“ alle Veränderungen überdauert und sogar weitere High-End-Lampenläden im Viertel angezogen.

Dann das Savoy, dieses wunderbare Großkino mit einem Ober- und einem Unterrang… Wenigstens kann man dieses Haus noch als das erkennen, was es jahrzehntelang war: ein Lichtspieltheater. Denn bis zum großen Kinosterben durch den harten Konkurrenzkampf mit dem Fernsehen, Videokassetten, DVDs und auch Multiplex-Palästen war die Graf-Adolf-Straße das Filmherz der Stadt. Das begann um die Ecke vom Konrad-Adenauer-Platz mit dem Rex (in dem immer auch die Originalfassungen ohne Untertitel gezeigt wurden), setzte sich mit dem Europapalast gegenüber der Harkortstraße fort und ging mit dem Savoy weiter. Um die Ecke auf der Berliner Allee dann das Berolina und der UFA-Palast sowie wieder auf der Graf-Adolf-Straße dem Residenz, das heute Heim des großen Clubs Nacht-Residenz ist. Von der legendären Lichtburg ganz zu schweigen, das heute die Filiale eines US-Kaffeeausschanks beherbergen muss.

Eine weitere Branche, die bis heute auf und in der Nähe der Graf-Adolf-Straße haut, ist die der Motorradbekleidung. Auslöser war die Ansiedlung von Hein Gericke an der Karl-Rudolf-Straße in den Siebzigerjahren. Als dann mit Detlev Louis und Polo Konkurrenten auf den Plan traten, die das Gericke-Konzept mehr oder weniger kopierten, hatten die nichts Besseres zu tun, als gleich nebenan oder um die Ecke auf der Graf-Adolf-Straße aufzumachen. Witzigerweise hat vor ein paar Jahren in Sichtweise des drastisch verkleinerten, aber immer noch existierenden Hein-Gericke-Ladens eine Yamaha-Vertretung eröffnet, und schräg gegenüber gibt es einen ziemlich großen Dainese-Store.

Die großen Veränderungen

Die meisten Veränderungen erlebt die Graf-Adolf-Straße jenseits der Oststraße. Der McDonalds an der Ecke ist schon fast ein Traditionslokal, war es doch das erste oder zweite, das in den frühen Siebzigerjahren in die Stadt kam. Gleich nebenan hat sich nach einem unschönen Namensstreit der Kult-Döner-Laden Dene & Gör angesiedelt, der ganz offiziell das F95-Logo führt und mit einem wirklich legendären Spruch wirbt: „Unser Döner und Salat ist super, mit Soße spitze“. Und dann das ehemalige Kaufhaus Horten, das bis vor einem Jahr noch als Kaufhof Galeria existierte und jetzt mehr neu-, als umgebaut wird. Dort soll mit einem Edeka-Center Zurheide einer der größten Lebensmittelsupermärkte der Bundesrepublik entstehen. Zurzeit ist der Klotz noch eingepackt, als sei Christo hier gewesen.

Unterschätzt wird auf dem letzten Stück das Maredo, weil es eine schattige Außenterrasse aufweist wie es sonst keine an der Graf-Adolf-Straße gibt. Vorne hat sich Da Noi als Spitzenpizzeria etabliert, und nebenan findet sich mit der Patiserie Tanger ein marokkanisches Märchenland des süßen Gebäcks. Leider gibt es gegenüber die ehemals wichtigste Eisdiele der Stadt, Palatini, schon lange nicht mehr. Überhaupt ist auf der Seite mit der Nacht-Residenz momentan alles im Fluss. Die Postfiliale ist geschlossen, das Auktionshaus macht Schlussverkauf und ein Haus ist schon eingerüstet. Hier macht sich die Nähe zur Kö schon massiv bemerkbar.

Ob es die war, die dem mehr als legendären Spielzeughaus Lütgenau den Garaus gemacht hat, kann man bezweifeln, Tatsache ist, dass in dem Haus, in dem nun Mode von Ulla Popeken verkauft wird, über viele, viele Jahrzehnte eine Instanz ansässig war, von der alle Kinder in der Stadt ständig träumten. Das auf einen Rutsch das gute Fotogeschäft nebenan mit abgeräumt wurde, macht es nicht besser. Hier endet die Graf-Adolf-Straße und geht in den riesigen Graf-Adolf-Platz über, der wiederum den Übergang zwischen Kö und Landkrone bildet – und mit der Graf-Adolf-Straße außer dem Namen nichts gemein hat.

7 Kommentare

  1. Das Savoy war früher Großes Kino, in dem noch richige Filmpremieren in Anwesenheit der jeweiligen Hauptdarsteller gab. Ich war als ca. 10-Jähriger damals mit meiner Schwester regelmäßig dort und habe Autogramme von Steward Granger, Lex Barker, Karin Baal, Mario Adorf, Horst Buchholz und anderen „ergattert“, die leider aber alle im Laufe der Jahre verschütt gegangen sind. Direkt neben dem Haupteingang gab es das typische 1950/60er Striplokal „femme fatale“, in dessen kleiner Vitrine (fürPubertierende nicht ganz uninteressant) hinter einer Tüllgardine Fotos der diversen dort tanzenden Damen hingen.

    In den 1970er Jahren wurde es im Rahmen des Trends hin zum „Schuhkartonkino“ in drei kleinere Kinos unterteilt, von dem eines Asta Nielsen hieß, die anderen Namen habe ich vergessen. Ich denke, mit der heutigen Bestimmung des Savoy kann man sehr gut leben.

    Ein weiteres „Kinoherz“ war damals aber auch Flingern, wo es in einem kleinen Umkreis gleich drei Kinos gab: das „Atrium“ (später ein Supermarkt und heute das Gebäude „Neues Atrium“, früher daneben mit bei eingesessenen Flingeranern legendären Büdchen „Atrium Schatulle“, den „Wintergarten“ (heute Jesus-Haus), beide Grafenberger Allee, und auf der Flurstraße das „Titania“, später und bis heute ein Supermarkt.

  2. Rainer Bartel am

    Danke für die Hinweise – wir arbeiten an einer Serie über aktuelle und ehemalige Kinos in Düsseldorf, da passen die Infos gut!

  3. Geschichten am

    Eisenbahn im 18. Jahrhundert in Düsseldorf? Da hat man unsere teutschen Erfinder mal wieder übergangen!

    • Rainer Bartel am

      Upps… Danke für den Hinweis – wird sofort korrigiert!

  4. Ach, die Postfiliale ist jetzt auch noch weg? Gab es nicht Mitte der 90er noch eine Hauptpost in der Graf-Adolf-Straße?

    Sehr empfehlen kann ich dort übrigens die Plus Zahnärzte. Ich würde nicht sagen, dass die mich von meiner Zahnarztphobie völlig geheilt hätten, aber die können bei umfangreicheren Sanierungen auch mit Vollnarkose arbeiten.

  5. Hello from the USA — I found your website while looking for information on a small hotel on Graf-Adolf-Strasse where I stayed for a weekend in 1998, based only on a photo. It was my first night in Germany. I had arrived at the Bahnhof and couldn’t contact my business colleague at the time, so I had to ask at the info desk for „ein Zimmer“ and walk to the Hotel Stuttgarter Hof. It was the old kind of hotel, with the office and rooms upstairs, and the bathroom down the hall. Judging from the photo, I *think* it was above what is now the Kostlar hairdresser (the sign in 1988 read „Coiffeur Ehmke“). There is a sign visible for „Adana City-Grill“ which appears to still exist just west of the hairdresser’s; there was a Neuform Reformhaus on the eastern side. Unfortunately Google Street View has blurred the building so I can’t see precisely where the hotel was. Vielen Dank für die Erinnerungen!