Auch an der so ungewöhnlichen Prinz-Georg-Straße in Pempelfort hat der in Nazi-Stadtplanung ausgebildete Friedrich Tamms seinerzeit seine unegalen Finger gelegt. Um eine weitere Nord-Süd-Schneise der autogerechten Stadt zu schlagen, ließ er die Fahrbahnen der Allee mit der Düssel in der Mitte einfach verbreitern. Darunter leidet die Prinz-Georg-Straße noch heute. Dabei wurde sie 1888 als repräsentativer Straßenzug für bessere Bürgerhäuser angelegt. Ein paar dieser hübschen Stadtvillen sind am oberen Ende noch zu sehen.

v

Die Prinz-Georg-Straße auf einem Stadtplan von 1893

Drei Stadthäuser im damals angesagten Neorenaissance-Stil geben einen Eindruck in den Urzustand. Genau wie der Rest des Prinz-Georg-Gymnasiums an der Ecke zur Franklinstraße. Das hatte man 1896 fertiggestellt und ebenfalls nach dem Preußen-Prinz benannt, der lieber Schriftsteller sein wollte als Kriegsherr. Allerdings nicht als Gymnasium, sondern als Realschule, auf der die Söhne des mittleren Bürgertums das sogenannte „Einjährige“ ablegen konnten, das es ihnen erlaubte, statt drei Jahren nur ein Jahr Wehrdienst ableisten zu müssen. 1906 zog diese Realschule zur Scharnhorstraße um, wo es später zum Leibniz-Gymnasium wurde. Stattdessen gründete man im hübschen Bau an der Allee das Prinz-Georg-Gymnasium als Reformgymnasium, also mit Schwerpunkt auf die Wissenschaften.

Das Prinz-Georg-Gymnasium wird zum Max-Planck-Gymnasium

Geboren wurde Friedrich Wilhelm Georg Ernst Prinz von Preußen 1826 im Schloss Jägerhof, von dem es damals noch hieß „bei Düsseldorf“. Denn genau wie das Häuschen der Familie Jacobi, in dem Goethe ab und an vorbeischaute, lag das Schloss Jägerhof mitten in der Pampa zwischen Pempelfort und Düsseldorf, also der heutigen Altstadt. Obwohl der Prinz bei der Fertigstellung „seiner“ Straße noch lebte, wurde sie ihm zu Ehren benannt – ein einigermaßen ungewöhnlicher Vorgang, der darauf schließen lässt, dass der Schorsch Lieblings-Preuße der damaligen Stadtmütter und -väter war. Zumindest die Düsseldorfer Bevölkerung hatte es ja eigentlich nicht so mit den Militaristen aus dem Osten. Möglicherweise war die Benennung nach dem Schöngeist ja sogar ein versteckter Akt der Auflehnung gegen den Kaiser…

1888 gab es das Gymnasium noch nicht, wohl aber das Marienhospital, das noch heute exakt dasselbe Grundstück nutzt wie damals. Der Stadtplan von 1893 belegt, dass fünf Jahre nach der Fertigstellung der Straße nur zwei Händevoll Häuser an der Prinz-Georg-Straße standen. Dass sich die Randbebauung über fast zwanzig Jahre hinzog, lässt darauf schließen, dass den wohlhabenden Bürger Pempelfort einfach zu abgelegen war. Eine zweite Welle des Häuserbaus kam mit dem Jugendstil kurz nach der Jahrhundertwende. Ein prächtiges Zeugnis dafür bildet das Ensemble an der Ecke zur Camphausenstraße. So schön gelb die Fassade heute, so düster die Geschichte der Häuser. Zwischen 1939 und 1945 befand sich hier das Gestapo-Hauptquartier des „Gau Düsseldorf“. Hier wurden vor allem die Aktionen gegen den Widerstand geplant und beaufsichtigt.

Gestapo-Hauptquartier im Jugendstil-Block

Treppenwitz der Geschichte: Während das Gestapo-Haus im Krieg fast völlig unzerstört blieb, erwischte es das Prinz-Georg-Gymnasium schwer. Nur ein Flügel konnte überhaupt wiederaufgebaut werden. Trotz Notunterbringung und Unterricht in Schichten ging der Betrieb aber schon im Sommer 1945 weiter, und im Herbst beschloss man, das Gymnasium in ein mathematisch-naturwissenschaftliches umzuwandeln und nach dem großen Physiker Max Planck zu benennen. Aber erst 1956 konnte man das neue Gebäude in Golzheim beziehen.

Neben dem erhaltenen Südflügel wandelte man den teilweise wiederhergestellten Mittelflügel in ein Theater um, und in den Fünfzigerjahren bezog die Landesbildstelle einen Barackentrakt auf dem Brachland nebenan. Der Theatersaal wurde ausschließlich für Schulvorführungen – auch von pädagogisch wertvollen Filmen – genutzt. In den Siebzigerjahren übernahm das Kulturamt den Bau und machte es zum Spielort des Kommunalen Kinos. Als die Vorführtechnik nicht mehr mit vertretbaren Mitteln zu modernisieren war und die Landesbildstelle an den Wehrhahn umgezogen war, stellte man das Haus den Freien Theatergruppen der Stadt zur Verfügung. Mehr als zehn Jahre lang konnten die Düsseldorfer im sogenannten „Theaterhaus“ Theaterstücke, Lesungen, Performances und Aktionen genießen. Nach langem Hickhack und finanziert durch Mäzene übernahm die Clara-Schumann-Musikschule das Haus, dessen Mittelpunkt nun der Udo-van-Meeteren-Saal ist.

Ungewöhnlich an der Prinz-Georg-Straße ist, dass es kein einziges Ladenlokal auf seinen 880 Meter Länge gibt. Das ehemalige Blumengeschäft am Nordende zählt nominell zur Moltkestraße, und der Kiosk an der Ludwig-Wolker-Straße hat ebenfalls keine Hausnummer der Prinz-Georg-Straße. Leider gibt es auch die Tankstelle zwischen hier und der Stockkampstraße nicht mehr. Der modernistische Bau an der Ecke entstand in den frühen Sechzigerjahren quasi rund um eine Aral-Tankstelle herum. Noch heute kann man die blau-weißen Aral-Fliesen sehen. Anfangs war das ganze Haus mit aral-blauen Akzenten geschmückt. Später wurde erst eine freie Tanke daraus, dann eine Jet-Tankstelle.

Religiöse und Extremisten

Wider Erwarten war die Prinz-Georg-Straße einst eine religiöse Allee. Heute ist nur noch das Adventhaus, die Kirche der Sieben-Tags-Adventisten an der Ecke zur Stockkampstraße übrig. Die 1963 geweihte Reformationskirche direkt nebenan gibt es nicht mehr. In dieser hochmodernen Kirche wurde ich konfirmiert, und dort habe ich 1973 geheiratet. Im Haus wohnte Pastor Weber, ein strenger Protestant, der sich auch nicht scheute, erzieherische Ohrfeigen zu verteilen. Die Kirche gehörte zur Kreuzkirchengemeinde und musste mangels gläubiger Menschen Mitte der Neunzigerjahre aufgeben. Heute betreibt die Gemeinde dort ein Wohnheim für Wohnungslose. Interessanter aber das Haus mit der Nummer 39, das auf der anderen Straßenseite und ein wenig zurückgesetzt steht. Nur an einem aus Eisen gebogenen Symbol kann man noch erkennen, dass hier einst das Hauptquartier einer radikal-evangelikalen Gruppe namens „Jugendbund für entschiedenes Christentum“ (kurz: EC) untergebracht war. Landesweit Berühmtheit erlangten diese Extremisten mit einer Bücherverbrennung zu Erntedank im Jahr 1965.

Und wo wir gerade bei Extremisten sind: Ebenfalls bundesweit bekannt war die Prinz-Georg-Straße zwischen etwa 1970 und 1990. Denn in der Hausnummer 1979 befand sich die Bundeszentrale der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) sowie die Redaktionsräume ihrer Zeitungen. Was genau dort verwaltet wurde, wird von zahlreichen Gerüchten umwabert. Nachdem klar war, dass und in welchem Maße die Führung der DDR die RAF-Terroristen unterstützt hatte, deutete einiges daraufhin, dass in diesem Haus in Düsseldorf die eine oder andere Aktion zumindest geistig unterstützt wurde. Immerhin war unsere schöne Stadt Mitte der Achtzigerjahre nachweislich Aufenthaltsort von mindestens acht steckbrieflich gesuchter Terroristen, und Christian Klar wohnte ein paar Wochen lang kaum 500 Meter Luftlinie entfernt. Auch zum Chinarestaurant in der Oststraße 156, in der im September 1978 Willy Peter Stoll von einem Zivilfahnder erschossen wurde, sind es kaum zehn Minuten Fußweg.

Ebenfalls im Krieg fast vollständig zerstört wurde die katholische Kirche St. Rochus. Die war im Urzustand eine der größten Kirche der Stadt und nahm nicht nur den Raum des heutigen Standortes ein, sondern den kompletten Rochusmarkt samt aller Grünflächen. Es wäre technisch möglich gewesen, diese Kirche wiederaufzubauen, aber die Gemeinde beschloss angesichts der Kosten, die Ruine 1953 zu sprengen und zunächst nur den Glockenturm stehen zu lassen. Der Pfarrer selbst war es, der auf die Idee zum sogenannten „Atomei“ kam, dieser eigenartigen Kuppel, die diese Kirche weltbekannt gemacht hat. Die nötigen Berechnungen und Pläne für den Bau stammen vom großen Düsseldorfer Architekten Schneider-Esleben. Nach nur wenigen Monaten Bauzeiten konnte der neue Sakralraum 1954 geweiht werden.

Die schöne Düssel

Google-Map: Die Prinz-Georg-Straße

Google-Map: Die Prinz-Georg-Straße

Die nördliche Düssel hat viel Glück gehabt an dieser Stelle, weil die Allee von vornherein so geplant war, dass der Bach zwischen den Alleebäumen in der Mitte fließen sollte. Ja, man verzichtete sogar darauf – wie andernorts -, die Düssel zu begradigen. Das ist besonders schön, weil dieser Arm des Flüsschens, das unserer Stadt den Namen gibt, fast überall auf dem Stadtgebiet in Röhren oder unter Deckel geführt wird.

An beiden Enden hat die brutale Stadtplanung des Friedrich Tamms der Prinz-Georg-Straße jeden Charme genommen. Ursprünglich führte sie, samt Düssel in der Mitte, bis zum Park am Schloss Jägerhof. Heute endet sie in einer gigantomanischen, hässlichen Kreuzung mit ein bisschen Alibi-Grün. Früher lag vor dem Glockenturm von St. Rochus ein schattiger Marktplatz, heute treffen hier mehrere Straßen zugunsten des Pkw-Verkehrs aufeinander. Fast noch schlimmer das nördliche Ende, das von einer großen, strukturlosen Freifläche gebildet wird, an der die erst durch Tamms entstandene Eulerstraße als vierspurige Rennbahn beginnt. Das alles ist traurig. Und so still und friedlich die Prinz-Georg-Straße vor dem Krieg gewesen sein mag, so wenig attraktiv ist sie heute dank Tamms als Wohnstraße.

2 Kommentare

  1. Guido v. Oertzen am

    Schöner Artikel mit vielen interessanten Detailinfos. Aber Willi Peter Stoll wurde nicht 1991, sondern schon 1978 im Restaurant auf der Oststraße erschossen.

    • Rainer Bartel am

      Danke für den Hinweis. Das stimmt natürlich und wird im Artikel sofort korrigiert.